Über allen Gipfeln noch keine Ruh
15. Juni 2018 von admin
Zwei Arten von Gipfeltreffen erlebte die Welt gerade in der neuen Ost-West-Auseinandersetzung. Auf dem G 6+1 Gipfel der Welt-Unipolisten in La Malbaie, Kanada, kam es zum Krach. Dagegen verlief das Treffen der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit (SCO), der Welt-Multipolisten, im chinesischen Qingdao, der Heimat von Konfuzius, friedlich und konstruktiv. Der Kontrast ist offensichtlich. Ist er indikativ für den Zustand der Welt, in der wir gerade leben?
Der berufsmäßige Star in Kanada, US-Präsident Donald Trump, benahm sich „daneben“. Er kam zu spät und ging zu früh. Er mied das vorgesehene Arbeitsfrühstück. Stellte sich in Vielem quer zum Rest der Gipfelteilnehmer. Er proklamierte wie üblich den „Freihandel“ ohne Barrieren und Zölle, obwohl er gerade erhebliche Zölle auf Stahl- und Aluminium gegen Europa und Kanada verhängt hatte. Er wollte Russland wieder in die G8 aufnehmen, worin Putin inzwischen offensichtlich keinen Nutzen mehr erkennen kann, was aber Angela Merkel auf die Palme brachte: Keinesfalls, solange Moskau die Vereinbarungen von Minsk nicht respektiert! Tatsächlich hintertreibt das Abkommen der Westliebling Poroschenko in der Ukraine. Aber genau hinsehen, wenn es um Russland-Bashing geht, ist die Sache des Westens nicht – siehe den Unterschied zwischen Annexion oder Sezession z.B. in Bezug auf die Krim nach dem verfassungswidrigen Putsch in der Ukraine. Trump unterschrieb erst das Abschlusskommuniqué und tat es dann doch nicht.
Jedoch am schlimmsten: Nach dem offiziellen Gruppenfoto fasste der US-Präsident den neuen italienischen Premierminister Giuseppe Conte am Arm und sagte laut, damit es die anderen hören konnten, und begeistert: „Sie hatten einen großartigen Wahlsieg!“ Das zu Conte! einer Art „linken“ AfD Mann Italiens. Trump und Conte wollen sich gegenüber Russland öffnen. Merkel und Anhang glauben, von leerem Gerede abgesehen, dies auf keinen Fall zu dürfen. Merkel hatte einen etwa zwei Wochen lang dauernden „geteilten Evaluierungsmechanismus“ vorgeschlagen, um den sich abzeichnenden Handelskrieg zu entschärfen. Trump gab sich desinteressiert.
In Qingdao hatte der chinesische Präsidenten Xi Jinping zum Imbiss eingeladen und zu Beginn den Versammelten der SCO-Konferenz unter anderem gesagt: „Sowohl Präsident Putin als auch ich sind der Meinung, dass die umfassende strategische Partnerschaft zwischen China und Russland reif, fest und stabil ist.“ Was ist daran erwähnenswert? Nun, von „umfassende Partnerschaft“ war bisher immer schon die Rede. Dass sie nun auch eine „strategische“ sein soll, war das Unerhörte. Xi unterstrich es noch mit den Worten: „Es ist die höchste Ebene, tiefste und strategisch wichtigste Beziehung zwischen den großen Ländern der Welt.“ Auch er gestattete sich eine persönliche Geste und wandte sich Putin zu: „Er ist mein bester, mein intimster Freund.“
Wie immer bei solchen Gelegenheiten ging es auch ums Geschäft. Die Chinesen schlossen solche mit dem russischen Nuklear-Konzern Rosatom ab, um fortschrittliche Nukleartechnologien zu erhalten und Kaufverträge über Komponenten abzuschließen, die China im Westen gegen Dollar nicht beziehen kann. Auch das ist eine Konkretisierung der neuen Eigenschaft „strategisch“.
Interessant ist auch das trilaterale Sondertreffen zwischen Russland, China und der Mongolei auf dem SCO-Meeting. Man einigte sich auf neue, große Anstrengungen beim Ausbau des Wirtschaftskorridors China-Mongolei-Russland – einem der Hauptpfeiler der Neuen Seidenstraß oder der „Belt and Road Initiative“ (BRI) Die Mongolei wurde als wichtiger Vermittler der russischen Gaslieferungen nach China hinzugezogen und ergänzt die bisherigen Pipelines der Gazprom aus Blagoweschtschensk, Wladiwostok und Altai. Russland braucht keine Erdgaskunden in Europa, wenn die unbedingt meinen, auf teures amerikanisches Flüssiggas umsteigen zu sollen.
Außerdem wollen russische und chinesische Unternehmen gemeinsam im nordrussischen Jamal eine Flüssiggas-Anlage im Wert von rund 27 Milliarden US-Dollar (USD) errichten. Der Grund für dieses Riesenprojekt? Putin und Xi wollen den Nordmeer-Seeweg mit den dortigen Tiefwasserhäfen Murmansk, Archangelsk und anderen ausbauen und modernisieren. Im Grunde geht es um die gemeinsame Bergung von Rohstoffen aus der Arktis. Natürlich ging es auch um die Ausweitung des Handels zwischen Russland und China im Wert von derzeit jährlich 86 Milliarden USD auf demnächst 100 Milliarden USD. Angedacht wurde ein Wert von 200 Milliarden USD schon im Jahr 2020.
