Für eine politische Ökonomie der Verschwendung
1. Juni 2013 von admin
Europa befindet sich in einer ähnlichen Situation wie Japan, dem die USA vor über zwanzig Jahren die expansive Geldpolitik zur Stabilisierung des Dollars zuerst aufgenötigt hat. Nun steht auf diese Weise auch der EU ein „verlorenes Jahrzehnt“, sprich Stagnation, bevor. Das Durchwursteln der europäischen Politiker, die „Zombifizierung” der Europäer (Abschöpfen von Staatsknete ohne eigene Leistungsbereitschaft) müsste beendet werden, sie gefährden schlussendlich die Stabilität der Region, meinte Andrew Bosomworth von Pimco am 28.5 vor Medien-Propagandisten in Frankfurt. Pimco ist eine Investment-Gesellschaft in verzinsliche Wertpapiere und mit ca. 1.000 Mrd. $ Anlagevermögen eines der größten Unternehmen in diesem Segment. Aktuell würden weitere Umschuldungs-Maßnahmen, sprich „Bankenrettungsaktionen”, drohen.
Die expansive Geldpolitik der EU/EZB hat einen blasenartigen Anstieg der Preise von Finanzanlagen bewirkt. So sind die Preise von Aktien und Anleihen seit 2008 um etwa 8 % jährlich gestiegen und damit doppelt so stark wie weltweit das nominale (in Geld bewertete) Bruttoinlandsprodukt (BIP), vom europäischen – mit einem jährlichen Wachstum des BIP von angeblich plus einem bis minus einem Prozent – ganz zu schweigen. Die von der Politik verbauten Wachstumsaussichten Europas veranlassen internationale professionelle Anleger Staatsanleihen zu meiden und Investitionen außerhalb der Eurozone zu bevorzugen, rechtfertigte Andrew Balls, Leiter des europäischen Portfolio Managements von Pimco, das Anlageverhalten der Firma am 15. 5.
Wenn schon Pimco so etwas sagt, darf das auch ein EU-Kommissar. So tönte Oettinger (laut Bildzeitung) vor der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer. „Europa ist ein Sanierungsfall. … Mir macht Sorge, dass derzeit zu viele in Europa noch immer glauben, alles werde gut.“ Brüssel habe „die wahre schlechte Lage noch immer nicht genügend erkannt“. Statt die Wirtschafts- und Schuldenkrise zu bekämpfen, zelebriere Europa „Gutmenschentum“ und führe sich als „Erziehungsanstalt“ für den Rest der Welt auf. Deutschland stünde noch auf der Höhe seiner ökonomischen Leistungskraft. Stärker wird Deutschland aber nicht mehr.‘ Das habe auch damit zu tun, dass man in Berlin „mit Betreuungsgeld, Frauenquote, Mindestlohn und Nein zum Fracking die falsche Tagesordnung“ bearbeitet. Dadurch verspiele man „einen Teil dessen, was an Wettbewerbsfähigkeit und Agenda 2010 im Zuge der letzten Jahre erreicht worden ist“. Ist Oettinger nicht auch „Brüssel“? Hatte er vorher etwas gegen den Ausstieg aus der Kernenergie und gegen die Energiewende eingewendet? Nicht dass ich wüsste.
Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) sanken die deutschen Exporte von Waren und Gütern im März 2013 um 4,2% zum Vorjahresmonat. Und James Boxell schrieb in Fin. Times am 13.5. “Europas Industrie verliert gegenüber ihren Wettbewerbern in den USA rapide an Boden und zwar wegen der sprunghaft ansteigenden Energiepreise und dem Versagen des alten Kontinents im Bereich Kernenergie und Schiefergas. Energiekosten stellen neben der Eurokrise (Aufschuldung) für die Industrie das dringendste Problem dar.“ ‚Die politische Führung in Europa bringe Null Aufmerksamkeit auf, wenn es um Energiekosten gehe.‘ Letzteres ist wohl falsch. Richtig müsste es heißen. Die politische Führung in Europa bringe nur leeres Alarmgeschwätz auf, wenn es um Energiekosten geht. Im letzten Jahr beliefen sich die Gaspreise in den USA auf einem Viertel der europäischen und der Strom war dort 50% billiger als in Europa. Schuld daran sei weniger die Schiefergas-Revolution als vielmehr die europäische Klima- und Energie-Politik, der Handel mit Emissionsrechten und die Subventionen für angeblich erneuerbare Energiequellen, schrieb Chris Bryant in der Fin. Times am 27.5. Daher war es z.B. für BMW und die SGL Gruppe, die ein neues Werk für Kohlefaserprodukte bauen wollte, keine Frage, das Werk im Moses Lake im Staate Washington und nicht in Europa zu bauen. Die für die Herstellung erforderliche Energie würde in Deutschland das Sechsfache kosten. Die Produkte sind ausschließlich für Europa bestimmt.
Und selbst bei den Alternativen hapert es. Eine Überprüfung von 30.000 Solarinstallationen in Europa durch deutsche Firma Meteocontrol ergab laut Todd Woody von der New York Times vom 29.5. zu 80% ein ungenügend. “Es zeigt sich an den Ergebnissen von 2012 und den Vorausschätzungen für die kommenden Jahre, dass Europas führende Rolle auf dem Photovoltaik Markt an sein Ende kommt“, stellte selbst der Verband der Europäischen Photovoltaik Industrie laut Fin. Times vom 8.5. fest. Da hilft auch kein Handelskrieg gegen China wegen zu billiger Importe von PV-Modulen. Und von wegen CO2-Einsparungen! Die Emissionen stiegen (laut Eurostat) 2012 im Vergleich zu 2011 in England um 3.9% und selbst in Deutschland um 0,9%. Was soll also das ganze teure CO2-Theater?
Otto Normalverbraucher kann und seine Promi-Intelellen wollen nicht begreifen, was da gespielt wird. Der Grund der Verunsicherung liegt in der Annahme: Die da oben können doch nicht so blöde sein und die ungeheure Verschwendung durch die Energiewende übersehen. Es muss also ein Nutzen dran sein. Ähnliche Überlegung hatten zu Atomängsten geführt: Wenn die Fachleute schon einen solchen Affentanz um die Kernenergie aufführen, dann müssen die Rot-Grünen rechthaben und muss es geboten sein, daraus auszusteigen. Religiöse Weltuntergangs-Vorhersagen werden zwar belächelt – aber nur weil sie von den Promis nicht gestützt werden. Wenn plötzlich alle wie im Fall der Kernenergie einstimmen würden, dann könnte die Welt an der Weltuntergangs-Angst der Masse untergehen.
Die große Verschwendung der Energiewende und Klimapolitik macht nur für den Kleinen Mann und für Ideologen der Volkswirtschaftslehre keinen Sinn. Für die Herrschenden ist sie seit eh und je eine „Notwendigkeit“. Das will ich selbst auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, kurz erklären: Kaum ein Normal-Verstehender fragt sich, warum in der bisherigen Geschichte wirklich Herrschende nie auf die Idee kamen, das gesellschaftliche Mehrprodukt zur Anhebung des Lebensstandards der breiten Bevölkerung zu verwenden, sondern es immer in persönlichen Luxus, Protzbauten oder in Kriegen verschwendet haben. Das gilt wie für fast alle früheren Kulturen auch für die bürgerliche Gesellschaft.
Der Grund liegt nicht im individuellen Versagen der Herrschenden, in ihrer Selbstsucht oder Egomanie, wie viele behaupten. Er ist systembedingt. Das haben manche Forscher unter anderem Thorstein Veblen, der nur wegen und zum Missverstehen groß gemachte US-Ökonom in seinem Buch Theorie der Feinen Leute von 1899 angedeutet. Ihre Thesen wurden nicht wahrgenommen, weil sie die ideologische Grundlage der bürgerlichen Volkswirtschaft- und Markt-Theorie bestritten: Das Problem der Wirtschaft sei Knappheit. Das Gegenteil ist richtig.
