„Sterbende Gesellschaften häufen Gesetze an wie Sterbende Medikamente.“ Nicolás Gómez Dávila,
2. Januar 2016 von admin
McKinsey veröffentlichte kürzlich eine Studie: „Debt and (not much) deleveraging (Verschuldung gefährdet Finanzstabilität). Darin heißt es, es gäbe heute 57 Billionen Dollar mehr Schulden (von Haushalten, Gewerbe, Finanzinstitutionen und Staat) als noch im Jahr 2008, das habe weltweit das Verhältnis Schulden zu Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 17 Prozentpunkte angehoben. Der lauthals angekündigte Schuldenabbau ist in den vergangenen Jahren verfehlt worden. Was den Verschuldungsgrad anbelangt, liege Deutschland auf Platz 24 der 47 untersuchten Staaten. Zu Beginn der Finanzkrise lag die Verschuldung Deutschlands noch bei 180% des BIP, inzwischen bei 188%. „Und all das erwuchs, entwickelte und entfaltete sich unter sehr speziellen Bedingungen… in denen Geld zu Raten nah bei null erreichbar war. Es gibt Studentenschulden, Autoschulden, Gemeinschaftsschulden und Staatsschulden – und sie alle sind nun von diesem Milieu (der niedrigen Zinsen) abhängig, um zu überleben.“
Anders als in der übrigen Welt und im Gegensatz zu den Euro-Ländern Portugal, Spanien oder Griechenland hat Island in der letzten großen Finanzkrise im Jahr 2008 die Banken und das Finanzsystem nicht mit einem Rettungsschirm neuer Staatsschulden künstlich „gerettet“. Der isländische Staat traf unkonventionelle Maßnahmen: Die in Schieflage geratenen Banken wurden fallengelassen, zahlreiche Banker wanderten ins Gefängnis und ungedeckte, leichtfertig vergebene Kredite wurden einfach nicht zurückbezahlt. Zu Beginn des Jahres 2009 waren 80% der Unternehmen und rund 30 % der privaten Haushalte nicht mehr zahlungsfähig. Die Isländische Krone als Landeswährung stürzte ab, der freie Kapitalverkehr wurde eingeschränkt. Das Land wurde auf Kosten der Bürger, Unternehmen und Gläubiger grundlegend saniert. Im Auftrag des Ministerpräsidenten Sigmundur Davíð Gunnlaugsson hat eine Kommission der regierenden Fortschrittspartei Ende März 2015 einen Reformvorschlag für das isländische Geld- und Bankwesen mit dem Titel „Geldreform. Ein besseres Geldsystem für Island“ (http://www.forsaetisraduneyti.is/media/Skyrslur/monetary-reform.pdf) vorgelegt. Danach soll den privaten Banken das Recht der (Buch)Geldschöpfung durch Kredit, als Vergabe von Geld, das nicht zuvor verdient worden war, genommen werden und allein der unabhängigen Zentralbank übertragen werden.
Das heutige Geld auf den Girokonten der Banken ist in erster Linie Buchgeld. Dieses ist kein gesetzliches Zahlungsmittel, sondern ein Anspruch des Konto-Inhabers an die Bank (bzw. umgekehrt), nämlich auf Verlangen gesetzliche Zahlungsmittel auszuzahlen. Nach der isländischen Reform wird neu benötigtes Geld von der Zentralbank auf den Konten des Staates gutgeschrieben. Es handelt sich hierbei um eine zinsfreie Überlassung. Die Regierung bringt neu geschaffenes Geld durch öffentliche Ausgaben in den Geldkreislauf. Bankkredite müssen vollständig aus Geld bestehen, das zuvor verdient worden war und durch die Notenbank gedeckt ist. Man will so den privaten Banken das Recht zur Geldschöpfung nehmen und dieses allein der Notenbank übertragen, die dieses Geld nicht aufgrund politischen Drucks sondern aus volkswirtschaftlichen Gründen schafft. Ein solches Geldsystem heißt „Sovereign Money“ oder „Vollgeld“. Der Vorschlag würde – sollte er umgesetzt werden – eine Revolution im derzeitigen Finanzsystem bedeuten. Auch in der Schweiz gibt es eine Volksinitiative zur Umsetzung eines Vollgeldsystems. Statt auf die Redlichkeit der Bankiers will man nun das Vertrauen, das man den gewählten Politikern und ihren Institutionen nicht mehr entgegenbringt, auf die Redlichkeit des Management der Zentralbank und ihrer Kontrollierbarkeit setzen.
Ein jüngstes Beispiel für die wachsende Instabilität des Finanzsystems ist die Allianz-Fondstochter Pimco mit zuletzt 1,47 Billionen Dollar Kundengeldern einer der größten Anleihe-Investoren der Welt. Der einst gefeierte Vermögensverwalter hatte seit 2014 nach einem monatelangen Führungsstreit mehrere 100 Mrd. Dollar an Nettomittelabflüssen verbuchen müssen. Ob es dem Unternehmen nützt, sich neuerdings ein Beratergremium sogenannter hochkarätiger Experten zugelegt zu haben, die für die wachsende Verschuldung und Instabilität des Finanzsystems die Verantwortung tragen, wie die Ex-Notenbankchefs Ben Bernanke und Jean-Claude Trichet, den ehemaligen britische Regierungschef Gordon Brown dazu den ehemalige Chef des Staatsfonds Singapurs, Ng Kok Song, und die Princeton-Professorin und Chefin der Denkfabrik New America, Anne-Marie Slaughter, ist eher zweifelhaft.