Der rasante Ausbau der „Interkonnektivität“ der BRI und der von Russland angeführten Eurasia Economic Union (EAEU) – wobei zu berücksichtigen ist, dass die SCO sowohl mit dem BRI Projekt wie mit der EAEU verbunden ist – lassen die „Russland Sanktionen“ als das erscheinen, was sie sind, ein erbärmlicher diplomatischer Missgriff, der vorwiegend die EU und nicht Russland treffen soll.
Die SCO war 2001 als eine „Low-Profile-Organisation“ gedacht gewesen, die leidliche Grenzstreitigkeiten zwischen China, Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken beheben sollte. Inzwischen ist daraus eine globale Wirtschaftsmacht geworden, die das BRI-Projekt zur Einigung und Entwicklung des afro-eurasischen, oder wenn sich Europa ziert, des nahost-afro-asiatischen Wirtschaftsraums voranbringt. Die Unternehmen der SCO- und der BRI-Länder werden zunehmend ihre Handelsverträge über ihre eigenen Währungen und die Clearingstellen des BRI-Projekts, die als E-Commerce-Plattform vorgesehen ist, abwickeln. Der Dollar und der Euro werden dabei hinten „‘runterrutschen“.
Am Rande der SCO Konferenz ging es auch um den Iran, der einen Beobachter Status innehat. Putin bekräftigte erneut, dass er das Land als Vollmitglied aufnehmen will. SCO-Vollmitglieder müssen satzungsgemäß einstimmig aufgenommen werden. Der einzige Quertreiber ist Tadschikistan, dessen Präsident Emomali Rahmon kürzlich zugestimmt hat, dass Saudi-Arabien zu 51% die größte Bank Tadschikistans übernimmt, weil niemand sonst das benötigte Geld aufbringen wollte. Riad erkaufte sich und seinem Herrn damit Einfluss in dem Gebiet, wird aber die größere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Iran, Russland und China nicht verhindern können, und das trotz der Turbulenzen, welche die Kündigung des Atomabkommens durch die USA dem Iran bescheren dürfte. Im Grunde geht es der SCO darum, einen ganz Asien umfassenden Friedensprozess zwischen Russland, China, Indien, Pakistan, Iran und Afghanistan ohne die bisher störenden Einmischungen des Westens zustande zu bringen. Daran arbeitet die besonders eingerichtete SCO-Afghanistan-Kontaktgruppe. Hatte sie den Erwerb der Bank Tadschikistans durch Saudi Arabien übersehen oder glaubt man das Land eines „Osama bin Ladin“ und „Mohammed ibn Salman“ als Partner hinzugewinnen zu können? Seit der Kritik des Kronprinzen Salman an der US-Außenpolitik Obamas (laut New York Times von 16.102016) und dem guten Verhältnis zu Trump ist das nicht ganz ausgeschlossen.
Der Streit der G6+1 in Kanada signalisiert den Zerfall der alten marktgesellschaftlichen, unipolar ausgerichteten Ordnung des Dollar/Euro-Systems, während sich bei dem Treffen in der Heimat des Konfuzius in der Zusammenarbeit zwischen BRI, EAEU, SCO und BRICS eine neue multipolare, aber kooperative Wirtschaftordnung ankündigt. Die G7 hält der scheinbar „freie“, nun durch neue Zollschranken in Frage gestellte Handel zusammen. Dessen „Freiheit“ wird über das fiktive Zahlungsmittel USD („fiat money“) gesteuert, wobei die Wertsubstanz dieses Schuld- oder Kredit-Geldes allein durch die vermeintliche „totale militärische Überlegenheit“ der USA garantiert wird. Das neue System, stützt sich vorerst auf einen durch Gold und Öl-Futures gedeckten Yuan, bis ein (weitgehend noch unbekannter) Clearing-Mechanismus die wirtschaftliche Zusammenarbeit regeln soll. Das neue System wird von den senilen Pseudo-Demokraten der EU und ihren aggressiven Führungsoffizieren, der US-„Schattenregierung“, als autokratisch verlästert.
Der „unberechenbare“ Trump mit seinem widersprüchlichen Verhalten scheint die G6 bereits für das zu halten, als was sie sich darstellt, als geifernde, zahnlose Greise*Innen. Er scheint zu versuchen, sich mit China, Russland und eventuell Indien, dem harten Kern der BRICS zu arrangieren. Trump macht kein Hehl daraus, dass er die Führungsqualitäten von Putin und Xi schätzt und Merkel, Macron, Mai etc. für inkompetente Schwächlinge hält, die unfähig sind, das Verschuldungsproblem in Europa anständig in den Griff zu bekommen. Das war möglicherweise der Grund, sich mit dem Nordkoreaner als dem Türsteher an der Hintertür nach Peking zu treffen, während die Europäer die andere Tür, Russland, nach Kräften verriegeln. Dem widerspricht allerdings der 25% Zoll auf chinesische Waren, wenn der nicht auch einer der seltsamen Verhandlungstricks Trumps ist.
Auch gibt es da noch die alte Schattenregierung aus Finanz-, Rüstungs- und Überwachsungsindustrie (Silicon Valley), die den US-Präsidenten noch immer fest im Griff hat. Sie fordert vorwiegend aus Geschäfts- aber auch schon aus Überlebensinteresse von ihren „G6-Verbündeten“ den Kalten Krieg gegen China und Russland ein und bereitet möglicherweise mit Georgien, Ukraine, dem Baltikum und anderen sogar einen Heißen vor.