Wissenschaftliche Freiheit für alle
31. August 2013 von admin
Alle Welt schaut nach Syrien, empört sich über den Einsatz chemischer Waffen und fürchtet, ein kriegerisches Engagement könne/solle anders als im Fall Irak nun den Weltkrieg auslösen. Hierzu ist ein wenig Erinnerungsarbeit nötig:
General Alexander Haig in der BBC-Filmreihe (von 2007) „The Trap – What happened to our Dream of Freedom“ sagte: “Es gibt Dinge, für die wir Amerikaner bereit sein müssen zu kämpfen. Wissen Sie, diese Republik wurde durch bewaffneten Konflikt geboren. Und die Freiheiten und Freizügigkeiten (“freedoms and liberties”) die wir heute genießen, waren die Konsequenz von bewaffnetem Konflikt, Aufstand, wenn sie so wollen. Es gibt Dinge, für die es sich zu kämpfen lohnt. Wir müssen das verstehen, wir müssen unsere Außenpolitik unter diese glaubwürdige und gerechtfertigte Prämisse stellen.” Aus der Prämisse wurde die Reagan-Doktrin mit dem ´Project Democracy´.
Die entsprechenden „presidential directives“ befahlen die Schaffung von Organisationen, die im Ausland offen die Idee von „Freiheit und Demokratie“ vertreten. Dazu gehörte zum Beispiel die Gewerkschaft Solidarnosc in Polen. Andere geheimere Teile des Projekts organisierten verdeckt den militärischen Sturz von Diktatoren, die Amerikas Verbündete waren nun aber der „Freiheit“ im Wege standen. Dazu gehörten u.a. Ferdinand Marcos oder General Pinochet. Auf diese Weise erhielten z.B. die Philippinen „ihre“ Demokratie. Sie hat nichts geändert, nur die Macht an eine neue Gruppe von Eliten verschoben. Ungleichheit und Korruption blieben dieselben. Der dritte Teil des Projects hieß “Perception management” (Wahrnehmungsmanagements) eine spezifische (täuschende) Form der Propaganda.
Diese Methode kam z.B. beim Sturz der Sandinisten in Nicaragua noch etwas unbeholfen zum Einsatz. Sandinisten waren sozialistische Revolutionäre, die 1979 die Macht ergriffen und ihren Diktator Somosa zu seinen Führungsoffizieren in den USA davon gejagt hatten. Danach hatten die Sandinisten Wahlen abgehalten und waren demokratisch gewählt worden. Die Reagan-Administration lehnte die Wahl als nicht befriedigend ab und begannen die „richtige“ Demokratie zu erzwingen. Das Kommando führte dabei der Neokonservative Elliot Abrams als Sonderassistent von Präsident Reagan. Er stellte für die U.S.-Regierung eine Guerilla-Armee – „Contras“ genannt – zusammen, die in Nicaragua einmarschierte.
In einem TV-Auftritt erklärte Reagan unter viel Brimborium seinem Wahlvolk die Aktion als Abwehr einer lebensbedrohlichen Gefahr. Die Sowjetunion habe (analog zur Kubakrise 1962) Chemiewaffen nach Nicaragua geliefert. Aus dem winzigen mittelamerikanischen Staat drohe ein chemischer Angriff, wenn man nicht rasch etwas gegen den dortigen Kommunismus unternehme. Die Informationen für die terrorisierenden Presseberichte über die terrorisierenden Chemiewaffen in Nicaragua stammten von der besten Wahrheitsquelle der westlichen Welt, der CIA. Wer im Westen etwas werden wollte, hatte ihr zu glauben.
In dem Bericht “Implications of Soviet Use of Chemical and Toxic Weapons for U.S. Security Interests”, vom 15. 9. 1983 legte man tonnenweise Hinweise (überzeugen sollende “evidence”) auf nicaraguanische Chemiewaffen vor. Im November 1984 gelangten die erfundenen nicaraguanischen Chemiewaffen in die US-Medien. In seiner Rede vor der “American Bar Association” vom 8.7.1985 erklärte Reagan Nicaragua zum Teil einer “Konföderation terroristischer-Staaten” und eines internationalen, geheimen und supergefährlichen “terroristischen Netzwerks”, als “Partner von Iran, Libyen, Nordkorea und Kuba in einer Kampagne des internationalen Terrors.” Afghanistan, Irak, Syrien fehlten noch auf der Liste.
Das zur Rechtfertigung angewandte “Perception management” wird vom U.S.-Militär selbst so beschrieben: “Aktionen um einem ausländischen Publikum selektierte Informationen zu übermitteln und / oder verweigern, um ihre Emotionen, Motive und objektive Schlussfolgerungen zu beeinflussen, ebenso Geheimdienst-System und -Führern, um offizielle Einschätzungen zu beeinflussen, was letztlich zu im Sinne der Ziele des Urhebers günstigen ausländischen Verhaltensweisen und Amtshandlungen führt. In verschiedener Weise kombiniert Perception Management Projektion von Wahrheit, Sicherheit, Deckung und Verschleierung von Operationen mit psychologischen Operationen.”
