Eine Welt oder nur Weltstrategie
3. März 2012 von admin
„Wie viele Milliarden dürfen es denn sein?“ Bis zum 29.2. durften die Banken Gebote für den zweiten Drei-Jahres-Tender der EZB abgeben. Am 1.3. erfolgt dann die Zuteilung. Nun schauen alle Wertpapierschacherer gebannt darauf, wie viel sich die Banken bei der EZB leihen. Rund 800 Banken fragten bei der EZB insgesamt 529,5 Milliarden Euro nach. Das war mehr als erwartet. Noch im Januar ging man von nur 263 Milliarden Euro aus. Zusammen mit dem ersten Drei-Jahres-Tender beträgt das Gesamtvolumen der „Dicken Bertha“ ganze 1018,5 Milliarden Euro. Eine gute Billion € haben Europas Banken von der EZB für drei Jahre zum Rekordtiefzins von 1% erhalten.
Doch was geschieht mit all dem neuen Geld? Nach den jüngsten EZB-Daten haben vor allem Banken in Italien und die EZB ihre Bestände an Staatsanleihen im Januar 2012 deutlich aufgestockt; die italienischen Banken haben im Januar Staatsanleihen für netto gut 20 Milliarden Euro aufgenommen. In Spanien haben die Banken für gut 23 Milliarden Euro Staatsanleihen erworben. Die 15. „Rettung“ Griechenlands, d.h. der Spekulanten in Griechische Staatsanleihen und deren Rettung durch „die Europäer“ machte es nötig, neues Geld zu drucken, der Tender liefert es.
Seit 1827 hat Griechenland bereits 6 Mal den Staatsbankrott erklärt und diesen überlebt. Warum nicht auch dieses Mal? Nun, weil die Spekulanten ihr Geld bekommen sollen! Und was werden Spekulanten mit dem Geld anderes tun als spekulieren? Allein im November 2011 verloren 126.000 Griechen ihren Job. Nun sollen als Sparmaßnahme weitere 15.000 Staatsbedienstete entlassen und der Minimallohn um weitere 22% gesenkt werden. Jeder 5. Grieche ist arbeitslose und 40% der Arbeitslosen sind junge Leute. Was heißt da „Rettung“? Doch ist Ihnen an der Preisentwicklung der letzten Zeit nichts aufgefallen? Preissteigerungen dank der Geldvermehrung auf der ganzen Linie bei Lebensmitteln, Sprit und Gebühren, aber vor allem bei Wertpapieren. Bei Lebensmitteln und Sprit fließt das Geld über die Kassen der 5 Schwestern und die Banken vor Ort an die Hochfinanz, bei den Gebühren fließt es über die Staatskassen. Mit der „Rettung“ greift die Hochfinanz selbst in die Staatkasse. 496 Bundestags-Abgeordneten haben ihr das gegen 90 Nein-Stimmen bei 5 Enthaltungen „im Namen des Deutschen Volkes“ und angeblich im Interesse der Einheit Europas – tatsächlich aber (was gleich klärt werden soll) für das Gegenteil erlaubt. Die gestiegenen Wertpapierpreise zeigen, was die Geldbesitzer mit den sonstigen Erlösen tun.
Bei aller Europaeuphorie über die „Rettungsaktion“ bleibt Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, in seinem FAZ Artikel skeptisch. ‚Die EZB-Maßnahmen sollten nicht als „nachhaltige Hilfe“ angesehen werden, meint er. Im Gegenteil, es gehe um Hilfe für einen schwerkranken Patienten. Dabei verlange der Patient fortwährend nach mehr Hilfen, sowohl mit Blick auf die Dosis als auch die Zahl der Liquiditätsspritzen. Es sei also wahrlich kein Wunder, wenn dadurch die Krankheit nicht geheilt werde.‘ Soll sie es denn? „Preissteigerungen um 15% bei Strom und Gas in den vergangenen 2 Jahren haben Energie für viele Haushalte zur unbezahlbaren Ware werden lassen“ sagte Klaus Müller von der Verbraucherzentrale NRW am 21.2 und schätzt, dass mindestens 600.000 Haushalten der Strom abgeschaltet wurde, weil sie die Rechnung nicht bezahlen konnten. In der Presse lesen Sie Vorteilhaftes über die deutsche Wirtschaft, vor allem über niedrige Arbeitslosenzahlen hohe Auslastungen der Industrie. Kann man es glauben? Die Verarmung schreitet voran – „und das ist gut so!“ denken Ihre Volkszertreter mehr oder weniger bewusst.
