… und ein lustiges Jahr 2010
26. Dezember 2009 von admin
1910 vor uns
Weihnachten, die Feier der Menschwerdung Gottes mit der entsprechenden Übernahme menschlicher Verantwortung durch den Menschen, zog in diesem Jahr irgendwie an mir vorbei. Vielleicht liegt es daran, dass ich – wie manche meinen – auf die Ereignisse wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange guckte, was eher lähmt als zu neuen Taten ermuntert. Auch die christlichen Kirchen sorgten sich neben profanen Dingen, wie dem Klima, mehr darum, dass der Weihnachtsmann nicht den Bischof Nikolaus von Myra aus den vorweihnachtlichen Charts verdrängt. „Die nächste Sintflut wird seicht sein“ warnte einst Magnus Enzensberger. Sie ist es – leider – und wir drohen darin zu ertrinken. Deshalb mein Rat für das neue Jahr: Kopf hoch! Und mit Friedrich Schiller „Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein.“ Damit können ein Neues Jahr und mit ihm neue Möglichkeiten kommen.
Lassen Sie uns das neue Jahr gleich mit einem Vorschlag an unsere Freunde, die wenig einfallsreichen Beutelschneider, beginnen. Nachdem die anerkannte Klimawissenschaft und ihre Vertreter offensichtlich die größten Verlierer des Kopenhagener Fiaskos waren, könnten sie es ja wohl mit einer neuen Bedrohung versuchen: The Anthropogenic Continental Drift (ACD). Entdeckt ist sie bereits und kaum mehr angefochten. Anerkannte Wissenschaftler brauchten sie nur noch wissenschaftlich zu validieren, einen Konsens bilden, den Segen der Top-Bankiers einholen und die Medien und Politiker damit hausieren lassen. Die ACD wird – darauf dürften sich die „überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler“ rasch einigen können – zu katastrophalen Schäden und unaussprechlichem menschlichem Leid führen, wenn nicht sofort alle Industriebetriebe geschlossen werden und die Arbeiter beginnen, mit Hacke und Schaufel dagegen an zu arbeiten. Es müsste unbedingt auf der einen Seite der Kontinente die Erde abgetragen und auf der anderen Seite im Meer aufgeschüttet werden. Diese Lösung ist umso mehr zu begrüßen, weil dadurch Arbeitsplätze und Arbeitseinkommen geschaffen würden, für die die bisherigen Industriebetreiber aufkommen sollten. Die neue Bedrohung böte somit zugleich die Lösung für das zweitgrößte Problem, die augenblickliche Finanzkrise. Wäre das nicht etwas, wofür sich auch unsere jugendlichen Idealisten und protestantischen Pfarrer auf der Suche nach Betroffen-Machern engagieren könnten. Man muss ihnen das nur noch auf geeignete Weise nahe bringen; doch wozu sonst haben wir angebetete Promis?
Was sonst bringt das Neue Jahr? Der Afghanistankrieg kommt ins neunte Jahr und dauert damit schon 3 Jahre länger als der 2. Weltkrieg. Eigentlich hat er schon vor 30 Jahren mit dem Einmarsch der Sowjet-Armee begonnen. Auf einer Konferenz zum 30. Jahrestag des Einmarsches sagte General Iwaschow, einst hoher Mitarbeiter im sowjetischen Verteidigungsministerium und heute Präsident der Moskauer Akademie für geopolitische Probleme, am 21.12. Interessantes: Die Sowjetführung sei damals sehr unsicher gewesen. Es habe eben so viele Gründe für, wie gegen die Invasion gegeben. Man habe sich schließlich dafür entschieden, weil Geheimdienstinformationen auf die Gefahr verwiesen, dass in Afghanistan westliche Truppen an der sowjetischen Grenze stationiert würden.
Genau das ist nach Scheitern der Invasion auch geschehen. Grundlage dafür bildete der Silk Road Strategy Act, den der US-Kongress im März 1999 verabschiedete und im Januar 2003 und im September 2007 weiter ausgebaut hatte. Dem Gesetz lag das Konzept von Zbigniew Brzeziński: A geostrategy for Eurasia, in: Foreign Affairs, September/Oktober 1997, S. 50-64 zugrunde. Es strebt die Erweiterung des amerikanischen Wirtschaftsimperiums in einem breiten geografischen Korridor entlang des 48. Breitengrad an, der bis vor kurzem zur wirtschaftlichen und geopolitischen Sphäre Moskaus gehört hatte. Natürlich zielte man auch auf das Öl in dieser Region, aber nur als ein Nebenaspekt. Brzeziński ist der Mentor des jetzigen US-„Friedens“-Präsidenten Obama, der den größten Militärhaushalt der US-Geschichte durchgesetzt hat. Er ist 8,7% höher als der seines Vorgängers, dem „Kriegstreiber“-Bush.