Nach einer vereinfachten Rechnung muss man in der westlichen Führungsnation heute, wenn man sich als Arbeiter ein Haus oder ein neues Auto leisten möchte, etwa doppelt so viel Zeit in Arbeit investieren als noch vor 40 Jahren. Wie konnten so viele Menschen in der mit der größten Produktivitätssteigerung in der Geschichte der Menschheit ärmer werden? Der Durchschnittsamerikaner hat heute ein geringeres, verfügbares und reales Einkommen, als er es noch vor 40 oder 50 Jahren hatte. In Deutschland ist es vielleicht nicht ganz so schlimm, wenn man vom sogenannten Prekariat und den vielen jungen Leuten absieht, die Jahre lang als Praktikanten hingehalten werden. Da ist es wohl natürlich, wenn Zuversicht und die Zustimmung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen darunter leiden oder gar Wut aufkommt.
Dem entsprechend wächst der Vertrauensverlust in die „Hochkarätigen“ an. Eine interne Analyse der deutschen Sicherheitsbehörden, die der Bild-Zeitung (17.12.) vorliegen soll, warnt vor einem Bruch im Zusammenhalt der Gesellschaft und erwartet eine steigende Gefährdung verantwortlicher Politiker auf Bundes- und Landesebene, von Leuten, die einmal „gewählt“ worden sind. Es käme „zunehmend zu Straftaten gegen Landes- und Bundespolitiker und sonstige als politisch verantwortlich empfundene Personen in Form von Beleidigungen, Nötigungen bis hin zu objektbezogenen Straftaten durch politisch motivierte oder irrational handelnde Personen“. Man schiebt das gerade auf das Flüchtlingsproblem. Auslöser dürfte aber die im Gegensatz zur Berichterstattung der anerkannten Medien empfundene allgemeine wirtschaftliche und politische Rückwärtsentwicklung der Gesellschaft zu Gunsten weniger Superreiche sein. Auch hier trifft der im Westen vielgeschmähte russische Präsident Wladimir Putin den Kern des Problems besser als unsere Hochkarätigen. In dem Interview des TV-Senders Rossiya 1 sagte er am 20.12.: Europa hat darauf verzichtet, eine selbständige Politik zu betreiben. Wörtlich „Es hat darauf eigentlich überhaupt verzichtet und einen Teil seiner Souveränität, vielleicht einen der wichtigsten Teile, an den Block delegiert… „Dabei ist dieser Teil der Souveränität nicht einmal an die Nato, sondern an den Nato-Spitzenvertreter, die Vereinigten Staaten, delegiert worden.“ Und Putin weiter. „Wir erwarten von unseren Partnern in Europa nicht, dass sie ihre euroatlantische Orientierung aufgeben werden.“ Sie sollten sich aber nicht nur noch auf das Abnicken beschränken. Leute die den Kopf nur noch zum Nicken und zum Haareschneiden zu benutzen scheinen, haben die Verachtung der Bevölkerung verdient.
In seinem Buch Legalität und Legitimität von 1932 beschrieb Staatstheoretiker und „Hitlers Kronjurist“ Carl Schmitt wie eine Demokratie zur Despotie verkommen kann. Der Weg ist relativ einfach: Eine politisch einflussreiche Gruppe benutzt eine Krisensituation, um den Ausnahmezustand mit der Angabe auszurufen, der Staat sei in seiner Sicherheit gefährdet. Dem „Ausnahmezustand“ entspricht eine „Bedrohungsrhetorik“, die „immer auch Ermächtigungsrhetorik“ ist und die rechtfertigen soll, „die Regeln der Demokratie außer Kraft zu setzen.“ Für Carl Schmitt muss, damit nicht unbedingt eine willkürliche Despotie entsteht, solange im Ausnahmezustand die Logik der Sache an die Stelle des Rechtes tritt, „deren Richtigkeit in ihrer Zweckmäßigkeit liegt.“ Der „Erfolg“ rechtfertigt die Aussetzung des Rechtes im Ausnahmezustand – eine höchst zweideutige Forderung.