Um welche Krankheit handelt es sich? Die Krankheit heißt „Schulden“. In den Schulden akkumulieren sich aufgrund des politisch gewählten Geld- und Finanzsystems die Geldgewinne der Vergangenheit. Wurden diese nicht werteschaffend eingesetzt, sondern in leere spekulative Renditeversprechen, dann ist das Geld mit dem Wert der Papiere einfach weg. Was bleibt sind die Schulden. Und Schulden fressen das noch mögliche Einkommen auf. Hat jemand Schulden in Höhe seines Jahreseinkommens, dann sind bei 5% Zinsen 5% seines Einkommens/Gewinns weg, bevor er es bekommen hat. Staaten haben durchschnittlich Schulden von rund dem Doppelten ihres Brutto Inland Produkts (BIP), damit wären 10% ihrer Erträge einfach weg. Ein durchschnittliches Industrieland hat etwa 100% seines BIP an Staatsschulden und weitere 200% an Privatschulden. Einige Staaten wie England oder die Niederländer bringen es auf Schulden von bis zu 500% ihres BIP. Arme Staaten haben weniger Schulden, weil ihnen niemand etwas leihen will. Das ist der Grund, weshalb sich zurzeit Wachstum, wenn überhaupt, so in armen Staaten abspielt. Wächst die Realwirtschaft schneller als die Schuldenlast, dann wird diese allmählich leichter. In den USA wachsen aber die Schulden 2 bis 3 Mal schneller als das BIP. So etwas kann nicht gut ausgehen. Das weiß man auch dort.
„Rettungen“ wie im Fall Griechenland beseitigen keine Schulden, sondern verlagern sie. Die Spekulanten erhalten das Geld für weitere Un-Taten. Dafür sammeln sich die Schulden bei den „Rettern“. Schon munkelt man von einem „Euro-Soli“. Die Verantwortungslosen in Berlin schaffen an, der kleine Mann bezahlt. Er will ja retten.
In den USA will man sich nun wohl an die Umkehr des Verschuldungstrends machen. Ein Aspekt könnte dabei zum Wohl der Welt der teilweise Rückzug aus Irak und Afghanistan und ein Zaudern beim Irankrieg sein. Denn dieser würde, wie selbst Kriegstreiber Brzezinski warnte, verheerende Folgen für die USA haben. Ein anderer Aspekt ist die von Obama beabsichtigte Nichtfortsetzung der Steuerbegünstigungen für Reiche unter Bush, die bis 2012 befristet ist, dazu plant er eine moderate Anhebungen der Spitzensteuersätze für Spitzeneinkommen und eine Anhebung der Steuern auf langfristige Kapitalerträge um 5 %.
Die USA unter Obama wollen wohl beginnen, ihren Reichtum in einer neuen industriellen Renaissance wieder selbst herzustellen. Dazu will sie möglicherweise ihr militärisches Engagement absenken und weniger in den Lauf des Weltgeschehens eingreifen. Nachdem in den USA in großen Mengen Gas und Ölvorräte entdeckt und abbaubar gemacht worden sind, scheint ihnen diese Möglichkeit vorzuschweben. Sie werden von Energieimporten unabhängig und selbst zum Energieexporteur Business Spectator, 29. 2. 2012. Allerdings muss für den Wiedereinstige in reale Produktion der Absatz der Konkurrenz zurückgedämmt werden. Die Euro-Rettung ergänzt das wahre Ziel von Klimaschutz und Energiewende, die „Verarmung Europas“.