Jetzt verstehen Sie vielleicht die Worte Obamas in seiner Rede vor der Militärakademie West-Point vom 2.12. als er verkündete, weitere 30.000 Mann nach Afghanistan schicken zu wollen: „Viele sagen, dass sich die Situation in Afghanistan niemals stabilisieren wird … Dieses Argument beruht auf der falschen Auslegung der Geschichte. Im Unterschied zu Vietnam befinden wir uns in Afghanistan im Bestand einer großen Koalition von 43 Ländern, die die Legitimität unserer Handlungen teilen. … Was das Wichtigste ist: Im Unterschied zu Vietnam wurden vom Territorium Afghanistans Überfälle auf das amerikanische Volk begangen. Dieses Land ist immer noch ein beliebter Ort für Extremisten.“ Und das ist eine Lüge, wie die, die Polizeigewalt an die Afghanische Regierung übergeben zu wollen. Eine solche Regierung gibt es nur unter dem Schutz der US-Bajonette und die Afghanischen Polizeikräfte sind daher ähnlich motiviert wie Harz IV Empfänger bei der befohlenen Parkpflege. Die Terroristen sind Widerstandskämpfer, die nicht Vasallen der US-Regierung sein wollen wie die Deutschen und die 43 Länder, die „die Legitimität unserer Handlungen teilen.“ Japan, eines der 43, hatte schon am 10.11. beschlossen „seine Hilfe für Afghanistan umzuorientieren.“ Die Regierung will keine militärische Hilfe mehr leisten und sich Januar 2010 auf humanitäre und soziale Projekte konzentrieren, denn: „Es gibt wirksamere Mittel zur Vorbeugung gegen Terrorismus.“ Tokio will lieber, für ehemalige Taliban-Mitglieder eine Berufsausbildung organisieren, damit sie schnellstmöglich in das friedliche Leben einbezogen werden oder beim Wiederaufbau der Landwirtschaft am Hindukusch helfen.
Haben die USA mit Afghanistan ihrer Silkroad-Strategie genützt? Man kann es bezweifeln. „Macht und Vermögen verlagern sich in Richtung Osten“, glauben selbst Journalisten zu erkennen. Trotz des Kollapses der Weltfinanzen ist das Wirtschaftswachstum in China „beeindruckend“. Im dritten Quartal 2009 wuchs sein Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 8,9% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Selbst von Januar bis September habe das Wachstum 7,7 Prozent betragen, teilte das Statistische Amt Chinas mit. Natürlich kann man die Zahlen in westlicher Arroganz als geschönt anzweifeln. Doch die Chinesen haben im November GM Marke und Produktion des US-Militärgeländewagens Hummer abgekauft. China hat in den ersten 10 Monaten dieses Jahres zehn Millionen Fahrzeuge gebaut und ist zum drittgrößten Autohersteller der Welt, hinter den USA und Japan und vor Deutschland, aufgestiegen, meldete die Nachrichtenagentur Xinhua. In diesem Jahr erwarten Experten die Herstellung von mindestens zwölf Millionen Fahrzeugen. (Der „Auto-Experte“ Prof. F. Dudenhöffer von der Uni Duisburg erwartet, dass dagegen nach der Abwrackprämie der Neuwagen-Absatz in Deutschland klimabewusst um über 25 Prozent einbrechen werde). China baut mit der C919 nun auch ein großes Flugzeug, das mit Boeing und Airbus konkurrieren soll.
„China festigt seine Führung im Welthandel“, lautete eine Schlagzeile, die darauf verweist, dass Chinas Anteil am weltweiten Markt steigt, weil Amerika und Europa Marktanteile verlieren. Am 1.1. 2010 tritt CAFTA in Kraft, eine Freihandelszone der ASEAN+3-Länder (China, Japan Südkorea), meldete die chinesische Agentur Xinhua unter Berufung auf den Vize-Premier des Staatsrates der VR China, Li Keqiang. „Das Freihandelsgebiet ASEAN+3 ist ein überaus wichtiges Element der regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit, das eine neue Etappe in der Zusammenarbeit und im Handel einleiten soll“, sagte Li Keqiang am 27. 10. auf dem 6. China-ASEAN-Gipfel in der Stadt Nanning. Mit 1,98 Milliarden Einwohnern und dem BIP der Mitgliedsstaaten von nahezu sechs Billionen US-Dollar wird CAFTA das drittgrößte, zollfreie Handelsgebiet der Welt. China wird 90 Prozent der Waren im Handel mit den ASEAN-Ländern mit 0% Zoll belegen. Auch Investitionsprojekte und andere Kooperationen werden zu Vorzugsbedingungen umgesetzt. Der 1967 ursprünglich im Interesse der US-Wirtschaft gegründeten Organisation gehören Indonesien, Malaysia, Singapur, Thailand, die Philippinen, Brunei, Vietnam, Laos, Myanmar und Kambodscha an. China hatte bereits im April 2009 angekündigt, den ASEAN-Ländern in den nächsten Jahren Kredit von 15 Mrd. $ einzuräumen. China beabsichtigt ferner, einen Investitions-Fonds in Höhe von 10 Mrd. $ für die Kooperation mit der ASEAN aufzulegen.
