Zivilisation des Westens am Ende?
28. Juni 2014 von admin
In seinem berühmten Buch Theorie der feinen Leute aus dem Jahr 1899 zeigt Thorstein Veblen wie sich eine militante Oberschicht aus einer neu aufgekommenen „räuberischen Phase der Kultur“ entwickelt hat. Seine Analyse ließ sich auch für die Entwicklung der politischen Institutionen fortschreiben. Die Oberschicht formierte sich zu Gruppen, die nicht nur die eigene Unterschicht für sich arbeiten ließ, sondern auch andere politische Einheiten. Die Tributpflicht anderer Staaten wurde ihr Wirtschaftssystem, indem sie „Imperien“ schufen. Die Tributabhängigkeit gelang durch kriegerische Aktionen und militärische Überlegenheit. Die meisten Imperien dieser Art sind früher oder später daran gescheitert, dass sie sich überdehnt hatten, und ihre militärische Kraft nicht mehr ausreichte, die vielen Gesellschaften in tributpflichtiger Abhängigkeit zu halten.
Das Scheitern der Imperien hing nicht nur von der militärischen Überlegenheit der führenden Gruppe ab, sondern auch davon, dass der von der Führungsmacht im inneren erzwungene Frieden mit der Zeit den untergeordneten politischen Einheiten half, mehr an Verteidigungskosten einzusparen, als die Tribute wert waren, die sie an die Führungsmacht zu entrichten hatten. Dazu kam es in der Regel dadurch, dass der erzwungene Frieden den unterworfenen Einheiten die Steigerung ihrer Güterproduktion und ihres Handels nach innen und in den Großraum des Imperiums hinaus ermöglichte. Mit der Entwicklung ihrer Produktivität nahm nicht nur ihr Wohlstand und Vermögen (als Haben und als Können) zu, sondern auch ihr Unabhängigkeitsverlangen.
Die Oberschicht regierte im Laufe der Jahrtausende auf diese Tendenz, in dem sie das Tributsystem veränderte. Statt Tribute direkt abzuschöpfen, entwickelte sie Methoden, um in das Produktions- und Handelssystem der unterworfenen wirtschaftlichen und politischen Einheiten einzugreifen. Sie baute mit dem Geld- und Bankensystem eine Drainage in das Wirtschaftssystem der Unterworfenen ein, um damit deren Vermögen abzusaugen und deren Unabhängigkeitsbestrebungen zu schwächen. Als oberflächliche Andeutung sei auf das Ende der beiden Weltkriege verwiesen. Kam es 1919 noch zu direkten Tributforderungen an den unterworfenen Gegner, so blieben diese nach 1945 aus. Statt dessen wurde der unterworfene Gegner zur billigen Werkbank der Siegermächte, und das gelang zunächst unauffällig durch die entsprechende Gestaltung der Wechselkurse zwischen den Ländern.
Dass es dabei nicht ohne die dezente Androhung von Gewalt zugeht, zeigte sich erst kürzlich. Die Satrapenregierung in Berlin erfrechte sich 2012 aufgrund eines gewissen innenpolitischen Drucks, ihre im Ausland „gelagerten“ Goldbestände zurückzufordern und nannte Rücktransporttermine. Nun fuhr der Beauftragte der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Beziehungen, Jürgen Hardt, eigens in die USA, um der Zeitschrift Bloomberg in einem Interview (23.6.14) zu sagen: „Ich denke, die Goldreserven sollten da sein, wo sie auch notfalls gebraucht werden.“ Die Zeitschrift überschrieb es: „Deutsches Gold bleibt in New York…“ Und Norbert Barthle, der haushaltspolitische Sprecher der CDU beschwichtigte: „Die Amerikaner passen gut auf unser Gold auf“, ebenso die Bundesbank, die versichert, die Rückholung gehe weiter, allerdings nach einem ungenannten (unendlichen) Zeitplan.