Inszenierte Staatsstreichs gab es schon vorher, so z.B. den inzwischen eingestandenen gegen den demokratisch gewählten Mohammed Mossadegh am 19. August 1953 im Iran, für den der Iran jetzt „Schadenersatz“ fordert. Während des mit dem erfundenen Tonkin-Zwischenfall in Szene gesetzten Vietnamkriegs begannen die USA 1965 ein ebenso mörderisches, wie geheimes Bombardement des neutralen Kambodscha. Zwischen 1965 bis 1973 hatten 2,7 Mio t Bomben Kambodscha “zurück in die Steinzeit” zu befördern, 200.000 Menschen kamen dabei um. Vorwand für das Bombardement waren angebliche Militärstützpunkte Nordvietnams in Kambodscha. Sie existierten nicht. Der „Fehler“ ließ sich nicht verheimlichen und noch nicht so billig „eingestehen“ wie später bei Colin Powells gezielter Lüge vor der UNO mit über 100.000 Toten im Irak in Folge. Der Fehler wurde damals schlicht uminterpretiert und zwar in die “Wahnsinns-Theorie” (“Madman-Theory” „wonach man die Gegner überzeugen wollte, der Präsident sei zu irrationalen Handlungen fähig, um ihnen Furcht vor einem Angriff mit Atomwaffen einzujagen). Speziell die Sowjetunion sollte damals aus Angst vor einem Atomkrieg Druck auf Nordvietnam ausüben, sich zu ergeben und den Krieg so für die USA zu beenden.
Ein besonderer Fall ist als “Iran-Contra-Affäre” bekannt. Die CIA hatte für den Erlös aus Rauschgift, das auf US-amerikanischen Straßen verkauft wurde, Waffen gekauft und an den Iran weitergegeben, damit dieser US-Geiseln freigibt und dadurch gestärkt den Krieg gegen den Irak länger hinauszieht. Der dafür Verantwortliche und damalige Vizepräsident George Bush Sen. wurde nicht etwa verurteilt, sondern zum Wohl von „Freiheit und Demokratie“ wie auch später sein Sohn US-Präsident.
Unsere Rot-Grünen (zu diesem Zweck an die Macht gebracht) folgten unter Führung Joschka Fischers U.S.-Präsident Clinton 1999 in den Krieg gegen Serbien, um die – wie es hieß – im Kosovo stattfindende ethnischen Säuberungen zu stoppen (eigentlich um in Serbien einen regime change zu erzwingen). Noch am 22. 3. 1999 stand in der Tagesmeldung des damaligen Amtes für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (ANBw): “Tendenzen zu ethnischen Säuberungen sind weiterhin nicht zu erkennen”. Es gab auch kein Mandat der Vereinten Nationen für den Krieg. Nach einem Bombardement marschierten NATO-Truppen (auch deutsche) unter Führung der U.S.A. 1999 in Jugoslawien ein und besetzten die rohstoffreiche Provinz Kosovo.
Der britische Premier Toni Blair (Neusozialist) verkündete am 22.4.1999 vor dem Economic Club die dem Krieg zugrundeliegende ‚Doctrine of the International Community‘: ”Wenn wir die Werte der Freiheit, die Herrschaft des Gesetzes, Menschenrechte und eine offene Gesellschaft etablieren und verbreiten können, dann ist das auch in unserem nationalen Interesse. Die Ausbreitung unserer Werte macht uns in der Tat sicherer. Glaubt denn irgendjemand, dass Serbien oder Irak Nationen wären, die Konflikte verursachen, wenn sie Demokratien wären? … Bevor sie (autoritäre Regime) das tun, lasst uns die Welt um uns neu ordnen. Ich glaube, dass dies ein Kampf für Freiheit ist von den Wüsten Nordafrikas zu den Slums in Gaza, zu den aufragenden Bergen Afghanistans – auch sie sind unsere Angelegenheit.” SPD und Grüne verteidigten dann unsere „Freiheit“ am Hindukusch.
Um was für eine „Freiheit“ handelt es sich? Im April 2003 vertrieben amerikanische und Koalitionstruppen Saddam Hussein und machten sich daran eine neue, „freie“ Gesellschaft im Irak zu schaffen. Über Nacht zerstörten die Amerikaner die zivile Struktur der irakischen Gesellschaft. Statt neuer Institutionen wollte US-Hochkommissar Bremer die perfekte Marktwirtschaft institutionalisieren, von der er glaubte, sie würde automatisch die neue Demokratie erschaffen. Man schuf Chaos, Mord und Todschlag der (von Rücksichtnahme und Moral) „befreiten“ Menschen.
