Der Spatz im Gebälk

Schon wieder soll eine (die zweite) Katastrophe eines malaysischen zivilen Flugzeugs die Gemüter erregen, nachdem nicht einmal die erste vor wenigen Wochen aufgeklärt wurde. Noch immer wartet die Welt auf die Luftüberwachungsdaten, doch die waren ein militärisches Geheimnis. Es gab in Kuala Lumpur ein Kriegstribunal auf Initiative des früheren malaysischen Ministerpräsident Mahathir Mohamad, das am 22.11.2011 den Angriff der USA auf den Irak scharf verurteilte und George Bush und Toni Blair schwere Kriegsverbrechen vorwarf. Solche Unbotmäßigkeiten verlangten möglicherweise nach Züchtigung.

Im ersten Fall ist nur durchgesickert, dass 7 hochrangige Wissenschaftler aus den USA aber chinesischer Abstammung an Bord der malaysischen Maschine waren, die höchst sensible militärtechnische Erfindungen gemacht haben sollen. Zur Gruppe soll als Finanzier ein Nichtchinese gehört haben, der nun die “Erfindung” alleine erbt. Überprüfbar ist so etwas nicht. Aber die zweifellos vorhandenen militärischen Satellitendaten der Flugroute wurden von westlicher Seite damals – wie auch dieses Mal – nicht veröffentlicht. Was russische oder chinesische Satellitenaufnahmen zu dem Fall gesagt haben, wissen wir nicht. Unsere Medien haben es uns nichts darüber gesagt.

Und zum 2. Fall? Der Abschuss ist ein klarer Fall von Terrorismus durchgeführt von prorussischen Separatisten mit russischen Waffen. Also ist Russland insbesondere Putin verantwortlich – und damit Basta. Wer es nicht glauben will, ist ein Russenversteher und soll das Maul halten. Beweise? Braucht man nicht. Obama wusste es gleich (wie Bush im Fall 9/11). Die westlichen Medien von CNN bis Fox (und alle ihre Nachbeter bei uns) bestätigen es und garnieren es mit Argumenten – eines schwammiger als das andere. Aber egal: „Wir sind Wir und haben Recht, wer‘s nicht glauben will, gehe nach drüben.“ Wir haben diese Argumentation 70 Jahre eingebläut bekommen. Sie sitzen tief. Dagegen sind alle Dokumentationen seitens der Russen natürlich nur üble Propaganda, die niemand hören will.

In dem Zusammenhang fordert Australiens Premierminister Tony Abbot wieder einmal, Russland vom G-20-Gipfel im November auszuschließen. Andreas Schockenhoff, ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag fordert eine Militärintervention mit eventueller Beteiligung der Bundeswehr. Man müsse jetzt „über einen Blauhelmeinsatz unter dem Dach der Vereinten Nationen“ nachdenken, und natürlich sei „auch Deutschland gefragt“, Verantwortung zu tragen und Truppen zu stellen. Gleichlautend mit etwas anderen Worten äußerte sich der Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Hans-Peter Bartels (SPD). Und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hält dabei die Rücksicht auf Interessen der deutschen Unternehmen in Russland für zweitrangig. „Die wirtschaftliche Sicht ist nicht die entscheidende“, sagte Gabriel bei einer Pressekonferenz in Berlin. Entscheidend sei jetzt vielmehr, dass Russland zu seinen Zusagen steht und einlenkt. Welche Zusagen meint der der SPD-Vorsitzende abgesehen vom „Einlenken“, um das es eigentlich geht. Und CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann fordert harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland, wendet allerdings ein „falls es für den Abschuss des Passagierflugzeugs über der Ostukraine verantwortlich ist. „Indizien sprechen dafür!“ Welche?

Warum gab es dieses Geschrei nach Sanktionen nicht, als die Ukraine 2001 ein russisches Flugzeug (Siberia Airlines 1812) abgeschossen hatte. Dabei starben 78 Personen. Nach der Logik unserer politischen Yesmen hätte Russland diesen Abschuss als kriegerische Handlung auffassen können, tat es aber nicht. Damals war Putin russischer Präsident.

Es gibt einen weiteren Präzedenzfall (einen gut verdrängten), nämlich der Linienflug der Iran Airline (IR655, eine Airbus A300B2) am 3. Juli 1988 von Teheran über Bandar Abbas nach Dubai. Die Maschine wurde unzweifelhaft vom US-Kriegsschiff USS Vincennes (CG-49) abgeschossen. Dabei starben 290 Menschen. Nach Angaben der US-Regierung war das Flugzeug von der Schiffsbesatzung (und ihren besten elektronischen Hilfsmitteln) als eine angreifende, feindliche F-14 Tomcat identifiziert worden. Waren die besoffen oder die, die das Missverständnis glaubten. Jedenfalls galt das dem Westen als verständlich, nachvollziehbar und deshalb gab es auch keine Entrüstung im Bundestag und keine Sanktionen etc. Ja, wenn zwei das Gleiche tun.. Den Unterschied macht die Machtfrage.