Die wirtschaftspolitische Machtentfaltung ermöglichte eine neue Dimension der Konzentration des Hegemons an der Spitze der Imperialmacht. Darauf hatte Walter Rathenau schon 1909 hingewiesen: „300 Männer, die sich gegenseitig kennen, bestimmen über das wirtschaftliche Schicksal Europas und wählen ihre Nachfolger aus ihren eigenen Reihen“. Carrol Quickly, aus dessen Buch über die jüngste Zeitgeschichte Tragödie und Hoffnung (1966 S. 61) das Zitat stammte, erklärte eine weitere Verbindung zwischen Wirtschaft und politischer Institution während der räuberischen Phase der Kultur, indem er die Demokratie an der Entwicklung der Waffentechnik festmachte. Waren Waffen sehr teuer, und verlangten sie ein ausgefeiltes Training, dann stellten die Kampfspezialisten in der Regel die herrschende Oberschicht. Waren die Waffen dagegen allgemein erschwinglich und ohne besondere Geschicklichkeit zu handhaben, dann kam es zu massenhaften Bürgerheeren und demokratischen Strukturen. So geschehen im 19. Jahrhundert, als man sich für nur 27 Dollar einen Revolver oder eine Flinte kaufen konnte und den Regierungen kaum effektivere Waffen zur Verfügung standen. Im 20. Jahrhundert wurden wieder hoch komplexe Waffen für Spezialisten entwickelt, die sich kein normaler Bürger leisten kann. Daher erleben wir heute, wie die „Demokratie“ zu einer Show verkommt, hinter der verschwindend kleine Gruppen die politischen und wirtschaftlichen Fäden ziehen.
Das verweist auf eine weitere Ebene der Macht. Die räuberische Phase der Kultur ist noch immer bestimmend, obwohl Vernunft und wirtschaftliches Bewusstsein sie eigentlich für überholt halten sollten. Sie verdankt ihr Fortbestehen nicht nur der Entwicklung der Waffentechnik, da die tatsächlich absahnende Oberschicht gar nicht mehr in der Lage wäre, diese Waffen zu bedienen oder gar zu entwickeln. Dazu muss sie auf Fachleute aus den Reihen ihrer Untergebenen zurückgreifen. Deren Loyalität kann sie nicht mehr wie bisher durch eine gewisse wirtschaftliche Besserstellung gegenüber der übrigen Masse gewinnen. Denn die potentielle Produktivität der Gesellschaft hat inzwischen Dimensionen erreicht, die jede Form von Not und Mangel ausschlösse, wenn die Führung dies zuließe. Ein bisschen mehr Wohlstand verliert angesichts des abgetriebenen Wohlstands der meisten an Bedeutung. Angst und Not sind, wo sie auftreten, bewusst inszenierte Herrschaftsmittel, die kaum noch vernünftig überzeugen können. Dazu benötigt die Oberschicht geistige ideologische Waffen und eine gewisse Kampagnen zur geistigen und moralischen Verblödung der Massen (wie Klimaschutz, Energiewende, Unterhaltungsindustrie etc.), die allerdings auch das eigene vorgeschobene Führungspersonal infiziert und verkommen lässt.
Wir stehen also heute in der Endphase der räuberischen Phase der Kultur drei prinzipiellen Herrschaftsmitteln gegenüber, dem Waffen- und Geldsystem und dem Ideologieapparat. Das Waffensystem hat inzwischen so extreme Formen angenommen, dass sein Einsatz zunehmend zweifelhaft wird, weil seine ungeheure Zerstörungswirkung das Herrschaftssystem selbst hinwegfegen würde. Die Führungsclique unterhält zwar als Drohpotential hochgerüstete Berufsheere, benutzt für den begrenzten Einsatz aber „Privatarmeen“ und hauptsächlich sogenannte „patsies“, mit angeheuerten Freischärlern, die je nach Verwendungszweck „Terroristen“ oder „Freiheitskämpfer“ oder „Rebellen“ genannt werden. Diese nur aus extrem rückständigen Gesellschaften und unter ideologischen Vorwänden anzuwerbenden Söldner richten gewaltige (politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche) Schäden an, könnten aber von den Berufsheeren unterworfener, auf ihre Unabhängigkeit bedachter Staaten überwunden werden. Hierfür bietet zur Zeit Syrien ein noch nicht abgeschlossenes Beispiel, aber auch Libyen und der Irak liefern Hinweise. Denn der Einsatz der Söldner konnte zwar Marionettenregierungen etablieren, hat die Länder selbst aber so ruiniert, dass dem Hegemon daraus weder ein wirtschaftliche noch ein politisch-ideologischer Nutzen sondern nur Widerwillen zufließt.
Auch der Ideologieapparat, früher die Kirchen heute Medien und Unterhaltungsindustrie, wird brüchig. Zwar sitzen heute größere Massen länger vor dem Fernseher oder in Stadien als jemals in Kirchen, aber die Wirkung dieser ideologischen Maschinerie wird mehr und mehr ins Unterbewusstsein abgedrängt, weil immer weniger Menschen den dort transportierten Informationen glauben und sich dafür auf das chaotische Internet beziehen, das, um die Informationen strukturieren zu können, den Gebrauch des eigenen Denkens voraussetzt. Doch dürfte die Überwindung des ideologischen Machtapparates am längsten dauern und sich noch sehr lange hinziehen, solange seine Grundlage, das Geld für die Korruption und Alimentation der Ideologen und der „Heimatschutz“-Soldaten nicht zerbricht.
