Mit vollen Hosen „seriös“.
15. Dezember 2012 von admin
16 der vielen US-Geheimdienste haben sich zur US-Intelligence Community (IC) zusammengeschlossen. Sie haben zusammen mit Experten der CIA, des Pentagons, der National Security Agency usw. einen Bericht „globale Entwicklungstrends“ veröffentlicht, aus dem Rossijskaja Gaseta am 11.12 zitiert. In der Regel darf man solche Berichte nicht als Trendanalyse lesen, sondern allenfalls als Absichtserklärung oder in den meisten Fällen als Vertuschung von Absichten und Programmen.
Wichtigste Erkenntnis des Berichts soll sein, dass amerikanische Nachrichtendienste bis 2030 mit einer Neuen Weltordnung, die die Welt dramatisch verändern wird, rechnen. Die USA soll in ihr die Rolle als alleinige Supermacht abgeben, könnten aber auch 2030 noch eine Führungsrolle in der Welt spielen. Allerdings schließen die Dienste auch den kurzfristigen Zusammenbruch der USA nicht aus. Jedenfalls würden die USA mittelfristig wieder eine ausgeglichene Handelsbilanz bekommen, weil das Land dank der neuen Öl- und Gas-Vorkommen nicht mehr auf Energie-Importe angewiesen sein wird, sondern neben neuesten Technologien der „Hard Power“ und „Soft Power“ sogar Energie exportieren kann.
Für die Welt prognostizieren die Dienste für 2030 eine Weltbevölkerung von 8,3 Mrd. Menschen. Entsprechend wird die Nachfrage nach Lebensmittel zum Jahr 2030 um 35% und nach Trinkwasser um über 40% steigen. Die Multinationalen Großkonzerne hätten sich schon jetzt (dank der US-Dienste) auf dieses gigantische Geschäft eingestellt und sich entsprechende Anbauflächen und Wasserreserven gesichert.
Russland könne – nach Meinung der Dienste – falls es seine Wirtschaft diversifiziere und eine liberalere Innenpolitik zulasse, – „für die regionale und internationale Sicherheit gefährlicher werden“. Allerdings könnte dort die Bevölkerung auch um rund zehn Millionen Menschen schrumpfen, was zu gewaltigen inneren Verwerfungen führen kann. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Bericht über die Neue Weltordnung der US-Dienste, um ihr geschöntes Programm zur direkten Machtübernahme durch die multinationalen Großkonzerne und ihre Manager, denen sie sich selbst zurechnen.
Interessant ist, dass etwa zur gleichen Zeit, nämlich am 3.12. Papst Benedikt XVI vor dem Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden eine Rede hielt, in der er die Errichtung einer Weltregierung und einer Neuen Weltordnung forderte (http://www.vatican.va/roman_curia/pontifical_councils/justpeace/index.htm2012). Er verlangte die „Konstruktion einer Weltgemeinschaft mit einer entsprechenden Autorität“ im „Dienst des Gemeinwohls der Menschen-Familie“ und „zur Verteidigung des globalen Friedens und der Gerechtigkeit“. Angeblich soll damit keine neue Supermacht in der Hand weniger gebildet werden, sondern eine „neue regierende Körperschaft“, welche den verantwortlichen Politikern Entscheidungshilfen und praktische Richtlinien vorgibt. Und wer soll diese durchsetzen? Was ist das Neue gegenüber der UNO, die letztlich doch nur im Interesse einer überragenden Supermacht tätig wird?