Die menschliche Gesellschaft hat spätestens seit der Jungsteinzeit auf ihrem jeweiligen technologischen Niveau immer ein Mehrprodukt erwirtschaftet. Es begann mit der Erzeugung und Aufbewahrung von Saatgut für das nächste Jahr im Tempel, setzte sich fort in der Vorsorge für die legendären sieben mageren Jahre nach den sieben fetten in staatlichen Speichern. Das über das reine Überleben hinausreichende gesellschaftliche Mehrprodukt verschaffte der Gesellschaft Freiräume, in denen sie die Produktivität steigernde und die Arbeitszwänge senkende, technologische Erfindungen machte und entsprechende Entwicklungen einleitete. So fanden die für den landwirtschaftlichen Hackbau zu schwachen Alten als Bewacher des Saatguts am Tempel Zuflucht und Beschäftigung. Sie dachten sich dort Werkzeuge und Verfahren aus, die den Hackbauern das Leben erleichterten und bildeten schließlich um die zentralen Tempel herum Städte. So weit so gut.
Die mit den neuen Geräten und Verfahren (z.B. Nutzung der Flussniederungen) gesteigerten Erträge nahmen ebenso wie die Bevölkerung zu. Ihr Überfluss geriet in Widerspruch zum Zwang der Getreideabfuhr an den Tempel und hätte die bestehende soziale Organisation gesprengt. Damit hätten die Nutznießer dieser Ordnung, die Priester und ihre bewaffnete Garde an gesellschaftlicher Bedeutung und damit an Macht verloren. Das lag nicht in ihrem Interesse. Sie holten mehr Personal in die Städte, ließen es die Städte prunkvoll ausbauen und als dies das Mehrprodukt noch nicht genug abschöpfte, führten sie Kriege.
Soweit geschichtliche Veranschaulichung! Das notwendige gesellschaftliche Mehrprodukt in Verbindung mit Produktivitätssteigerungen führt dazu, dass sich Herrschaftsverhältnisse nicht mehr in der gegebenen Form als „not-wendig“ erweisen. Dadurch tritt ihr Zwangscharakter stärker in Erscheinung und drängt die Bedrängten, die Änderung der gesellschaftlichen Organisation zu betreiben. Das gefährdet die Stellung der bisher Herrschenden und löst deshalb Gegenreaktionen aus. Diese drückten sich (bisher immer, wenn man von vorübergehenden Erleichterungen der Zwänge in der Anfangsphase eines neuen Systems absieht) in der systematischen Verschwendung des Mehrprodukts aus.
Dieser Zusammenhang wird von „denen da oben“ und ihren Nutznießern so wenig eingestanden wie die eigentliche Funktion des gesellschaftlichen Mehrprodukts. Dieses dient nämlich nicht in erster Linie nur zur besseren Versorgung der Gesellschaft. Die eigentliche Funktion des Mehrprodukts lässt sich am besten an einem rein biologischen, vormenschlichen Beispiel veranschaulichen: Jede Symbiose (aus Pflanzen und Tieren) lebt davon, dass sie bestimmte Substanzen als (Energie)Rohstoffe zum Erhalt ihrer Lebensfunktionen nutzen kann und diese ihrer Umwelt entnimmt. Indem sich die Symbiose entfaltet verdünnt sie aufgrund der Entnahme und Verarbeitung der Ressourcen deren Vorkommen in ihrer Umwelt – sie gerät an die Grenzen ihres Wachstums, hinter denen früher oder später ihr sicherer Untergang lauert. Ihr Überleben auf Dauer ist nur zu sichern, indem sie sich ändert. Das heißt, sie muss sich in die Lage versetzen, entweder neue Ressourcen zusätzlich oder die bisherigen besser zu nutzen, zum Beispiel, indem sie die Nahrungskette ausweitet oder deren Nutzung verbessert. Das Mehrprodukt ist sozusagen der Ermöglichungsgrund für die Überwindung der Grenzen des Wachstums, das heißt, für die evolutionäre Steigerung des thermodynamischen Fließgleichgewichts der Symbiose. Dabei wird sie insgesamt komplexer und arbeitet mit höherer Energiedichte. Wird das nicht erreicht, stirbt die Symbiose früher oder später ab und geht unter. Auf die menschlichen Zivilisationen angewandt heißt das, das gesellschaftliche Mehrprodukt liefert die „freie“ Energie, damit sich die Gesellschaft evolutionär, d.h. „Grenzen des Wachstums“ produktiv überwindend entwickeln kann. Die evolutionäre Entwicklung verläuft in der Regel mit Veränderungen der bisher erforderlichen Führungsfunktionen stufenweise einher, sie erfolgt (bei Unvernunft der Eliten) „revolutionär“. Denn die Übergänge von einem Entwicklungsstadium zum nächsten durchlaufen „Krisen“. Das sind Konfliktzonen, in denen sich die Führung des bisherigen Systems gegen die sich anbahnende Führung des hervorbrechenden neuen Systems mit dem komplexeren und energiedichteren Fließgleichgewicht zu behaupten versucht.