Das Geldsystem zeigt gegenwärtig die stärksten Risse. Es erhält der verschwindend kleinen Oberschicht noch die Loyalität der breiten Masse, auf die sie ihre Herrschaft stützen, und nach außen die nach Unabhängigkeit strebenden politischen Einheiten so schwächen muss, dass sie ihrer Tributpflicht in der Struktur des System weiterhin nachkommen.
Der Hegemon stützt sich dabei neben seinen Satrapien vor allem auf die US-Gesellschaft. Dazu ein jüngstes Zitat von David Stockman, dem ehemaligen Budget-Direktor des Weißen Hauses: „Die realen Stundenlöhne von Arbeitern im produzierenden Gewerbe lagen im Mai (2014) bei rund 20,50 Dollar je Stunde, und die waren exakt dieselben, wie (…) zur Zeit von Präsident Lyndon Johnson im Jahr 1968.“ In einer Zeit der überwältigenden technologischen (potentiellen) Produktionsfortschritte stagniert der wichtigste Maßstab des wirtschaftlichen Fortschritts – der Wert der Arbeitszeit. Das durchschnittliche Einkommen der US-Haushalte liegt heute um 4.000 Euro niedriger als im Jahr 2008. Dafür stiegen die Verbraucherkredite in den letzten drei Jahren um 22%. Die Studienkredite der nachwachsenden Führungskader (Geburtsjahrgänge 1974 – 1995) belaufen sich auf sagenhafte 1,2 Billionen Dollar. Ein Studienabgänger hat demnach in den USA durchschnittlich eine Schuldenlast von rund 30.000 $ am Bein und kaum noch eine Chance, einen gut bezahlten Job zu finden, um die Schuld abzutragen. Wo sind all die Billionen an Bailouts und Zins-Subventionen hingegangen? Die Umsätze bei Luxusgütern im hohen Preissegment stiegen im ersten Quartal 2014 um 9%. Aber bei WalMart – wo die Mittelklasse einkauft – gingen die Umsätze um 5% zurück, bei Sears sogar um 6,8%. Das Inlandprodukt (BIP) der USA fiel im 1. Quartal 2014 um 2,9 %. Das System ist mit seinen finanzpolitischen Instrumenten am Ende.
Und wie reagiert der Hegemon? Die USA drohen Europas Großbanken mit Milliardenstrafen. Wegen angeblicher Verstöße gegen US-Embargos soll z.B. die französische Großbank BNP Paribas bis zur 9 Mrd. Euro zahlen. Das könnte das gesamte Bankensystem und damit das Geldsystem selbst erschüttern. Diese Entwicklungen werden das Sozialgefüge im inneren des Imperiums aushöhlen und schließlich zum Einsturz bringen.
Die Auswirkung des im Geldsystem versteckten Tributsystems spiegelt sich in der Verschuldung. Der Unternehmensberater McKinsey Global beklagt in seiner jüngsten Studie, dass die Weltschuldenmenge von 158 Billionen im Jahr 2010 auf die Rekordsumme von 200 Billionen im Jahr 2012 gestiegen sei. Ein Plus von 42 Billionen in nur zwei Jahren! Inzwischen sind zwei weitere Jahre mit exponentiellem Schuldenwachstum vergangen. Die Analysten von McKinsey errechnet beim Stand von 2012, dass „dieser Betrag dem 2,5 fachen des globalen BIP entspricht“ und kommen zu dem Schluss: „Das Ende ist nah.“ Die Saugwirkung der Finanzmärkte als Exekutoren des Geldsystems hatte die noch zugelassene Güterproduktion aus den Kernländern des Imperiums (dazu gehört auch das NATO-besetzte Europa) in die Randzonen verdrängt. Das zwingt nun die Zentralmacht des Imperiums (USA) über die Kernländer hinaus verstärkt in die Randzonen zu greifen. Und genau dort regt sich der offene Widerstand.
Russland und China sind vom geopolitischen Standpunkt eigentlich Gegner. Diesen Umstand konnte der Hegemon bis vor kurzen ausnutzen. Doch am 25. 5. 2014 schlossen Russland und China einen Erdgasdeal im Wert von 400 Mrd. $. Dazu hieß es am gleichen Tag in RT News: „Es handelt sich um den größten Energievertrag, den Moskau je eingegangen ist. Er wird Russlands Geschäftsprioritäten ostwärts ausrichten. Die russische Nationalbank unterschrieb ein Abkommen mit der Bank von China, dass die Gaslieferungen in den jeweiligen Landeswährungen abgerechnet werden.“ Letzteres ist entscheidend, denn es stellt ein Ausklinken aus dem Tributsystem dar.