Denn der Erfolg misst sich am Zweck. Nicht immer ist der in der „Bedrohungsrhetorik“ angegebene Zweck auch der tatsächlich angestrebte. Dieser ist nach dem alten Bibelspruch nur „ an ihren Früchten zu erkennen“. Dass die eingeleiteten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, nicht – wie angegeben – das Problem der Verschuldung gelöst, sondern verschärft haben, ist inzwischen ebenso offensichtlich, wie die Tatsache, dass die einzigen Profiteure der Maßnahmen die obersten 0,1 Prozente der Reichsten waren. Und weltweit wurde die Sicherheitslage nahezu ins Chaos gestürzt. Die europäische Politik zeigte sich als unfähig oder unwillig, für die Strukturkrise der gemeinsamen Währung eine nachhaltige Lösung zu finden. Sie brachte nur kurzfristige Notlösungen zu Stande, die längerfristig nichts gelöst haben. Ihre Austeritätspolitik hat die Konjunktur nicht „angekurbelt“, sondern äußerst effektiv abgewürgt (Vgl. u.a. http://www.flassbeck-economics.de/ 17.,18.12). Der wirtschaftliche Ausnahmezustand ist zum Normalzustand geworden und wurde durch die Flüchtlingsproblematik nur noch verschärft. Im Zuge dessen zerbröseln die demokratischen und rechtsstaatlichen Fundamente der EU zusehends.
Die entscheidenden Gremien des europäischen Ausnahmestaates (Eurogruppe, EZB-Rat, etc.) tagen normalerweise im Geheimen, ohne dass die Öffentlichkeit Einblick in die Verhandlungen erhält. Es gibt keine Protokolle und damit keine demokratische Transparenz. Bekannt werden nur die Resultate. „Sie (die Eurogruppe) ist niemandem Rechenschaft schuldig, da sie juristisch nicht existiert; es werden keine Aufzeichnungen erstellt; und sie ist vertraulich. Also kein Bürger weiß jemals, was dort gesagt wird… Das sind Entscheidungen über Leben und Tod, und kein Mitglied ist irgendjemand eine Antwort schuldig.“ Hinzu kommt der von Putin geäußerte Eindruck, dass diese Gremien gar nicht aufgrund eigener Sachkenntnis oder Sachanalyse entscheiden, sondern auf Anweisungen – nicht notwendiger Weise der US-Regierung, sondern eher der ihrer Geldgeber, der sechs oder sieben Bankvorstände im Zentrum der Hochfinanz, die letztendlich auch über die Geldschöpfungsmöglichkeiten der nachgeordneten Privatbanken entscheiden.
Nehmen wir ein anderes Beispiel. Die ARD brachte per Teletext am 12.12.2015 um 23,15: „In Paris hat sich die Weltgemeinschaft zum ersten Mal auf ein verbindliches Abkommen zum Klimaschutz geeinigt. Die fast 200 Teilnehmerländer verpflichten sich, von 2020 an die Erderwärmung auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen. Vorgesehen ist ein Umbau der weltweiten Energieversorgung und eine Abkehr von Kohle und Öl, um den Ausstoß gefährlicher Treibhausgase zu drosseln. Die selbstgesteckten Klima-Ziele der einzelnen Länder sollen alle fünf Jahre überprüft und nachgebessert werden.“ Aber was wurde tatsächlich vereinbart? Die Abkehr von Kohle und Öl als „selbstgestecktes Klima-Ziel“. Selbstgesteckt? Nun, man entscheidet selber, wann, wie und zu welchem Grad man „abkehrt“ und wozu hat man sich verpflichtet? Und man verpflichtete sich, diese selbstgesteckten Ziele alle fünf Jahre zu überprüfen und nachzubessern. Abgesehen von der „Bedrohungsrhetorik“ der gesamten Klimablödelei handelt es sich bei dieser Art von „Berichterstattung“ um direkten Betrug zur Gängelung der Kunden (wie wahrscheinlich bei dem Terrorszenario in München an Silvester). Der britische Guardian beschrieb die Pariser Weltentscheidung am 12.12. ganz anders: „It’s a fraud really, a fake. It’s just bullshit for them to say: ‘We’ll have a 2°C warming target and then try to do a little better every five years.’ It’s just worthless words” (Betrug, Täuschung, Unsinn und wertloses Gerede).
In China wird gehandelt. Hier gingen im Jahr 2015 acht neue Kernkraftwerksblöcke (KKW) in Betrieb (das Land nimmt damit nach Anzahl der KKW-Blöcke den 3. Platz nach den USA und Frankreich ein). Die chinesische Regierung verfolgt ihr Programm bis 2021 im Land eigene KKWe mit einer Leistung von insgesamt 58 000 MW zu betreiben, und verhandelt mit Argentinien, Rumänien, Iran, Jordanien, Kenia, die Republik Südafrika und sogar Großbritannien, um dort chinesische KKWe zu bauen. Nach neuen Plänen will Japan (trotz echter und nicht vorgetäuschter Tsunami-Gefährdung) in nächster Zeit insgesamt 21 KKW-Blöcke in Betrieb nehmen. Im russischen Beloyarsk ging mit dem BN-800 eine neue Generation eines Schnellen Brutreaktors in Betrieb. Es handelt sich um die Vorform eines Transmutationsreaktors, in dem strahlendes Material – sogn. Atommüll – neutralisiert (nicht mehr strahlend gemacht) werden kann. Indien plant die Inbetriebnahme eines eigenen schnellen Brutreaktors für das kommende Jahr. Das bevorstehende Jahr 2016 verspricht, laut Wladimir Krustaljow in der Zeitschrift Odnako, vom 8. 12. 2015 für die Kernenergie noch interessanter zu werden als das abgelaufene.
Das Leben geht weiter, auch wenn einige von uns das nicht wollen.