Nach dem Ende der Sowjetunion hatte Europa endgültig aufgehört, eine dominante Rolle in der Welt zu spielen. Mit dem ersten Weltkrieg hatten sich die USA zur Weltmacht aufgeschwungen. Am Ende des zweiten Weltkriegs hatten sie ihre Politik ganz auf die Konfrontation („Eindämmung“) mit der Sowjetunion ausgerichtet. Mit dem Ende der Sowjetunion verloren sie ihren Feind aber vor allem den Inhalt ihrer Politik. Zunächst schien es so, als wollte man sich nach abgeworfener Kriegslast optimistisch an den Ausbau der Wirtschaft machen. Doch dann entschied man sich, zunächst dafür zu sorgen, dass sich in Eurasien keine Macht bilden könne, welche die USA machtpolitisch herausfordern könnte (Brzezinski Plan). Statt die Rüstungsetats abzubauen wurden sie ständig und drastisch erhöht. Mit der Politik der „Neuen Seidenstraße“ sollte ein „Cordon Sanitär“ unterhalb Russlands auf dem 48. Breitengrad gezogen, in den islamischen Gebieten Russlands Unruhe geschürt und China gegen Russland ausgespielt werden. Die Besetzung Afghanistan sollte diesem Zweck dienen. Öl-Klau oder Pipeline waren nur ein Vorwand, der alte Neidhammel immer sofort überzeugt. Das Ergebnis wären nur ein Beiprodukt zur Abdeckung der Kriegsunkosten. 9/11 war die für die USA übliche Art den Überfall zu rechtfertigen – woran aufgrund der zu Tage getretenen Fakten keiner, der seinen Kopf noch etwas beisammen hat, zweifeln kann.
Der Afghanistankrieg stellte sich aber als Fehlschlag heraus. Zwar konnte man damit mitten im „Herzland“ Eurasiens große Truppenkontingente stationieren, doch führte er dazu, dass China und Russland die Absichten „des Westens“ durchschauten und – im Gegensatz zu den US-Plänen – von der Schanghai Kooperation Gruppe unterstützt – enger zusammenrückten. Der „Krieg gegen den Terrorismus“ entzündete wie beabsichtigt an der Südflanke Russlands Unruhen und sorgte zugleich dafür, Shiiten und Sunniten gegen einander aufzuhetzen und den saudi-finanzierten Terrorismus in den angezettelten Religionskriegen selbst gegen die gemäßigten Kräfte in der islamische Welt (wie in Irak, Lybien, Syrien etc) einzusetzen. Gleichzeitig bilden die innen- und wirtschaftspolitischen Schwächen in Russland und China Ansätze für die bald dort in Gang zubringende „bunte Revolution“. Regime Change steht an, weil die vorhandene anders als naive oder bezahlte Demokraten die Weltmachtpolitik durchschaut.
Das erlaubte es den USA, sich ab 2007 teilweise wieder aus der Region zurückzuziehen und die Kontrolle im Nahen Osten den verbündeten reaktionären Regimen zu überlassen. Dabei störte die relative militärische Stärke des shiitischen Iran (doch nicht dessen angeblichen Atombömbchen, die es wohl gar nicht gibt), dem bei aller Hochrüstung die US-verbündeten feudalistischen Scheichs nicht gewachsen wären.
Die Spekulationskrise von 2008 verschärfte die wirtschaftliche Situation auch in den USA und rief stärker nach einem „reset“ ihrer zu aufwendigen Machtpolitik. Aus diesem Grund wurde der geplante Feldzug gegen den Iran trotz Drängen Israels vorerst auf Eis gelegt. Statt seiner bisherigen Polizeistaats-Politik scheint Obama zu versuchen, die Interventionen der USA zu begrenzen und die angeleierten Zustände sich einfach erst einmal entwickeln zu lassen. Dies gilt auch für die finanzielle Situation in Europa, aus der sich Amerika im Unterschied zu sonst, erstaunlich heraushält, jedenfalls solange die politische Klasse in Europa so unterwürfig reagiert, wie sie das noch tut. Natürlich wäre Deutschland in dieser Situation mit einem engeren Anschluss an das rohstoffreiche Russland gedient. Stattdessen schüren die politische Klasse und ihre Medien feindliche Gefühle gegen Putin, der die machtpolitischen Absichten des Westens und die gegen das Russland angezettelte „orangene Revolution“ durchschaut. Man scheut nicht einmal davor zurück, hierzulande alte antikommunistische Ängste wieder aufleben zulassen, denen eine „Linke“ nur den Vorwand liefert. Belegt wird die Absicht von den Plänen zur Errichtung eines Raketenschutzschildes, das sich eindeutig nur gegen Russland richten kann und den Verdacht einer Angriffsvorbereitung wecken muss.
