Wo Rauch, da auch Feuer
28. März 2015 von admin
Ein weiteres Land wird “befreit”. 2009 haben die Saudis im Jemen ihre „Diktator“ Abdullah Saleh durch den US-Wunschkandidaten Al Khalifa Hadi ersetzt und Jemen zum potentiellen Aufmarschgebiet gegen den Iran ausgebaut. Die Zaydi Schiiten, die Mehrheit in dem armen Lande, waren damit nicht einverstanden und vertrieben dieser Tage die US-Marionette. Jetzt stehen 150.000 saudische Truppen mit schwerem Gerät an der jemenitischen Grenze und saudische Bomber bombardieren Stellungen im Jemen. Die USA sagen „logistical and intelligence support“ zu. Die dünne, in Saudi-Arabien herrschende Oberklasse mit einem Heer schiitischer Sklaven im Land spielt mit dem Feuer, wie 2011 als saudische Panzer den Protest in Bahrein vorsichtshalber „westdemokratisch“ niederwalzten. Die Herrscher-Clique muss der westlichen Weltpolitik gehorchen, um gegen die Mehrheit ihrer Untertanen am Ruder und im Luxus gehalten zu werden. Handelt es sich um die Zündung eines weitergehenden Krieges: Saudi gegen Iran oder Sunniten gegen Schiiten, entsprechend dem Oded Yinon Plan von 1982 weiterentwickelt von Moshe Yaalon im Jahr 2014, um die ganze Region zu balkanisieren und im Chaos versinken zu lassen, wie Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien usw.?
Insgesamt ist es kein Krieg “fernab in der Türkei” mehr. Einige übersetzte Schlagzeilen der „Weltpresse“ (der deutschen glaubt ja kein vernünftiger Mensch mehr) lässt ein anderes, jetzt zur Chaotisierung vorgesehenes Gebiet erkennen: “US, Bulgarien Militärmanöver auf dem Balkan”, “NATO beginnt Militärübungen im Schwarzen Meer”, “Die Armee schickt noch mehr Truppen, Panzer nach Europa”, “Polen erbittet größere US Militärpräsenz”, “U.S. Army schickt Panzerfahrzeuge 1100 Meilen durch Europa”, “Über 120 US Panzer und gepanzerte Fahrzeuge landen in Litauen”, “US, Polen führen im März Raketenmanöver durch.” Und: Von US-Präsident Barack Obama wurde (laut Münchner Merkur 20.3.) die Entsendung von 800 Ketten- und Radfahrzeugen angeordnet, die unter anderem im bayerischen Grafenwöhr, unweit der früheren innerdeutschen Grenze, stationiert werden sollen. Immer mehr Informationen über US-amerikanische Truppenaktivitäten dringen an die Öffentlichkeit. Die meisten betreffen das Baltikum, Polen und den Balkan.
In Berlin beginnen die Knie zu schlottern. Man raffte allen vielleicht doch noch vorhandenen Mut zusammen und wirft dem Oberbefehlshaber der NATO in Europa, Philip M. Breedlove, vor, er stelle die militärischen Aktivitäten Russlands in der Ostukraine völlig überzogen dar. Am 12. 11 2014 hatte Breedlove z.B. erklärt, russische Truppen und Panzer seien in die Ukraine einmarschiert. Das war eine dreiste Lüge. Sie wurde von der BBC und anderen Massenmedien weltweit verbreitet. US-General Ben Hodges, Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa, hat im Januar 2015 ein Militärspital in Kiew besucht und verwundete ukrainische Soldaten mit Tapferkeitsabzeichen der US-Armee dekoriert. Er machte damit symbolisch klar, dass die USA aktive Kriegspartei in der Ukraine sind. Hat der Schweizer Stratege Prof. Daniele Ganser also Recht, wenn er in einem Interview sagt: „US-Generäle wie Breedlove versuchen, einen Krieg vom Zaun zu brechen, in welchem sich Deutsche und Russen gegenseitig töten, damit beide Länder geschwächt werden.“ „Wieder einmal“, könnte man ergänzen.