Bei dieser Supermacht scheinen sich die „friedlichen“ Lenkungsmittel allmählich zu erschöpfen. Am 12.12. hat dort die Federal Reserve Bank (FED) laut Reuters wieder die Notenpresse „im Kampf gegen die hohe Arbeitslosenquote“ angeworfen. Seit Januar kauft sie Monat für Monat für $ 45 Mrd. US-Staatsanleihen auf und wirft entsprechend Bargeld auf den Markt. Außerdem läuft seit September das Programm zum Aufkauf von US-Immobilienpapieren, womit sie monatlich $ 40 Mrd. in die Märkte pumpt. Auf Jahresbasis flutet die FED damit die Märkte mit $ 1020 Mrd. Nach einem geschönten Bericht des Government Accountability Office (GAO http://www.scribd.com/doc/60553686/GAO-Fed-Investigation#oute) hat die private FED seit Krisenbeginn 2008 $16 Billionen (trillion, bln.) für Banken-bailouts (Bankenentlastung) gedruckt und ausgegeben. Zusätzlich seien nach Bloomberg (http://revolutionpac.com/articles/who-got-9-trillion-in-off-balance-sheet-fed-asset-purchases) noch $ 9 bln. an nicht bilanzierten Zahlungen geflossen.
Doch zum ersten Mal in der Geschichte haben die Wertpapierkurse auf die Geldschwemme der FED kaum mehr positiv reagiert. Die Aktien und US-Staatsanleihen verloren viel mehr an Wert, während sich der Goldpreis nicht wie gewünscht drücken ließ. Trotzdem hat ein recht unsicher wirkender FED-Chef Bernanke am 12.12. angekündigt, dass die FED noch eine weitere Schleuse öffnen wird, um weitere Mrd. in den Markt fließen zu lassen. Die als QE 4 bezeichnete neue Geldschwemme könnte auch das Ende der Geldschwemme mit sich bringen, denn langsam scheint es selbst einem Bernanke zu dämmern, dass alle Gelddruckerei nur den Spekulanten half, ihre Risiken aufzufangen und die Banken, die sich im Derivate-Geschäft übernommen hatten, vor dem Zusammenbruch zu bewahren. In die Produktion ist das Geld nicht geflossen und hat der windigen Papierwertewirtschaft keine neuen Realwerte untergeschoben. Selbst Peter Praet, der Chefvolkswirt der EZB klagte im Wall Street Journal, dass die niedrigen Zinsen in der Euro-Zone (und in den USA) nicht in der Realwirtschaft ankommen.
Entsprechend gestaltet sich die „Erholung“ in den USA (Europa hinkt ja immer etwas hinter her). Im September mussten in den USA zusätzlich 607.544 Amerikaner durch Lebensmittelmarken unterstützt werden, insgesamt leben dort laut USA to Day inzwischen 47,7 Millionen Amerikaner in Armut (http://www.fns.usda.gov/pd/34SNAPmonthly.htm according to the USDA). Statt ihr Geld zu verdienen, müssen sie die 134,29 $ Stütze pro Person und Monat abgreifen, um zu überleben. Die Jugendarbeitslosigkeit ist die schlimmste seit Ende des 2. Weltkriegs, und seit der Wiederwahl Obamas haben Großbetriebe angekündigt, über 100.000 Arbeitsplätze zu streichen. Auch die Konsumenten-Verschuldung erreichte (ähnlich wie die ihrer Regierung) ein neues Rekordhoch. Die Verschuldung steigt schneller als je zuvor. Was heißt da schon „Erholung“? Es handelte sich um die übliche Wahleuphorie, die die USA vor der Wahl auf dem besten Weg nach Utopia pries. Seit der Krise 2008/9 hat das Vermögen der Amerikaner (vor allem der mittleren und unteren Schichten) um 40% abgenommen, ihre Ersparnisse haben sich weitgehend in Nichts aufgelöst, Millionen haben ihr Haus verloren.
