„Alles ist im Fluss“ (auch Gesellschaftsformationen)
27. November 2015 von admin
Das Flüchtlingsthema in Verbindung mit dem IS-Terror scheint zurzeit alle anderen Probleme zu überdecken, auch wenn man über die weltweit größte „Klimablödelei“ (Ausdruck eines renommierten Atmosphärenphysikers) die in Paris vorbereitet wird, übergenug erfährt. Die meisten übersehen gemeinhin, dass beides, das Flüchtlingsthema und die Klimahysterie, nur Instrumente in der systembedingten Einkommens-Umverteilung der bürgerlichen Gesellschaft im Zeitalter blockierter Produktivitätsentwicklung sind. Um sich einen Überblick zu verschaffen, sollte man hohe Berge besteigen. Im geistigen Bereich des Verstehens sind das Ebenen hoher Abstraktion, weil es in den Niederungen nahe beim „Konkreten“ allzu viele zufällige Hinterlassenschaften gibt, die den Blick verstellen und verwirren.
Die Menschheit steht in allen Gesellschaftsformationen aufgrund ihres Stoffwechsels mit der Natur als Vorbedingung des Überlebens in der Spannung von „Freiheit und Notwendigkeit“. Die bürgerliche Gesellschaft ist keine „freie“ Massengesellschaft, sondern eben eine „bürgerliche“. Als Bürger galt ursprünglich jemand, der in diesen Stoffwechsel „frei“, also nicht aufgrund von verpflichtenden Anweisungen anderer Personen, tätig wird, also selbständig arbeitet. „Bedienstete, Lohn und Almosenempfänger“ waren selbst nach dem Volksvertrag vom Mai 1649 der radikalsten (kleinbürgerlichen) Gruppe der englischen Revolution, der Leveller, von der politischen Entscheidungsfindung für die Gesamtgesellschaft auszuschließen, weil sie in ihren Arbeitsentscheidungen nicht „frei“, sondern weisungsgebunden, abhängig waren. Das galt auch für die französische Verfassung nach der endgültigen Machtübernahme des Bürgertums im Jahr 1794. Für die „Freiheit“ der Bürger (unterhalb der jeweils geltenden Spannung von Freiheit und Notwendigkeit) war der „freie“ Markt die Voraussetzung (in Bezug auf die Politik war es die freie Meinungsbildung). Der Markt nötigt den Bürger not-wendige Güter zu erzeugen, Güter die dem Bedarf anderer entsprachen und daher verkäuflich sind. Dabei war das treibende Motiv der Bürger nicht die Versorgung der Gesamtgesellschaft, sondern die Verbesserung der eigenen Versorgungslage, des eigenen Vermögens, also der Gewinn. Auf dem Markt wird der in der Regel in Form von Geld als Tauschmittel gemacht. Geld ist aber in erster Linie ein Berechtigungsschein auf einen proportionalen Anteil an der gesamtgesellschaftlichen Produktion von benötigten Versorgungsgütern. Der freie Markt wurde dadurch Garant für die Fortschrittlichkeit der Gesellschaft, dass er Gewinn nur dem verspricht, der benötigte Güter produktiver herstellen und damit günstiger und in größerem Umfang verkaufen kann als andere. Diejenigen, die mit dem Fortschritt nicht Schritt halten, werden früher oder später aus dem Markt gedrängt und hören damit auf „freie Bürger“ zu sein.
Die marktbedingte Entwicklung führte zwangsweise zu zweierlei: 1. Zu einer rasanten Produktivitätssteigerung bei der Herstellung von Versorgungsgütern und 2. Zur stetigen Konzentration der eigentlich selbständigen Bürgerschaft auf einen immer kleineren Personenkreis. Die gesellschaftlichen Folgen davon waren wiederum: 1. Die erhöhte Produktivität steigerte die Versorgung der Gesamtgesellschaft, die schon bald neben den Bürgern auch der übrigen Gesellschaft zugutekam. 2. Der gelockerte Versorgungsdruck senkte die Bereitschaft der Unselbständigen, große Anteile ihrer Lebenszeit dem Kommando anderer für einen im Vergleich zu den Bürgern deutlich geringeren Versorgungsgrad zur Verfügung zu stellen. Damit gefährdeten sie den politischen Anspruch der „freien Bürger“ auf die alleinige Gestaltung der konkreten Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft und bedrohten so das politische Machtgefüge der bürgerlichen Gesellschaftsformation.