Der Premier des chinesischen Staatsrates, Wen Jiabao, bemühte sich auf dem 4. Ostasiatischen Gipfeltreffen auch Japan in das Boot zu holen. Dabei konnte er an das Konzept der „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“ (daitōa kyōeiken) anknüpfen. Nach diesem Plan von Militär und Regierung des Japanischen Kaiserreichs sollte damals unter Führung der Japaner ein eigenständiger „Block asiatischer Nationen, frei von westlichen Einflüssen“, entstehen. Während sich der neue Premier Japans, Yokio Hatoyama, den verwandten Vorstellungen Chinas annähert und den USA nur der Form halber „möglicherweise“ einen Beitritt offenhalten will, drängt vor allem Australien auf eine unbedingte Mitgliedschaft der USA – mit welchem Erfolg wird sich zeigen. Russland und Indien haben über die Shanghai Cooperation Organisation bereits Anschluss an die wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Eigenständigkeitsbemühungen des Großraumes gewonnen. Außerdem erklärte der russische Botschafter in China, Sergej Rasow am 21.12. in Peking, „die Kontakte zwischen der russischen und der chinesischen Führung würden im kommenden Jahr noch intensiver als in diesem Jahr.“ Es finden gegenseitige Staatsbesuche auf höchster Ebene statt und das Jahr 2010 wird das „Jahr der chinesischen Sprache in Russland“ sein.
Bei den Auseinandersetzungen um die Gestaltung des ostasiatischen Raumes werden viele Bevölkerungen, – wenn nicht auch ihre Regierungen -, abgesehen vom Finanzgebaren, das Vorgehen der USA und ihrer Vasallen in Afghanistan sicherlich mit bedenken. In diesem Zusammenhang ist sogar der Klimagipfel in Kopenhagen interessant, zeigte er doch, dass die Regierungen vieler Länder dem Westen die Mythen nicht mehr abkaufen und immer größere Vorbehalte gegen westliche politische Vorstellungen entwickeln.
Während sich China besonders im ostasiatischen Theater engagierte, erledigt Russland das in der Islamischen Welt. Außenminister Sergej Lawrow unterzeichnete am 21.12. mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, ein Memorandum über die Gründung eines Russisch-Arabischen Forums für Zusammenarbeit in Kairo. Mit diesem Dokument „soll das Zusammenwirken zwischen Russland und den Mitgliedsländern der Liga auf ein neues und progressiveres Niveau gehoben werden.“ Zuvor hatte Amr Moussa Moskaus Haltung zu den wichtigsten Nahost-Problemen gewürdigt. „Russland ist sich dessen bewusst, dass die andauernde Besatzung eine große Gefahr darstellt und dass die Palästinenser ihren eigenen Staat verdienen, sowie dass der Bau der israelischen Siedlungen unzulässig ist“, sagte er in einem Interview für die neue arabisch-sprachige Version der Zeitung „Moscow News“. Die 1945 gegründete Arabische Liga vereint 21 Länder. 2005 hatte Russland als erster ausländischer Staat seinen Bevollmächtigten bei der Liga akkreditieren lassen. „Russland will auch weiterhin den konstruktiven Dialog mit der islamischen Welt ausbauen“ lautete die Botschaft des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew an die Teilnehmer des fünften Forums für Strategie, „Russland – islamische Welt“, in Moskau. „Die Idee einer Partnerschaft zwischen den Zivilisationen werde gegenwärtig besonders aktuell. Dieser Kontakt solle helfen, die Situation in der Welt zu gesunden und zu stabilisieren, sowie die richtigen Antworten auf die neuen Herausforderungen und Gefahren zu finden.“
Clash oder Partnerschaft der Zivilisationen, diese Entscheidung wird im kommenden Jahr anstehen. Sie entscheidet wie die Wirtschaftspolitik über Wohlstand und Elend, Krieg und Frieden, Freiheit oder induziertes Irresein der breiten Masse. Wir haben die Wahl (allerdings nicht als irgendwelche Kreuzchen auf irgendwelchen Stimmzetteln)!
Helmut Böttiger