Den partiellen Rückzug aus der Interventionspolitik können sich die USA leisten, ohne ihre Position als Welthegemon zu riskieren. Dessen Hauptaufgabe wäre etwas wie die ehemals britische Politik der Ballance of Power, die davon ausgeht, dass sich die regionalen Mächte gegenseitig in Schach halten und der Hegemon nur eingreift, wenn es zu einer Machtverschiebung kommen sollte. Da eine solche von China, Europa oder Russland vorerst nicht droht, und die Nahost Staaten sich und ihre Bevölkerungen gegenseitig aufzureiben beginnen, macht der Rückzug aus der Interventionspolitik durchaus Sinn. Dass dies dem mächtigen „Militärisch-Industriellen Komplex“ der USA nicht passen sollte, ist ein Gerücht dummer Analysten die der realen Entwicklung wie stehts hinterher hinken. Sie träumen in einer längst vergangener Zeit, als man Geld durch Gütererzeugung und Verkauf verdienen zu müssen glaubte und sich das benötigte Geld noch nicht von der Hochfinanz bequem drucken ließ. Gegenwärtig ist das Hauptinteresse der USA, ihren Wohlstand weiter auszubauen, um für die Welt und vor allem für potentielle Rebellen nicht nur im Nahen Osten, sondern vor allem in Russland und China akzeptabler zu werden, als sie es im Moment wegen ihrer unsäglichen Interventionen der letzten Jahre sind.
Diesem Interesse an erneuter Wohlstandproduktion steht der Wohlstand und die Produktivkraft in Europa, speziell in Deutschland, im Weg. Dies war der Grund dafür, dass Goldman Sachs mit Griechenland die Euro-Krise auslöste, und dafür, dass diese Krise – wie geschehen – eskalieren konnte. Aus dem gleichen Grund stimmen die regierenden angeblichen Super-Europäer für die hirnrissigen Rettungspakete, die nichts retten außer die Forderungen der in der Hochfinanz vereinigten Großbanken. Die angebliche Rettung Europas ist seine Opferung auf dem Altar der Finanzmärkte und birgt die Gefahr, dass über der wachsenden Not in Europa dieses halbseidene Gebilde bald auseinander fliegen wird. Ob es dabei erneut zu europäischen Bürgerkriegen kommt, ist noch nicht zu erkennen aber durchaus möglich und vielleicht geplant.
2 Reaktionen zu “Eine Welt oder nur Weltstrategie”
EZB schießt sich ins Knie…
Aua! Der Schuss ging wohl nach hinten los. Da hat die EZB geflutet und geflutet, weil sie dachte, mit viel Geld wird die kränkelnde Wirtschaft auf die Beine kommen und was ist passiert? Der Großteil des vielen neuen Geldes verlässt die …
Vielen Dank Herr Dr.Böttiger für die offenen Worte.
Ich bin mir sicher ,daß der ESM das Ende unseres Wohlstandes ist.Deshalb werden seine „Gouverneure“ auch mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet.Den Rest erledigen unsere Bürokratten dann routinemäßig: Jeder wird zum Schuldner ,der Staat zieht die Vermögen ein.Ende.
Da bisher kein nennenswerter Widerstand zu beobachten ist ,dürfte alles glatt gehen.Oben tanzen sie noch bei DSDS und ähnlichem Blödsinn unten ist das Schiff schon angebohrt.
Die Einstellung unserer Volkszertreter zeigt sich gut an einem Elaborat des MdB Dr.Erwin Lotter FDB.Das Papier dürfte aus der Parteizentrale stammen,vermutlich versteht der MdB es gar nicht.
Wir haben zur Promotion vom rektor mit auf den weg bekommen. Das Studium dient in erster Linie selbständig denken zu lernen.