Um dieses zu erhalten sah sich der kleine Kreis der eigentlich „freien“ Bürger, der sogenannten Superreichen, deren angehäuftes Vermögen sie unangreifbar macht, gezwungen, immer größeren Gruppen der unselbständig Beschäftigten einen Schein an Selbständigkeit bei der Gestaltung des notwendigen Stoffwechsels mit der Natur zu erlauben. Allerdings muss sich die „Freiwilligkeit“ der abhängig Beschäftigten an den Rahmen der nun allgemeiner gehaltenen Vorgaben und Anweisungen halten. Das gilt zunehmend auch für die nur noch scheinbar selbstständigen Unternehmer und Unternehmen, die – wenn es sich nicht um bloße Tochterunternehmen handelt – über die Kredit-Vergabe oder –Verweigerung in Abhängigkeit geraten sind und gelenkt werden. Um dem Schein der „Unabhängigkeit“ zu fördern, wurde der möglichst günstige Verkauf der Arbeitsleistung der abhängig beschäftigten Arbeiter oder Unternehmer als selbständige, unternehmerische Leistung herausgestellt. Die sich aber dem vorgegebenen Rahmen und der Nötigung eines gewissen Versorgungs- bezw. Finanzierungsdruck fügen muss. Dieser wurde immer mehr gestaffelt, wobei bestimmte Dienste bei besonderem Wohlverhalten gegenüber anderen bevorzugt und damit die bürgerliche Motivation des „Mehr-bekommen-wollens“ nach unten weitergereicht wird. Der aufrecht erhaltene Versorgungsdruck musste aber angesichts der vom freien Gütermarkt forcierten Produktivitätssteigerung immer „unnötiger“ erscheinen.
Dagegen half 1. eine ablenkende, immer stärkere ideologische Manipulation der allgemeinen und öffentlichen Meinung unterhalb der Ebene des immer engeren Kreises der Bürger, die noch „frei“ sind, weil sie die Gesellschaft zu gestalten vermögen. 2. Ein Drosseln oder Umlenken der Produktion auf die Herstellung von Güter, die nicht der Versorgung (im weitesten Sinne, die auch den tatsächlichen Umweltschutz einbeziehen würde) dienen. Kurz der Systemerhalt verlangt eine „ver-rückte“ Produktion für Verschwendung (Kriege, absurder Luxus, unsinnige Bauten wie Windmühlen etc.). Das führte wiederum zum Missverhältnis zwischen dem schon möglichen naturwissenschaftlich technischen Stand der Produktivität und der tatsächlichen, allgemeinen gesellschaftlichen Versorgungslage. Die Wahrnehmung dieses Missverhältnisses führt zu einem gesteigerten Unbehagen bei immer mehr abhängig Beschäftigten und zur Unzufriedenheit mit der politischen (gesellschaftlichen) Führung.
Wichtiger für die ursprüngliche bürgerliche Gesellschaft ist aber, dass die ursprüngliche „fortschrittliche“ Funktion des „freien“ Marktes, sich für die führende Bürgergruppe als systemsprengend (weniger bewusst, als hinderlich) erweisen musste. Das veranlasste die Gestaltungsmächtigen dazu, den Markt durch willkürliches Schöpfen/Vernichten und Verteilen von Geld (den Berechtigungsscheinen zum Zugriff gesellschaftliche Produkte) zu steuern. Die Mitglieder der gesellschaftsgestaltenden Gruppe verstehen sich aber noch als „freie“ Bürger, die – wenn auch in Clubs und (in)formellen Vereinigungen organisiert – nach wie vor miteinander im Wettbewerb um die höchsten Zugewinne stehen und vor allem daraus ihr Erfolgs-Selbstbewusstsein ziehen. Gewinne können bei gestoppter Produktivitätssteigerung aber nur noch durch die Umverteilung des in den unteren Schichten verbliebenen oder dort zuvor angesammelten Vermögens an die Spitzen der Gesellschaft gemacht werden. Dabei konkurrieren die „Freien“ sogenannten Superreichen um die Hebel des Staates oder staatsähnlicher Einrichtungen, an die sie oder ihre Oberbediensteten normalerweise über Kredit oder Geldzuwendungen gelangen. Schließlich wurden früher schon große Gewinne meist neben dem Markt aufgrund staatlicher Auflagen und Vorgaben erzielt (z.B. Zwangskonsum durch Öko-Auflagen wie die Häuserisolation, die gleichzeitig die Hauswände schädigt etc.). Weil zwischen den eigentlich Freien immer noch ein mit unterschiedlichem Erfolg geführter Wettbewerb um die Zugriffsmöglichkeiten auf die Vermögenswerte der Masse geführt wird, leugnen oder übersehen die im System Befangenen gerne die speziellen, auf den Machterhalt der Gruppe bezogenen (also nicht systemimmanenten) Absprachen und tun sie als „Verschwörungstheorien“ ab. Nach wie vor sollen sich für sie alle inhaltlichen gesellschaftlichen Belange wie zu Beginn der bürgerlichen Gesellschaft durch Wettbewerb auf einem „freien“ Markt, den es in dem Sinne nicht mehr gibt, regeln.