Die monetären Experimente der FED haben nichts gebracht, aber sie führen zu allerlei Problemen. Die niedrigen Zinsen reißen große Finanzierungslücken in Renten- und Pensionskassen, die deshalb ihre früheren Zusagen nicht einhalten können. Sie erleichtern die „Wechselreiterei“, das Schuldenmachen in einem bereits überschuldeten Finanzsystem ohne dass dadurch Wirtschaftswachstum angeregt wird. Durch die Geldschwemme werden so zusätzlich Risiken im System angehäuft, um die zweifelhaften Werte windiger Wertpapiere einigermaßen im Lot gehalten. Es genügen demnach immer geringere Anstöße und Stimmungsänderungen, um unkontrollierbare, sozioökonomische Explosionen wie Inflation, soziale Unruhen, Klassenkampf, oder schlimmeres auszulösen. Schon fordern zahlreiche Blogs eine „zweite Amerikanische Revolution“. Zwar könnte die FED oder EZB, die Hypotheken und Staatsanleihen aufkaufen, um diese einfach und stillschweigend zu vernichten, doch würde das an der Inflationsgefahr durch die Geldschwemme kaum etwas ändern. Was die FED tatsächlich mit den Papieren und deren Erpessungs-Potential vorhat, bleibt unbekannt. Vielleicht will sie damit das Gleiche durchsetzen, was die US-Intelligence Community kommen sieht und der Papst fordert – wenn auch mit weniger schönen Zügen hinter der Werbeverpackung.
Andererseits mehren sich Anzeichen einer kommenden Panik auf dem Derivate Markt. Die sogenannten Derivate werden als „Werte“ gehandelt, ohne dass ihnen reale Werte (wie eine Firma den entsprechenden Aktien) zugrunde liegen. Sie stellen legalisierte Wetten auf die Zahlungsfähigkeit von Schuldnern oder die Wertentwicklung von Papieren dar – kaum anders als Wettscheine beim Fußball-Totto, nur dass sie nicht schon am nächsten Samstag fällig werden. Anleger schießen etwa 3% manchmal auch mehr der Wertsumme des Vertrags vor und bekommen einen Anteil an der Verzinsung für die gesamte Summe, solange die vertraglichen Bedingungen erfüllt bleiben. Dadurch kommen schöne Renditen zu Stande. Fällt die Wette flach, dann werden die restlichen 97% der Wertsumme fällig, die der „Anlegers“ dann zu zahlen hat. Derivate-Verträge verursachten den Zusammenbruch des Finanzunternehmens MF Global im Nov. 2011 mit 1,6 Mrd. $ offen gebliebener Kundenforderungen, oder die 5,8 Mrd. $ Verluste von JPMorgan Chase in diesem Jahr.
Wie groß der Werte der umlaufenden Derivat-Kontrakte wirklich ist, weiß niemand so recht, weil viele davon nicht in den Bilanzen erscheinen. Schätzungen von 600 bln. (trillion) bis 1,5 Trillionen (quadrillion) gehen um, während das Bruttoinlandprodukt der gesamten Erde auf 70 bln. pro Jahr geschätzt wird. Wer zahlt und vereinnahmt die entsprechenden Beträge? Nach Angaben der US-Regierung sind das vor allem Großbanken (http://www.occ.gov/topics/capital-markets/financial-markets/trading/derivatives/dq212.pdf). Die vier größten US-Banken halten “93% der Nominalwerte der gesamten Banken-Wirtschaft“ und „81% der ausstehenden Industrie-Kredite.“ Sie halten auch den überwiegenden Anteil der Derivat-Kontrakte. Nach der gleichen Quelle verfügt JPMorgan Chase insgesamt über 1,8 bln. $ an Guthaben, steht aber mit 69 bln. $ für Derivate gerade. Citibank hat Guthaben von 1.3 bln. $ und hält Derivate im Wert von 52 bln., Bank Of America steht mit einem Guthaben von 1.4 bln. für 44 bln. Derivat-Kontrakte gut und Goldman Sachs steht mit nur knapp 114 Mrd. Dollar für über 41 bln. Derivat-Kontrakte, das 360-Fache, ein. Die 9 größten US-Banken halten zusammen Derivat-Verpflichtungen von 228,7 bln. $ gegenüber einem US-BIP von 15 bln. Sollte das windige Derivate-Geschäft platzen, wären diese Banken mit samt dem Weltfinanzsystem in dem schwarzen Finanzloch, um das unsere „Wirtschaft“ kreist, verschwunden. Jetzt verstehen Sie vielleicht, weshalb unsere Regierung hunderte von Mrd. Euro unter anderem nach „Griechenland“ gibt, damit diesen Großbanken wenigstens nicht die „griechischen“ Derivate-Kontrakte um die Ohren fliegen. Können die paar Mrd. zusammen mit den schwachen, für 2013 neu angesetzten Regelungen des Derivate-Geschäfts denn diesen Sprengstoff entschärfen?