Wie ist also „Freiheit“ zu verstehen? In dem eingangs erwähnten BBC-Film versucht Dokumentarfilmer Adam Curtis das zu erläutern. Die neue „Freiheit“ nimmt ihren Ausgang von der “Spieltheorie” des paranoiden Mathematikers John Nash, einen mathematischen Modell, welches das Verhalten von Kontrahenten während einer beliebigen Auseinandersetzung z.B. bei einem Pokerspiel analysieren, einordnen und prognostizieren sollte. Ihm liegt das simple Menschen-Modell als rational-selbstsüchtiger, gen-programmierter, konkurrierender, roboterhafter Kreaturen zu Grunde. Nach dieser Theorie planten in den 50er Jahren die Strategen des Pentagon und der RAND-Corporation ihr Vorgehen gegen die Sowjetunion. Die Theorie geht davon aus, dass alle “player” stets taktisch oder strategisch und in jedem Falle auf den eigenen Vorteil bedacht und mit allen verfügbaren Mitteln der Täuschung agieren. Zur „Verwertung“ der Theorie brachte man damals das Gesellschaftsspiel mit dem bezeichnenden Namen “F..k you, Buddy” auf den Markt. In ihm gewann, wer alle Mitspieler skrupellos betrog; also ein richtiger „fun“ Artikel!
Nash hatte die Ideen des Moralphilosophen Adam Smith überspitzt und dann zu einem Gesellschaftsmodell „freier“ Individuen ausgearbeitet. Danach würde Misstrauen und Selbstsucht eine besondere Art gesellschaftlichen “Equilibriums” entstehen lassen, nämlich dann, wenn alle Spieler ausschließlich selbstsüchtige Zwecke verfolgten und konsequent nicht nur ihre Gegner, sondern auch alle vermeintlichen Partner zu täuschten versuchten. Jedes Ausscheren aus dem “Nash Equilibrium” mit der Spielnorm Selbstsucht, also alles kooperative Verhalten, Solidarität oder Altruismus würden die Stabilität des Spieles und letztlich die Existenz des Spielers gefährden. Obwohl Nash von seiner Psychose geheilt seine Theorie später widerrief, bekam er zusammen mit seinem RAND-Kollegen Herman Kahn(der die Spieltheorie eines gewinnbaren Atomkrieges entwickelt hatte) 1994 eben dafür den nicht ganz korrekt so genannten „Wirtschaftsnobelpreis”.
In den 60er Jahren übernahm in Großbritannien der Psychologe Ronald David Laing das Konzept des Nash Equilibriums für die Familien-Therapie. Laing, der alle Verhaltensweisen wie, Liebe, Wahrheit, eigene Persönlichkeit oder Moral infrage stellte und den Menschen als von Natur egoistisch und gegeneinander listenreich konkurrierend einstufte, prägte die “Anti-Psychatrie-Bewegung” der 60er Jahre. Sie ging ganz im Sinne des späteren „linken“ Michel Foucaults davon aus, dass die vom gängigen medizinischen Establishment diagnostizierten geistigen und seelischen Krankheiten größtenteils nicht existierten, sondern dass deren Diagnose vom Staat zur Unterdrückung und Kontrolle der jeweiligen natürlich-egoistischen Individuen und ihres „Freiheits“strebens benutzt wurden. Laings Schüler David Rosenhan gelang es mit dem sogenannten Rosenhan-Experiment 1973 das psychiatrische Establishment der USA tiefgreifend zu verunsichern. Als Reaktion darauf machte dieses nun die auf den mathematischen Modellen basierende Spieltheorie zur Grundlage ihrer wissenschaftlichen Analysen. Das Ergebnis war noch schlimmer und führte (aufgrund von Norm-Abweichungen) zur Einführung einer Reihe völlig neuer, bislang nie erkannter Krankheiten, wie “obsessive-compulsive disorder” (“Zwangsstörungen”), “hyperactivity” oder “attention deficit disorder” (“Aufmerksamkeits-Defizitsyndrom”) und entsprechend einträglichen Therapien (die Geschichte kann hier in Kürze nicht ausgeführt werden)
Sozialwissenschaftler und Politiker auf der Rechten wie der Linken übernahmen das „wertfreie“ Modell vom Menschen als einer selbstsüchtigen, gen-programmierten, konkurrierenden, roboterartigen Kreatur und modellierten danach das Ideal westlicher Freiheit und Demokratie, das im ‚Project Democracy‘ nun allen Menschen übergestülpt werden soll. Praktisch erreichte „der Westen“ damit genau das Gegenteil. Er untergrub die Ideale der Demokratie in Amerika und seiner Vasallen und errichtete statt dessen ein kaum erträgliches Bevormundungsregime (z.B. in der EU). Dabei änderte sich das Selbstbild der Politiker: Statt Verantwortung für die Verbesserung der Lebensumstände für die Menschen zu übernehmen, wollten sie nun „freien“ Individuen das liefern, was diese aus Selbstsucht aufgrund der Modell-Analyse als „gesunde“ Individuen eigentlich wollen sollten.