Die formalen Bedingungen der „Freiheit“ (einer „Nicht-Kommando-Wirtschaft) weichen damit zunehmend inhaltlichen Zwangsanweisungen durch die politische Zentrale der spätbürgerlichen Gesellschaft. Doch verschwindet diese in den Augen der Unselbständigen mehr und mehr hinter Bürokratien und Institutionen, auf die das ihnen zugestandene Wahlrecht keinen oder nur noch einen marginalen Einfluss ermöglicht. (an dieser Stelle käme die Parteien-Soziologie ins Spiel).
Als Beleg für die Vermögensumverteilung mit Hilfe des Staates soll hier ein längeres Zitat des verstorbenen Finanzexperten der Uni. Köln Prof. Dr. Karl-Heinrich Hansmeyer im Zusammenhang mit Steuerbelastungen durch Umweltschutz dienen. Er schrieb in: Henning von Köller (Hrsg.), Umweltpolitik mit Augenmaß. Gedenkschrift für Staatssekretär Dr. Günter Hartkopf, Berlin 2000. S 251ff: „Wo die Steuerlast letztendlich liegenbleibt, ist so gut wie nicht feststellbar. Die Steuer (das gleiche gilt für die heute willkürlich geschaffene Flut an Schuld-Geld, die für Hansmeyer noch nicht aktuell war) wird durch den Produktionsprozess unmerklich in der Volkswirtschaft verteilt. Das bedeutet nicht, dass der Zahlungsvorgang unmerklich ist, unmerklich wird aber die Verteilung der volkswirtschaftlichen Steuerlast…. Hier findet eine Reduktion des Verfügungseinkommens statt, ohne dass das normalerweise geltende Prinzip einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Platz greift. Verteilungspolitische Bedenken sind daher angebracht, zumal generell gilt, dass umweltrelevante Abgaben immer den Konsum oder die Produktion als Prozess betreffen, nicht hingegen das Einkommen als Ergebnis.“ Sein Resümee: „Damit erweist sich der Einstieg in die ökologische Steuerreform in der praktischen Politik als Tarnname für andere politische Ziele; man mag bezweifeln, wieviel das nun mit Umwelt zu tun hat.“ Er spricht hier offensichtlich die „unmerkliche“ Umverteilung von Vermögen an, wie sie heute in einem noch umfangreichen Stil durch die Geldschwemme auf Grundlage der Staatsverschuldung betrieben wird und demnächst mithilfe der erwartenden Belastungen aufgrund der Migrationsflut.
Da diese „unmerklichen“ Wohlstandsverschiebungen durchaus mehr oder weniger bewusst gespürt werden, aber nicht ihre Ursachen und deren Verursacher, steigert sich das Unbehagen in der Bevölkerung der abhängig Beschäftigten gegen die als Verursacher ausgemachte „politische Klasse. Die Bürger mit Gestaltungsmacht („Superreiche“) verbergen sich dabei hinter ihren „Operatives“ in Politik, Medien etc. Diese wiederum lenken den noch diffusen Volkszorn von sich ab auf die schwächsten Mitglieder Gesellschaft, auf Außenseiter, und politically incorrectly Denkende und auf Flüchtlinge oder angebliche Umweltschädlinge etc.