Ganser bezieht sich dabei auf Georg Friedman, Chef des „privaten“ Think Tanks STRATFOR, der genau das in einem Vortrag am 4.2 2015 dem Chicago Council on Global Affairs vorgeschlagen hatte. Deutschland und Russland seien vereint die einzige Macht, welche die USA bedrohen könnte. „Unser Hauptinteresse besteht darin sicherzustellen, dass dieser Fall nicht eintritt… Die USA können als Imperium nicht andauernd in Eurasien intervenieren. … Ich empfehle eine Technik, die von Präsident Ronald Reagan gegen Iran und Irak eingesetzt wurde: Er unterstützte beide Kriegsparteien!“ Man sollte also laut Friedman wie im Nahen Osten verschiedene Länder Eurasiens gegeneinander aufbringen, um zu verhindern, dass sie zusammenarbeiten und sich verbünden. Friedman ist nur der letzte in einer Reihe von West-Strategen, die genau dieses gefordert und betrieben haben. Es begann 1904 mit dem britischen Plan des Geostrategen der Milner-Gruppe, Sir Halford John Mackinder, der uns zwei „Weltkriege“ zwischen Deutschland und Russland eingebracht hat – natürlich propagandistisch unter anderen Begründungen und mit anderen ausgewiesenen „Schuldigen“ (aber eigentlich: „politischen Deppen“). Nach 1945 wurde das gleiche Konzept in den USA schon früh – als es dafür keine objektiven Anzeichen gab – von verschiedenen Strategen aufgegriffen. Später wurde der aktualisierte Plan als Wolfowitz Doktrin offiziell in die Defense Planning Guidance der USA aufgenommen und von der New York Times am 7. März 1992 an die Öffentlichkeit gebracht: “Unser erstes Ziel ist es zu verhindern, das weder auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion noch anderswo sich ein neuer Rivale mit dem gleichen Bedrohungspotential der früheren Sowjet Union erhebt. Dies ist der alles beherrschende Gesichtspunkt unserer neuen Verteidigungsstrategie in den (Welt)Regionen und verlangt, dass wir jede Macht daran hindern, eine Region zu dominieren, deren Ressourcen unter verdichteter Kontrolle ausreichen könnte, eine globale Macht entstehen zu lassen“. Ausführlicher hat die Doktrin der Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski in seinem Buch Die Einzige Weltmacht (1997 mit einem Vorwort von Hans-Dietrich Genscher) und einer Reihe weiterer Bücher dargelegt.
Nun hat gerade Wladimir Putin auf der Wehrkundetagung in München 2001 und bei verschiedenen anderen Gelegenheiten vorgeschlagen, einen vereinigten Handelsraum von Lissabon bis Wladiwostok einschließlich China (mit einer Schnellbahnnetz-Verbindung auch Magnetbahnen!) zu bilden, um die Kontrolle durch die Seemächte auszuschalten (wie im Mackinderplan befürchtet). Es ging ursprünglich um den Handelsraum Eurasien und nicht um eine chinesisch-russische Allianz gegen die NATO. Zu der kam es erst durch die Besetzung Afghanistans durch die NATO, deren eigentliches Ziel es war, einen geostrategischen Keil zwischen die größten eurasischen Länder Russland, China und Indien zu treiben. Genau das Gegenteil wurde damit bewirkt. Nach dem ursprünglichen Plan lief die US-Strategie auf die Teilung Eurasiens in drei einander zu bekämpfenden Blöcke hinaus: ein mit den USA verbündetes Westeuropa (von Brzezinski als „Vasallen“ bezeichnet), ein wirtschaftlich zerrüttetes Russland (initiiert durch westliche Berater unter Jelzin) und ein vom neu aufzurüstenden US-„Vasallen“ Japan in Schach gehaltenes China. Dies Konzept durchschaut, (in München 2001) offen angesprochen und vorerst vereitelt zu haben, ist der eigentliche Grund der beispiellosen Putin-Hetze, die alles übertrifft, was der Westen und seine Medien gegen sowjetische Führer im Kalten Krieg herumposaunt hatten.