Da müssen noch viele Titel aberkannt werden.
TexT Dr.E.Lotter:
Sehr geehrter Herr ,
vielen Dank für Ihre Zuschrift an „abgeordneten-check.de“, zu der ich wie folgt Stellung nehmen möchte.
Der Fiskal-Vertrag und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) bilden zwei Seiten einer Medaille ab. Beide Verträge zusammen sollen sowohl kurzfristig als auch langfristig zu finanzpolitischer Stabilität in der Eurozone führen. Der ESM dient dabei zur kurzfristigen Stabilisierung von in Not geratenen Staaten zur Bewahrung der Stabilität in der Eurozone insgesamt und der Fiskal-Vertrag soll gewährleisten, dass es in Zukunft nur noch tragfähige Staatshaushalte in der Eurozone und damit letztlich keine Notfälle für den ESM mehr geben wird.
Den Abschluss des Fiskal-Vertrages wertet die FDP-Bundestagsfraktion als Meilenstein auf dem Weg zur Stabilitätsunion. Die Übernahme der Schuldenbremse nach deutschem Vorbild durch die anderen Euro-Staaten ist entscheidend für die Stabilisierung unserer Gemeinschaftswährung. Die FDP war 1997 die erste Partei, die sich für die Einführung einer Schuldenbremse in Deutschland eingesetzt hat. Heute gilt die Schuldenbremse in ganz Europa als unverzichtbar.
Zukünftig dürfen die Euro-Staaten neue Schulden maximal in Höhe von 0,5 Prozent ihrer Wirtschaftskraft aufnehmen. Verstöße dagegen sollen fortan automatisch sanktioniert werden. Die Einführung strenger und effektiver Defizitvorgaben in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Eurozone sowie acht weiterer EU-Staaten wird durch ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof gewährleistet. Auch dem Schuldenstandskriterium von 60 Prozent wird wieder zur Geltung verholfen, indem ein konkreter Fahrplan zu dessen Einhaltung vereinbart wurde.
Insgesamt hat die christlich-liberale Koalition mit ihrer Initiative zu diesem Vertragswerk die Schwächen des Vertrages von Maastricht behoben! Nachdem der alte Stabilitäts- und Wachstumspakt durch die rot-grüne Bundesregierung 2004 aufgrund eigener Disziplinlosigkeit seiner Wirkung vollkommen beraubt wurde, stehen wir nun vor einer völlig neuen Stabilitätsarchitektur in Europa.
Für die FDP-Bundestagsfraktion ist das ein wichtiges Signal auf dem Weg hin zu einer soliden Haushaltsführung in den EU-Mitgliedsstaaten. Nur so können die tatsächlichen Ursachen der Staatsschuldenkrise wirksam bekämpft werden. Mit der flächendeckenden Einrichtung nationaler Schuldenbremsen in allen Mitgliedstaaten der Eurozone wird das Problem an der Wurzel gelöst und die Weiche zu dauerhaft tragfähigen Staatshaushalten gestellt.
Mit dem ESM werden wir darüber hinaus ein deutliches Signal für Stabilität, Solidität und Kontinuität innerhalb Europas setzen. Er gewährleistet, dass die temporäre Schwäche einzelner Staaten sich nicht zu einem Flächenbrand in der gesamten Eurozone ausweiten kann. Auch der ESM fußt auf dem Grundsatz, dass Solidarität nur bei entsprechender fiskalpolitischer Solidität gewährt werden kann. Leistungen des ESM dürfen daher auch nur von Staaten beansprucht werden, die die Vorgaben des Fiskal-Vertrages umsetzen.
Lassen Sie mich auf einzelne, immer wieder auftauchende, Fragestellungen im Folgenden mit der Darstellung einiger wichtiger Fakten zum ESM eingehen:
Der ESM soll über 80 Mrd. Euro eingezahltes Kapital verfügen und über 620 Mrd. Euro abrufbares Kapital, welches haushaltsrechtlich in Form von Garantien bereitgestellt wird. Der ESM wird daher nicht, wie teilweise behauptet, über 700 Mrd. Euro Grundkapital verfügen. Der Begriff Grundkapital suggeriert, dass die Beträge absolut gezahlt werden müssten. Das konsolidierte Ausleihvolumen von EFSF und ESM soll maximal 500 Mrd. Euro betragen.