Liam Halligan vom Londoner Telegraph schrieb zuvor am 24.Mai über die drohende Abkoppelung der BRICS-Staaten vom Dollar. „Wenn Russland und China den Dollar für die Preisgestaltung auf dem Energiesektor fallenlassen, könnte der Status des Dollar als Reservewährung zu Ende gehen, und zwar schnell. Diese neue Geschäftspolitik zwischen Russland und China wird das amerikanische Finanzsystem aushöhlen und dem Westen große Schmerzen bereiten.“ Doch es geht weiter. Die Chinesische Volksbank teilte mit, dass das Volumen von Chinas in der Landewährung abgewickeltem Außenhandel um 57 % auf 4,6 Billionen Renminbi-Yuan gestiegen sei. Am 25.6. vereinbarte China beim Besuch seines Premiers, Li Keqiang, in London, neue Clearingstellen in London und Frankfurt zu errichten, durch die Pfund-, Euro- und Yuan-Konten direkt, ohne den tributären Umweg über den Dollar ausgeglichen würden. Damit setzt das Reich der Mitte schrittweise seinen Ausstieg aus dem westlichen Geldsystem fort. Ähnliches hört man aus Russland. Länder der Drittenwelt und sogar Satrapien wie Deutschland werden sich dem mit der Zeit nicht entziehen wollen, soweit sie nicht daran durch immer plumpere Drohungen und Maßnahmen gehindert werden. Der Untergang Roms dauerte rund 200 Jahre. Unsere Zeit ist kurzlebiger. Mit der Westlichen Zivilisation könnte die räuberische Phase der Kultur endlich enden.
2 Reaktionen zu “Zivilisation des Westens am Ende?”
Zivilisation – welche?
Die Überschrift stimmt, aber man könne diese auch so schreiben: „Gesellschaftssystem des Westens am Ende?“. Eine Ellbogengesellschaft kann nie und nimmer als Zivilisation bezeichnet werden.
Ich bin wirtschaftlich und mental niedergemacht worden, weil ich die Wahrheit öffentlich gesagt habe und auch entsprehende Taten gesetzt habe. Aber nicht „von denen da oben“, sondern von den eigenen Leuten (Menschen erspare ich mir hier) im Dorf, für die ich den Mund aufgemacht habe. Und die haben sich dann noch riesig darüber gefreut, als bei mir die Firma und die Familie den Bach runter gegangen sind. Bezeichnenderweise sind diese Leute in der Kirche in den ersten Reihen gesessen. Und – ich bin beileibe kein Einzelfall.
Wenn jetzt jemand sagen will, dass nie jemand etwas tut, wenn er selbst nichts davon hat, dann gebe ich ihr/ihm Recht. Was hat jemand davon, wenn er sich für Gerechtigkeit und Wohlerghen seiner Umgebung einsetzt? Menschen, denen es WIRKLICH gut geht (= im WOHL-STAND sind) und die nicht ständig um ihre Rechte „kämpfen“ müssen sind zumindest in der großen Mehrheit mit sich und der Umwelt im Reinen. Und das bedeutet: FRIEDEN!
Aber die Menschen werden mit Manipulation (Neid, Geiz und vor allem Angst) zu Leuten gemacht. Außerdem wird schon ab der Volksschule gelehrt: „Du musst vom Anderen nehmen, damit es Dir gut geht. Selten habe ich gehört: „Du musst dem Anderen geben, damit es Dir gut geht!“.
Wäre noch viel zu sagen, aber das reicht wohl fürs Erste.
@ Energiewende
An den Zombies reibt und verschleisst man sich nur.
Am schlimmsten sind die die sich aufgeklärt oder aufgewacht wähnen. Denn die wissen um die Probleme, sind aber dennoch zu träge und verantwortungslos um nun entsprechend zu handeln.
Schuld sind auch für diese Leute eh immer nur die anderen.
Erwarten können Sie nur etwas von Gleichgesinnten, also jenen die auch bereit für effiziente Handlungen sind. Finden kann man die freilich nicht übers Clearnet oder in der regionalen Nachbarschaft. Die Struktur lässt sich eben ausschliesslich nur aus der „Illegalität“ heraus bekämpfen:
Steuer- und Systemboykott.
Schaffung produktiver, wertschöpfender Netzwerke, abseits jeder staatlichen Kontrolle, mit dem Fernziel der Schaffung einer „Welt ohne Geld“.
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