Immer mehr Privilegierte übernahmen den Glauben, dies sei die „wissenschaftliche“ Definition von „Freiheit“, es gäbe keine andere, „vernünftige“. Das lag durchaus im Interesse der dies alles finanzierenden Hochfinanz. Sie glaubt, die Welt ideal beherrschen zu können, wenn alle Habenichtse unter einander so selbstsüchtig, durchsetzungsversessen und skrupellos verfahren, wie sie selbst und wie es ihnen ihr „mathematisches“ Modell vorgibt.
4 Reaktionen zu “Wissenschaftliche Freiheit für alle”
Hi,
Ich fragte mich zu Anfangs nur: „Freiheit alles tun un lassen zu können, ja — aber für wen? — für die selbsternannten Herrscher, die schon alles haben und besitzen, was sie besitzen können?“
Dankeschön der Mühe, für das zusammenschreiben dieses Artikels!
Liebe Grüsse aus Österreich
Fairerweise ist zu bemerken, daß es gegen mathematische Modelle schon immer auch Quertreiber gab. Allerdings eine Minderheit, dies hat mich veranlaßt, folgende Meldung aufzubewahren.
Caspar Weinberger, ehemals US Defense Secretary unter Reagan:
„I will not become a prisoner to abstract models, nor will I try to quantify the unquantifiable. Those analysts on my staff will not serve as advocates or initiators.“
Quelle: Aviation Week & Space Technology, February 2, 1981, Page 9
zu berücksichtigen wäre die Qualität und Treffsicherheit der Modelle
Unbehindert durch äußere Umstände eine seinen Neigungen und Fähigkeiten angepasste Tätigkeit im freien Wettbewerb auszuüben, vom Ertrag dieser Tätigkeit die persönlichen Bedürfnisse des Lebens nach eigenem Belieben befriedigen zu können, das unbeschränkte Recht auf Erwerb von Privateigentum an den von Menschen erzeugten Gütern sowie das Recht des Zugangs zu Grund und Boden zu besitzen, stellt wirtschaftliche Freiheit dar. Sie schließt persönliche und Marktfreiheit, d.h. Freizügigkeit für Personen, Güter, Zahlungen und Nachrichten mit ein und gehört neben dem Recht der freien Meinungsäußerung zu den elementaren, unabdingbaren Freiheiten.
Wie ersichtlich, basiert die wirtschaftliche Freiheit auf dem Grundsatz des freien Wettbewerbs. Er ist der zentrale Freiheitsbegriff, um den sich alle anderen Freiheiten anordnen. Frei ist, wer wirtschaftlich frei ist; und wirtschaftlich frei ist, wer sich ungehindert am Wettbewerb beteiligen kann. Umgekehrt ist unfrei, wer an der Teilnahme am Wettbewerb gehindert oder gar vom Wettbewerb ausgeschlossen ist. Wirtschaftliche Freiheit und damit das Fundament der Freiheit überhaupt ist nichts anderes als das Recht zur Beteiligung am Wettbewerb.
Was dagegen heute die so genannte Freiheit ausmacht, ist die Freiheit politischer Art, die vorwiegend darin besteht, bei irgendeiner Abstimmung, die meist zu Unrecht die Bezeichnung „Wahl“ führt, Ja oder Nein sagen oder irgendeinen Zettel abgeben zu dürfen. Diese politische Freiheit ist vergleichsweise bedeutungslos; sie kann, ebenso wie die persönliche Freiheit, ohne die wirtschaftliche Freiheit gewährt werden und ist dann ein Torso.
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/02/halbwegs-glucklich.html
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Das gilt nicht nur für einen Transistorhaufen genannt Operationsverstärker oder für den Zellhaufen, den wir homo sapiens nennen, sondern auch für jede Volkswirtschaft, die erst dann ihre volle Leistungsfähigkeit entfalten kann, wenn eine konstruktive Verbindung von Individual- und Sozialprinzip hergestellt ist. Die Freiheit des Individuums wird dadurch nicht etwa gehemmt, sondern potenziert – unter der Voraussetzung, dass der Wettbewerb frei ist. Denn jede Beschränkung des Wettbewerbs bedeutet ein Monopol für den einen und damit zwangsläufig Ausbeutung für den anderen!
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/02/marktgerechtigkeit.html