Über Veränderungen des genehmigten Stammkapitals und eine etwaige Anpassung des maximalen Darlehensvolumens des ESM entscheidet der Gouverneursrat. Dies ist kein unabhängiges Gremium, welches autonome Entscheidungen über europäische Steuergelder treffen kann. Der Gouverneursrat besteht aus den Finanzministern des Euro-Währungsgebiets, die gewählte Regierungen der Eurostaaten repräsentieren. Alle wesentlichen Entscheidungen, einschließlich der Gewährung von Finanzhilfen oder Änderungen am gezeichneten Kapital, werden grundsätzlich einstimmig durch die Finanzminister des Euro-Währungsgebiets getroffen – Deutschland hat jederzeit ein Vetorecht.
Dem Deutschen Bundestag soll dieses Vetorecht faktisch übertragen werden, indem wir dem Abstimmungsverhalten des deutschen Vertreters im Gouverneursrat einen Parlamentsvorbehalt vorschalten, wie wir es bereits bei der Europäischen Finanzstabilisierungsfazillität (EFSF) auf Druck der FDP getan haben. Auf diese Weise muss sich der deutsche Vertreter im Gouverneursrat des ESM zunächst die Zustimmung des Bundestages einholen, bevor er einer etwaigen Ausweitung zustimmen kann. Sollte der Bundestag diese Zustimmung verweigern, muss der deutsche Vertreter mit Nein stimmen und kann damit eine Ausweitung von Hilfen im Rahmen des ESM effektiv verhindern.
In Art. 8 Abs. 5 ESM-Vertag ist klar geregelt, dass die Haftung eines Mitgliedstaates unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital beschränkt bleibt.
Die FDP im Deutschen Bundestag wird verhindern, dass der ESM – wie von der Opposition gefordert – eine Banklizenz erhält. Somit ist eine weitere Begrenzung der Mittel sichergestellt.
Da die Gewährung von Hilfen über den ESM an die strikte Einhaltung des Fiskalpaktes gekoppelt ist, dürfte sich rein faktisch die Inanspruchnahme des Stammkapitals in Grenzen halten. Auch hier gilt: Ohne Solidität keine Solidarität!
Im Artikel 9 Absatz 3 des ESM-Vertrags heißt es: „Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, Kapital, das der Geschäftsführende Direktor gemäß diesem Absatz von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.“
Dieser Passus bezieht sich auf bereits genehmigtes Kapital, welches bereits durch die nationalen Parlamente bzw. Regierungen zugesagt wurde. Hierdurch soll die Handlungsfähigkeit des ESM gewährleistet und einer etwaig aufkommenden schlechten Zahlungsmoral der Mitgliedstaaten vorgebeugt werden.
Die Verzahnung zwischen ESM-Vertrag und Fiskalvertrag in den Erwägungsgründen beider völkerrechtlicher Verträge gewährleistet in sachgerechter Weise die deutschen Interessen. Zusätzlich zu den strikten Auflagen, an die die Gewährung von Finanzhilfen nach dem ESM-Vertrag in Übereinstimmung mit dem neuen Art. 136 Abs. 3 AEUV geknüpft wird, ist es damit gelungen, eine präzise geregelte Verknüpfung mit den auf Prävention abzielenden Regelungen im Fiskalpakt zu vereinbaren.
Der Fiskalpakt bedarf – ebenso wie der ESM-Vertrag – der Ratifizierung durch nationale Parlamente. Das Verfahren für die Ratifizierung des Fiskalpakts ist in einigen Mitgliedstaaten komplexer als für den ESM-Vertrag, da z.T. Verfassungsänderungen erforderlich sind. Es ist deshalb durchaus sachgerecht, das die Ratifizierungsfristen für beide Verträge unterschiedlich lang ausgestaltet sind. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Regierungen der Eurozonen-Mitgliedstaaten hin¬sichtlich der Ratifizierung des Fiskalvertrags untätig bleiben könnten: mit der Zeichnung des ESM-Vertrags und der Einigung über den Fiskalvertrag haben sich die Regierungen politisch darauf verpflichtet, alles in ihrer Macht stehende für eine rechtzeitige Ratifizierung des Ver¬trags zu tun. Die Fortschritte hierbei werden selbstverständlich sorgfältig beobachtet werden und in das Gesamtbild bei der Entscheidung über etwaige Anträge auf Gewährung von Finanzhilfen einfließen.