Auch diese Variante des Mackinder-Plans beginnt nun zu scheitern. In Westeuropa scheinen Deutschland und Frankreich trotz der Nibelungentreue zu den USA die Gefahr, in einen Krieg mit Russland getrieben zu werden, zu erkennen und zaghaft verhindern zu wollen. Davon zeugen die deutsch-französischen Bemühungen um das Minsk-Abkommen und die erwähnte Kritik am NATO-Oberbefehlshaber Breedlove. Dazu zerbricht die Maidan-Allianz in Kiew in einem Streit der Ukraine-Diadochen (Oligarchen) um die Konkursmasse des Landes. Das wichtigste Zeichen ist wohl das Treffen der Außenminister der drei in Inselstreitereien und Aufrüstungsdrohgebärden gegen einander aufgebrachten Länder China, Japan und Südkorea am 21.3. in Seoul. Die Chefdiplomaten dieser drei wichtigen Länder Ostasiens trafen sich nach drei Jahren wieder, um einen „trilateralen Kooperationsmechanismus“ zur „Stabilisierung der Region“ in Gang zu bringen.
Es gibt einen weiteren Hinweis auf das Scheitern des von den USA aufgegriffenen Mackinder Plans: Im Oktober 2014 hatten die BRICS-Staaten und die Shanghai Cooperation Organisation die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) mit Sitz in Peking gegründet. Weitere Gründungsmitglieder waren, Bangladesch, Brunei, Kambodscha, Kasachstan, Kuwait, Laos, Malaysia, die Mongolei, Myanmar, Nepal, Oman, Pakistan, die Philippinen, Katar, Singapur, Sri Lanka, Thailand, Usbekistan und Vietnam. Indonesien hatte die Teilnahme zunächst auf westlichen Druck hin abgelehnt, sich dann eines anderen besonnen. Auch Australien, Südkorea und nun sogar vielleicht noch Japan wollen nach anfänglichen Vorbehalten einschwenken. Wahrscheinlich sind diese Länder inzwischen die „bomb-and-bully“ Außenpolitik der westlichen Supermacht leid.
Alle Länder sind eingeladen, der AIIB beizutreten, sagte Chinas Vize-Finanzminister Shi Yaobin am 25.3. „Die AIIB ist eine offene und umfassende multilaterale Entwicklungsbank… China steht diesbezüglich in Verbindung mit Australien, der Republik Korea, den USA und Japan… Aber China wird deren Entscheidung respektieren, ob und wann sie sich beteiligen wollen… China ist bereit die Kommunikation mit diesen Ländern unter bilateralen oder multilateralen Wirtschaftsdialog-Mechanismen zu stärken und mit bereits vorhandenen multilateralen Organisationen wie der World Bank (WB) und der (westlichen) Asian Development Bank (ADB) zusammenzuarbeiten.“ Die AIIB ist laut The Economist vom 13.3. die Antwort auf die Forderung der Chinesen und anderer während der Wirtschaftskrise von 2007ff nach einer Reform des Weltwirtschaftssystems, die vom Westen zwar versprochen aber nicht geliefert worden ist. China beansprucht im AIIB-Vorstand kein Veto-Recht und bietet einen „offenen, transparenten und effizient multilateralen Entscheidungs-Mechanismus“ an. „Die AIIB wird die Erfahrungen der multilateralen Entwicklungsbanken wie der Weltbank und der ADB berücksichtigen, um deren Fehler zu vermeiden und bessere Standards zu bieten,“ sagte Shi auch noch.