Wenn man die Unterlagen, die die Russen vorlegen (z.B. die Kiewer SU25 nahe am Flugzeug) oder andere, wie die Aussagen eines Spaniers in der Kiewer Luftüberwachung, außer Acht lässt, weil man sie nicht überprüfen kann, und nur der Logik vertraut, könnte man zu dem Schluss kommen: Der Abschuss kam vor allem der NATO und ihrem Regime in Kiew recht. Die Kiewer Regierungstruppen haben im Osten trotz Luftüberlegenheit und Bombardierung von Kindergärten, Schulen etc. (die sich auch nicht überprüfen lassen) erstaunliche Rückschläge hinnehmen müssen und im Westen des Landes erhebt sich Widerstand gegen die faschistoiden Machthaber der West-Oligarchen in Kiew. Die „normalen“ Ukrainer wollen nicht militärisch gegen die unter Chruschtschow der Ukraine zugeschlagenen russischen Landesteile vorgehen. Deshalb desertieren so viele Soldaten und greifen die Oligarchen auf westliche Söldner zurück – sagt man, weiß es aber nicht genau. Und vor allem, die Hetze gegen Russland (so empfinde ich als „Putinversteher“ aber nicht unbedingt als Putinfreund – wie dem „Versteher“ unterstellt wird – die Medienberichterstattung) hatte bisher noch keinen wirksamen Meinungsumschwung im Westen ausgelöst. Das sollte sich ändern. Auch 9/11 war in erster Linie Stimmungsmache für den Nahostkrieg.

Jetzt kommt ausgerechnet der preisgekrönte frühere Reporter von Associated Press, Robert Parry, und behauptet, ihm sei von Geheimdienstkreisen in den USA mitgeteilt worden, die USA besitze ebenfalls Satellitenaufnahmen (was anzunehmen ist), die beweisen, dass Kiewer Militärs das Flugzeug abgeschossen haben. Natürlich kann Parry seine Quelle nicht nennen, da die eine ähnliche Behandlung wie Manning, Snowden oder Assange (und von vielen anderen Wistleblowern, über deren Schicksal im „freien“ Westen man nichts gehört hat) befürchten muss. Auch das können wir nicht überprüfen. Allerdings gibt die CIA diese Möglichkeit inzwischen offiziell zu – nur es stört die Propaganda unserer Medien. Wir wissen nur, dass die USA bisher keine Belege für ihre Behauptungen vorgelegt haben, dafür aber viel Konjunktiv (wie Greenpeace bei seiner medienwirksamen Angstmache).

Doch werden die Mutmaßungen um den Abschuss noch mysteriöser. Quellen behaupten: Die Maschine des russischen Präsidenten Putin befand sich kurze Zeit vorher auf der gleichen Route. Versuchte die Ukraine, die Putin-Maschine abzuschießen und traf stattdessen „aus Versehen“ die MH17, weil sie zufällig aus der Distanz ähnlich aussah? Angeblich gleichen sich die Flugzeuge von weitem, weil sie zufällig ähnliche Bemalungen haben. Das würde auch erklären, warum sich Hinweise verdichten, dass die Malaysia Airlines Maschine offenbar von einem ukrainischen Kampfjet abgeschossen wurde.

Pepe Escobar fragt unterdessen auf Asia Times Online 19.7. ob vielleicht das zeitliche Zusammentreffen des BRICS-Gipfel und der Eskalation in der Ukraine purer Zufall ist. Er bezieht sich damit auf die Tatsache, dass die BRICS Staaten fast zur gleichen Zeit einen Reservefonds von 100 Mrd. Dollar mit Sitz in Shanghai eingerichtet haben, um darüber Außenhandelsgeschäfte in nationaler Währung (statt wie bisher über Dollar) frei von Interventionen amerikanischer Finanzkreise abwickeln zu können. Für die USA bedeutet das, dass ein weiterer Stein aus ihrem Dollarimperium herausbricht. Escobar meint auch, dass eine Konfrontation mit Russland zu einer Entfremdung des Westens mit den aufstrebenden Schwellenländern führen wird. Das hängt allerdings davon ab, wie „der Westen“ die dortigen Regierungen und deren Wahlapparate „im Griff hat“. Ob und wie weit das noch der Fall ist, wird allmählich auch fraglich. Keine Frage ist, dass die USA die europäischen Regierungen fest im Griff haben. Allerdings kommen auch da Zweifel auf. In den USA mehren sich die Artikel mit der Warnung, dass sich die Europäer allen voran Deutschland den BRICS-Staaten anschließen und aus dem Dollar aussteigen könnten. Mit Merkel als Kanzlerin? (Das glauben die Schreiberlinge doch selbst nicht, und warum schreiben Sie es dann?) So viel lässt sich aber sagen: Die Ächtung Russlands führt also (auch oder vor allem) zur Knebelung Europas (siehe Gabriel: „Die wirtschaftliche Sicht ist nicht die entscheidende“): US-Schiefergas statt russisches Öl oder „Lieber einen kalten Arsch mit den USA als einen warmen Hintern mit dem bösen Putin.“