Entscheidend bei der Bewertung der Verbindlichkeit des Bedingungszusammenhangs ist außerdem, dass Finanzhilfen des ESM nicht ohne Zustimmung Deutschlands gegeben werden und die Einhaltung des vereinbarten Bedingungszusammenhangs deshalb durchgesetzt werden kann.
Das effektive Kreditvergabevolumen des ESM wird maßgeblich durch seine Kapitalstruktur vorbestimmt, die in Art. 8 des ESM-Vertrags näher geregelt ist. Während die Kapitalstruktur im Vertragstext rechtlich bindend festgelegt werden kann und sogar muss, da sie die Grund¬lage für die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Bereitstellung von Kapital darstellt, lässt sich das effektive Kreditvergabevolumen rechtlich nur als Maximalbetrag (Obergrenze) und nicht als Mindestbetrag festschreiben. Denn der ESM verwendet sein Kapital als Absicherung, um am Markt die erforderlichen Mittel für ein Ausleihvolumen von 500 Mrd. Euro aufzunehmen. Das exakte effektive Ausleihvolumen hängt damit auch von Markt¬entwicklungen ab.
Die Festlegung einer Obergrenze für das Ausleihvolumen ist dagegen rechtlich möglich und in Art. 39 auch erfolgt (Obergrenze von 500 Mrd. Euro für das konsolidierte Ausleihvolumen von EFSF und ESM). Diese konsolidierte Obergrenze wird im März und damit vor Beginn des nationalen Ratifizierungsverfahrens in Deutschland überprüft werden.
Das in Art. 4 geregelte Eilverfahren ermöglicht in Ausnahmefällen eine Beschlussfassung über die Gewährung von Finanzhilfe mit einer super-qualifizierten Mehrheit von 85 %. Vor¬aussetzung ist, dass die Europäische Kommission und die EZB beide zu dem Schluss gelangen, dass die Unterlassung der dringlichen Annahme eines Beschlusses zur Gewährung oder Durchführung von Finanzhilfe in aller Eile gemäß der Regelung in den Artikeln 13 bis 18 die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität des Euro-Währungsgebiets bedrohen würde.
Der wesentliche Gehalt des Eilverfahrens besteht darin, dass bei besonders dringlichen, ein¬stimmig zu treffenden Entscheidungen mögliche Verfahrensverzögerungen in einzelnen kleineren oder mittleren Mitgliedstaaten keine Blockade auslösen.
Der Notfallreservefonds, der im Zusammenhang mit der Gewährung von Finanzhilfen im Eilverfahren gebildet wird, hat dabei die Funktion, einen zweckbestimmten Puffer zur Abdeckung der Risiken zu bilden, die sich aus der im Dringlichkeitsverfahren gewährten Finanzhilfe ergeben. D.h. die Mittel im Notfallreservefonds werden nicht an ein ESM-Mit¬glied ausgezahlt, sondern sie dienen zur Absicherung der Finanzierungsgeschäfte des ESM für die betreffenden Finanzhilfen. Auch für Beschlüsse im Eilverfahren gilt, dass der ESM zur Erfüllung seiner Aufgaben an den Kapitalmärkten bei Banken, Finanzinstituten oder sonstigen Personen und Institutionen Kapital aufnehmen kann (Art. 21). Die Bildung des Notfall¬reservefonds führt damit auch bei einer Speisung aus dem eingezahlten Kapital nicht zur Auslösung eines Kapitalabrufs nach Art. 9 Abs. 2, da die Bildung des Notfallreservesfonds keinen Ausgleich von Verlusten, sondern eine Art spezielle Rückstellung für Verluste dar¬stellt.