Selbst in Schweden, das sich bisher als das für Einwanderer offenste Land gezeigt hat, ist „politisch Unkorrektes“ geschehen. Bürger, die nicht mit den zu erwartenden Belastungen durch die unkontrollierte Massenaufnahme islamischer Migranten einverstanden waren, haben, weil ihnen andere Ausdrucksmöglichkeiten versagt waren, neun muslimische Flüchtlingszentren in Brand gesetzt, berichteten reißerisch die Powdered wig society und Jews News gleichlautend. Die Brandanschläge gab es. Die in der Berichterstattung benutzten falschen Bilder und der gewählte reißerische Ton bezeugen die aufwiegelnde Absicht. Sie ist genauso falsch wie die dagegen allerseits aufgewiegelte moralische Entrüstung. Beide Seiten handeln instrumentalisiert – doch von wem?
Zu diesem Punkt stieß ich zufällig auf ein interessantes Zitat in einem (mir abhanden gekommenen) Wissenschaftsblog: „Der Markt für politische Korrektheit ist ein symbolischer Markt auf dem Korrektheitsbekundungen zum Tausch (für besondere Bevorzugung HB) angeboten werden. Die Marktteilnehmer sind Personen, deren Bemühen darin besteht, sich als politisch korrekt und damit in ihren Augen als gut und in jedem Fall als getreue Vasallen einer (scheinbar, HB) moralischen Obrigkeit zu zeigen. In Ermangelung eigener Ideen (antizipieren) die Anbieter von Korrektheitsbekundungen ständig … die eigene Gutheit, deren adäquates Ausdrucksmittel ihnen durch moralische Hypes und Paniken… von der politisch-korrekten Führung geliefert werden“ und der sie sich durch ihr Verhalten empfehlen wollen.
Die aus Steuermitteln finanzierte Stadtbücherei Nürnberg ließ zum Beispiel mitteilen: „Aufgrund einer Entscheidung der Bibliotheks-Leitung wurden sämtliche Bücher, welche von Herrn Pirincci verfasst wurden, aus dem Bestand entfernt. Diese Entscheidung wurde mit Hinblick auf seine Äußerungen bei einer Pegida-Veranstaltung in Dresden getroffen.“ Da Bücherverbrennung seit 1945 als politisch inkorrekt abgestempelt wird, bedient man sich zur Bekundung der politischen Korrektheit der noch unbelasteten „Bücherentfernung“. Wozu? Zum Nachweis des korrekten systemrelevanten Verhaltens. Den gleichen Nachweis liefern die scheinbaren Proteste gegen die gebotene Politische Korrektheit, wenn sie die Notunterkünfte hilfsbedürftiger – aus welchen Gründen auch immer ins Land genötigter Menschen anzünden.
Das System der bürgerlichen Gesellschaft hat sich selbst überlebt. Wenn wir es nicht ändern, werden wir trotz allem individuellen nach Luft schnappen mit ihm untergehen.
2 Reaktionen zu “„Alles ist im Fluss“ (auch Gesellschaftsformationen)”
Danke. Und der Blog war science-files.org. VG
Ich möchte an dieser Stelle durch ein Zitat, das im Zusammenhang mit der verpatzten Olympiabewerbung Hamburgs getätigt wurde, die Denkungsweise der hier zitierten „scheinbar Selbständigen“ offenlegen.
Die Hamburger Kleinunternehmer Frederik und Gerrit Braun äußerten sich anläßlich der Wahlniederlage folgendermaßen:
„-….. Die letzten fünf Wochen waren eine reine Katastrophe. Fifa, DFB, Paris. Das hat alles zum schlechten Ergebnis beigetragen. Die Angst regiert die Leute derzeit einfach. Es wäre eine echte Sensation geworden, wenn wir 50,1 Prozent erreicht hätten. Die Deutschen sind sehr anfällig für die Panikmache: es könnte teurer werden. Es könnte unsicher sein. Es ist schade, dass die Leute eher den Angstmachern glauben, als denen, die ihnen Spaß versprechen. “
Angst gegen Spaß?
Ist das wirklich so?
Und wo bleibt die hier excellent geschilderte Wahrheit?
http://www.mopo.de/hamburg/olympia/kein-olympia-in-hamburg-frust-und-trauer-bei-spiele-fans-23207850-seite2