Wie kann man sich ohne verlässliche Informationen (weil die westlichen Medien bisher zu oft beim Lügen ertappt wurden) einen Reim auf das Geschehen machen? Vielleicht sollte man einen Blick auf die USA werfen: Zahllose Kriege ohne einen Sieg, ausschließlich Zerstörung und gesellschaftliche Zerrüttung der Kriegsgebiet – aber auch zu Hause (Wenn man von den Vorteilen der Rüstungsindustrie und der Boni-Jäger absieht). Man hört, die Amerikaner würden ihre Wirtschaft wieder ankurbeln. Die bei aller Beschönigung außerhalb Deutschlands veröffentlichten Zahlen belegen das nicht. Die US-Wirtschaft schrumpft trotz Schiefergas Hype und „innovativer Buchführung“ weiter (im Mai – 1% gegenüber dem Vorjahr Wall Street Journal, 29/05/2014), die private Verschuldung steigt ungebremst (CNBC, 05/06/2014), die Altersversorgung bröckelt für viele (Centre Daily, 14/06/2014), die Finanzsituation der Städte wird unbezahlbar (Reuters, 05/06/2014) usw.). Es zeigt sich, dass die große Hoffnung der USA, sich über die Energieausfuhr zu sanieren, überzogen ist (The Guardian , 22/05/2014) Sollten die Preise für Flüssiggas fallen, dürfte damit der Sektor mit seinen geringen Gewinnmargen vor dem Ruin stehen (The Australian, 11/06/2014). In US-Gefängnissen leben ungefähr 2 Millionen Inhaftierte. „Laut dem California Prison Focus hat keine andere Gesellschaft der menschlichen Geschichte so viele ihrer eigenen Bürger inhaftiert, eine halbe Million mehr als China, welches eine fünfmal so große Bevölkerung wie die USA hat.“

Und im Westen insgesamt? In ihrem Jahresbericht bezeichnete die BIZ die Schuldensituation in den Industrieländern als „desolat” und forderte einen raschen Schuldenabbau. Aus dem Bericht geht hervor: Die Politik habe wenig Raum für Manöver, derzeit stünden Derivate-Verträge im Volumen von 710 Billionen Dollar aus, die Staatsverschuldung der G7 Volkswirtschaften sei seit dem Beginn der Krise (2008) um 40% gestiegen, die Unternehmensschulden wären niemals höher gewesen und seien nie so schnell gestiegen. Und jetzt beginnen die Konsumentenpreise in den USA zu steigen. Der Dollar bricht, die Öl-Waffe wird stumpf, die Welt wird aufmüpfig. Was steht an, wenn dem Hegemon die Felle davon schwimmen? „Die Nackte Gewalt“, lehrt die Geschichte. Und wer könnte sich ihrer erfolgversprechenden Anwendung widersetzen? Drei Mal dürfen sie raten.

„Auf dem „Fliegerhorst Büchel“ der Bundeswehr lagern Atombomben. Dort üben deutsche Piloten, sie mit Bundeswehr-“Tornados“ auf  NATO-Befehl ins Zielgebiet zu tragen. Das wird „nukleare Teilhabe“ genannt.“ Die Bundesregierung hat – wie von ihr nicht anders zu erwarten – vor einem Jahr beschlossen, diese Atombomben modernisieren zu lassen. Dafür sollen etwa 10 Milliarden Dollar bereit stehen. Auch das Trägerflugzeug Tornado soll entsprechend um- und aufgerüstet werden, und zwar für 250 Mio € –  sagt man dem Steuerzahler – hinterher wird es „leider“ etwas mehr – etwa wie beim Berliner Flughafen.

Lügen in den Medien und Verlautbarungen der Politik (Ukraine, NahOst, Klima, Energiewende etc.), Tricksereien im politischen Gerichtswesen (NSU), Bespitzelung durch die Regierungsagenturen (NSA/BND), falsche Wirtschaftsstatistiken, Korruption am Bau, Diebstahl an den Autofahrern, Unfähigkeit die Infrastruktur zu erhalten, Demontage der Produktionsmittel und Abkassieren, wo es nur geht. „Ach, wer will das alles wissen, es verdirbt einem nur den Appetit – lasst uns damit doch in Frieden“ wenigstens solange hier noch nicht geschossen wird.