Nach Dow Jones Business News vom 27.11. 2012 müssen Derivate-Händler entsprechend der neuen Regelungen, der sogenannten Dodd-Frank-Reformen, 2013 $ 1.7 bln. bis $10.2 bln. für ungeklärte Swaps, als Sicherheitsmarge (“initial margin”) vorhalten, um ihre bisherigen Positionen abzusichern. Die International Swaps and Derivatives Association errechnete diese Zahlen aufgrund der ihr annonym von Banken eingereichten Daten. Woher sollen die Broker das Geld nehmen? Richtig: von der FED und der EZB und Otto Normalbürger steht dafür mit seinem Vermögen gerade.
Nach Reuters vom 2.12. versuchen die Wall Street Banken mit dem Geld ihrer Kunden in Übersee den neuen US-Regelungen zur Absicherung ihres 640 bln. $ umfassenden Marktes an over-the-counter (nicht bilanzierten) Derivaten zu entsprechen. Behilflich sei ihnen dabei eine Ausnahmeklausel in den neuen US-Regelungen. Welche Tricks auch angewandt werden, es sieht nach einer Panik auf den Derivate-Märkten aus. Dabei verlieren nicht nur Banken ihr nicht vorhandenes Geld. MF Global zum Beispiel hatte bei dem Zusammenbruch auch das Geld seiner Klienten und Einleger verspielt.
So viel zur Weisheit derer, denen wir „die Wirtschaft“, die materielle Seite unseres Schicksals anvertraut haben und deren Knechte wir immer wieder in Regierungsämter wählen. Erst kürzlich hat die SPD Mr. Heuschrecke, einen durch gute Honorare ausgewiesenen Banker-Knecht, der u.a. die Heuschrecken nach Deutschland gebracht hatte, zu ihrem Kanzler-Kandidat gekürt und ihn mit 10-minütigen Applaus für seine Anti-Banker-Phrasendrescherei bedacht. Sogenannte Praktische Kritik-Kritiker meinen, da hilft eben nur etwas Praktisches, wie Kohlrabi im eigenen Garten anbauen. Vielleicht wäre die rote Karte für die etablierten Parteien bei der nächsten Wahl angemessener. Aber wo bleiben wir, wenn wir den Honorigen auf Politiker-Sesseln und Universitätslehrstühlen (siehe Klima!) nicht mehr trauen dürfen? Und wo gehen wir in diesem Vertrauen hin?
3 Reaktionen zu “Mit vollen Hosen „seriös“.”
Hallo,
vielen Dank für den interessanten Artikel.
Der Link zur Rede des Papstes hat sich wohl inzwischen geändert; siehe bitte:
http://www.vatican.va/roman_curia/pontifical_councils/justpeace/index.htm2012
Mit den besten Wünschen für die Zukunft
Olaf
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2012/december/documents/hf_ben-xvi_spe_20121203_justpeace_ge.html
Hallo admin,
könnten Sie vielleicht den obigen Link in meinen vorherigen Kommentar einarbeiten? Da habe ich wohl offensichtlich nicht korrekt mit der Zwischenablage operiert ….
MfG
Olaf
Ich kann das nicht. Ab er vielleicht kann der Leser es sich
so hindenken.