Die Verschwendung des Mehrprodukts ist der typische Schutzmechanismus, mit dem sich die veraltete Führung gegen die grundlegende Weiterentwicklung des Systems wehrt. Die Energiewende und die verbreitete Technikfeindschaft bringen nur die Absicht der zu überholenden gegenwärtigen Führung der Hochfinanz zum Ausdruck, die gesellschaftliche Anpassung an das technologisch möglich gewordene Maß an realer Freiheit (statt der propagierten eingebildeten) zu verhindern. Die zunehmende Verbohrtheit und Korruption der Elite ist ein alarmierendes Symptom dieses Vorgangs. Aber wen alarmiert es schon im senil gewordenen Westen, dessen „Schwachkopf-Elite“ z.B. in Libyen und Syrien mit den Terroristen der reaktionärsten Regime (Saudi, Katar etc.) zusammenarbeitet?
2 Reaktionen zu “Für eine politische Ökonomie der Verschwendung”
Während eines starken Aufschwungs müsse besonders viel in Abteilung I, die Produktionsmittel, investiert werden, wodurch eine Disproportion zwischen beiden Abteilungen entsteht. Die zusätzlichen Produktionsmittel stehen teilweise erst mit einer gewissen Verzögerung für die Produktion zur Verfügung; wenn sie in die Produktion eintreten, erhöhen sie die Produktionskapazität beider Abteilungen sprunghaft. Selbst wenn der Ausstoß in Abteilung II, den Konsumgütern, dann langsamer wächst als der in Abteilung I, haben die hohen Investitions- und Profitraten zur Folge, dass die zahlungskräftige Nachfrage nach Konsumgütern nicht Schritt hält. Eine wachsende Überproduktion in Abteilung II bzw. Unterkonsumtion ist die Folge. Da die Einführung neuer Produktionsmittel mit neuer Technik einhergeht, erhöht sich zugleich die organische Zusammensetzung des Kapitals, was die Profitrate nach unten drückt, zumal unter Bedingungen des Booms die Mehrwertrate nicht ausreichend gesteigert werden kann, um dies zu kompensieren. Dies führt zur Überakkumulation, da ein Teil des Kapitals bei produktiver Investition nicht mehr den Durchschnittsprofit erzielen kann.
„Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamele wird, und zum Löwen das Kamel und zum Kinde zuletzt der Löwe.“
Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra.
Das „Kamel“: zentralistische Planwirtschaft ohne liquides Geld (Ursozialismus)
„Auszug der Israeliten aus Ägypten“
Der „Löwe“: Zinsgeld-Ökonomie (kapitalistische Marktwirtschaft)
„Ich finde die Zivilisation ist eine gute Idee. Nur sollte endlich mal jemand anfangen, sie auszuprobieren.“ (Arthur C. Clarke)
Das „Kind“: Natürliche Wirtschaftsordnung (Marktwirtschaft ohne Kapitalismus)
http://www.juengstes-gericht.net