Bei den Immunitätsregelungen für den ESM handelt es sich um bei internationalen Finanzinstitutionen übliche Regelungen. Die Tätigkeit des ESM beinhaltet, so z.B. bei der Privatsektorbeteiligung, äußerst komplexe rechtliche Vorgänge, welche regelmäßig mit Risiken behaftet sind. In der Regel handelt es sich um Immunitäten im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Organisation. Handlungen der Bediensteten sind folglich nur dann geschützt, wenn sie offizieller Natur sind. Allerdings sind für die Spitze der Organisationen, also z. B. den Präsidenten, teilweise weitergehende Immunitäten vorgesehen. Diese Immunitäten entsprechen den Immunitäten, die den Diplomaten im zwischenstaatlichen Verkehr zukommen. Der Gouverneursrat des ESM, in dem die Finanzminister der Mitgliedstaaten der Eurozone vertreten sind, bzw. der Geschäftsführende Direktor können die Immunität der Amtsträger und Bediensteten bei Bedarf aufheben. Vergleichbare Regelungen gelten u.a. für den IWF, die Weltbank sowie regionale Entwicklungsbanken wie z.B. die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB).
Artikel 36 des ESM-Vertrags sieht u.a. die Befreiung des ESM von allen direkten Steuern sowie in bestimmten Fällen von indirekten Steuern vor. Zudem sind die Bediensteten von der nationalen Einkommensteuer befreit, aber unterliegen im Gegenzug einer internen Besteuerung durch den ESM, die durch den Gouverneursrat ausgestaltet und beschlossen wird. Dem Gouverneursrat gehört auch der Bundesfinanzminister an, der in dieser Frage für Deutschland über eine Sperrminorität verfügt. Bei den Steuerbefreiungen handelt es sich um bei völkerrechtlichen und europäischen Einrichtungen übliche Regelungen. Für EU-Einrichtungen und deren Bedienstete sind vergleichbare Regelungen im Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union festgelegt. Der Sinn solcher steuerlichen Regelungen besteht zum einen darin, zu vermeiden, dass dem steuerberechtigten Staat ein Druckmittel gegen die Organisation und deren Bedienstete in die Hand gegeben wird. Zum anderen hat die Befreiung der Bediensteten von den nationalen Steuern das Ziel, eine unterschiedliche Besteuerung der Gehälter zu vermeiden.
Artikel 29 des ESM-Vertrags soll gewährleisten, dass eine externe Finanzkontrolle des ESM umgesetzt wird. Der Gouverneursrat ist für die Bestellung der externen Prüfer verantwortlich und wird Einzelheiten der externen Kontrolle festlegen. Die Mitglieder des Gouverneursrat werden dafür Sorge tragen – allen voran der deutsche Gouverneur –, dass die externe Prüfung so unabhängig und strikt wie möglich und voll und ganz im Einklang mit der für uns so wichtigen finanzpolitischen Stabilitätskultur ausgestaltet sein wird.
Nach Art. 12 Abs. 3 müssen ab 1. Januar 2013 in allen neuen Schuldentiteln des Euro-Währungsgebietes mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr Umschuldungsklauseln (CAC´s) aufgenommen werden. Dadurch wird gewährleistet, dass eine etwaige Gläubigerbeteiligung, die nach den üblichen Regeln des IWF weiterhin möglich sein wird, effektiv durchgeführt werden kann.Mit unserem Ansatz der vernetzten Stabilität in der Eurozone tragen wir den durch zu hohe Staatsverschuldung entstandenen Problemen in angemessener Weise Rechnung. Anders als die SPD gehen wir die Probleme nicht durch eine Vergemeinschaftung aller Schulden, also durch Einführung von Eurobonds, sondern durch die Beseitigung der Verschuldungsursachen, und damit langfristig erfolgreich, an.
Aus den genannten Gründen bin ich nicht der Auffassung, dass der ESM zu einer unüberschaubaren Belastung für die Zukunft – insbesondere unsere Kinder – führt, und werde dem ESM bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag meine Zustimmung nicht verweigern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Erwin Lotter MdB
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