Großbritannien wagte es als erstes „westliches“ Land – sehr zum Unmut der Amerikaner – seinen Einstieg bei der Bank mit 50 Milliarden Dollar am 13.3. bekanntzugeben. Das ist nicht ganz so erstaunlich, wie es wegen der „Sonderbeziehungen“ zwischen US und UK erscheint. Denn schon im Oktober 2013 hat London City mit der UK-Regierung für China die ersten Renminbi denominierten Anleihen aufgelegt. Im Gefolge sollen sich nun auch Frankreich, Deutschland, Italien, Luxembourg und die Schweiz um eine Beteiligung an der AIIB beworben haben. Die US-Regierung warf den Briten nach Angaben eines hohen US-Beamten, der nicht namentlich genannt werden will, laut The Financial Times vor, geschäftliche Vorteile über geopolitische Erwägungen zu stellen. Das US-Finanzministerium hatte der AIIB unterstellt, sie laufe Gefahr, zu einer Einrichtung mit „niedriger Qualität“ zu werden (im Zuge der im Westen verbreiteten (erfundenen?) Warnungen vor einem wirtschaftlichen Absturz in China). Die Amerikaner sehen in der Bank eine Konkurrenz zur Weltbank und zur ADB, die beide traditionell von Washington und Japan dominiert werden. Die Weltbank ist, wie der IWF, in Misskredit geraten, weil sie ihre Kredit-Vergabe nicht am Bedarf der Regionen, sondern nach den Vorstellungen der US-Außenpolitik ausrichtet. Auch das Wall Street Journal hatte bereits berichtet, dass Washington aktive Lobbyarbeit gegen die AIIB betreibe – mit wenig Erfolg, wie man sieht.
Die AIIB will Finanzierungen im Wert von Billionen derzeitiger Dollars für eine rasche Entwicklung von Straßen, Eisenbahn, Wasser- und Elektrizitäts-Versorgungssysteme und elektronische Kommunikation in ganz Asien zu möglichst günstigen Konditionen sicherstellen. Vom geopolitischen Standpunkt haben China und Russland damit die USA (ähnlich wie zuvor in Syrien) ausmanövert. Die wirtschaftlichen Entwicklungschancen treiben einen Keil zwischen die wirtschaftlich (wegen Überschuldung) bereits angezählten NATO-Verbündeten und Amerikas verbliebene Alliierte im Pazifik.
Und was ist in Brüssel davon zu halten, dass sich zur Zeit drei griechische Minister in China, um den Besuch von Premierminister Tsipras im Mai, und zwei weitere in Moskau befinden, um die Reise Tsipras im April vorzubereiten. Wird Griechenland „herausgebrochen wie die Krim“ (nach einer 97% Wahlentscheidung der Krim-Bürger!) und sich den BRICS-Staaten anschließen? Noch ist Amerika nicht zuletzt wegen seiner Kriegsbeteiligung in der Ukraine von der AIIB ausgeschlossen. Vielleicht geben die USA ihre bisherige Kriegstreiberei auf, weil ihnen die Verbündeten davonlaufen, und beteiligen sich ebenfalls an der von der AIIB initiierten Eurasischen Kooperation zur Umgestaltung Eurasiens zu einem einheitlichen Handels- und Entwicklungskomplex. Schon rät der Council on Foreign Relations, wenn auch nur andeutungsweise, zum Mitmachen. Doch wenn man an die dort herrschende Finanzclique denkt, kommen einem Zweifel.
Aber wie Hölderlin in der Hymne Patmos sagte: „Nah ist und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Man muss es nur ergreifen wollen.
3 Reaktionen zu “Wo Rauch, da auch Feuer”
„Die dünne, in Saudi-Arabien herrschende Oberklasse mit einem Heer schiitischer Sklaven im Land spielt mit dem Feuer, …“
Laut Wikipedia sind nur 10% – 15% der Einwohner Saudi-Arabiens Schiiten.
Ansonsten guter Artikel.
Haben Sie nicht Sunniten und Schiiten durcheinander gebracht? Laut Wikipedia sind die Mehrheitsverhältnisse andersherum. Mehr Sunniten als Schiiten?
Es gibt dort viele shiitische Gastarbeiter, die nicht gemeldet/gezählt werden.
Die geneuen Verhältnisse kennt wohl niemand so genau.