Drohen Notverordnungen
10. Oktober 2013 von admin
(dieses Mal vor abschon) Alles blickt zunehmend gespannt auf die Lage in den USA. Zunächst dachte man an das schon übliche Parteien-Theater vor der Anhebung der Verschuldungsobergrenze der US-Regierung. Inzwischen spitzt sich der Show-Kampf der beiden Parteien des US-Machtapparates weiter zu und sie könnten sogar ernsthaft ein Zahlungsmoratorium der US-Regierung erwirken wollen. Was wird damit erreicht? Seit der Lehman Brother Pleite wurde zwar viel über die Reform des Weltfinanzsystems geredet, grundsätzlich hat sich „im Westen“ daran aber nichts geändert. 2007 löste die Lehman Pleite bei Verbindlichkeiten von 500 Mrd. $ eine drastische Finanzkrise aus, an deren Folgen vor allem „Europa“ (das sind die europäischen Finanzinstitute) bis heute noch zu knabbern hat. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung stünden Schulden von 16 Billionen, also rund das 32-Fache im Regen. Da die Verbindlichkeiten des einen die Forderungen des anderen sind, und diese wiederum als Sicherheiten für ihre eigenen Verbindlichkeiten dienen, würde ein Zahlungsboykott der US-Regierung die Werthaltigkeit solcher Sicherheiten in Frage stellen und eine Bankrottlawine auslösen.
US-Gläubiger wie China und Japan fürchten nun, dass ihr „Erspartes“ bei einer Abwertung des Dollars abschmelzen könnte. Ihre Vertreter sind diesbezüglich schon in Washington vorstellig geworden. Andere überlegen sich Strategien, wie die USA, wenn sie nicht wieder nur bluffen, der drohenden Zahlungsunfähigkeit kurzfristig begegnen könnten. Ihnen fällt dabei nicht viel ein. Im Gespräch ist der Verkauf des US-Währungsgoldes, das nach Wikipedia 2012 noch 8133,5 t auf die Waage gebracht haben soll und den USA etwa 34 Mrd. $ einbringen würde. Die Pleite ließ sich damit etwa ein Monat hinauszögern, wenn man unterstellt, dass die Menge noch vorhanden ist und der Verkauf den Goldpreis nicht drastisch drücken würde.
Doch seltsam, außerhalb der USA wächst nun kurz vor dem voraussichtlichen Endtermin der US-Zahlungsfähigkeit am 17. Oktober die Dollar Nachfrage drastisch an, wobei die Nachfrager sogar höhere Prämien in Kauf nehmen. Was macht die Welt-Leitwährung plötzlich so attraktiv? Der feste Glaube an den Dollar ist das wohl nicht mehr. Früher waren es vor allem die Ölrechnungen, die Saudi-Arabien und andere „Scheichs“ nur in Dollar bezahlt haben wollten. Inzwischen sind es vielmehr die eigenen Zahlungsverpflichtungen im Allgemeinen, die in Dollar bezahlt werden müssen. Man bereitet sich auf eine Liquiditätskrise vor, in der man Dollar braucht, um nicht selbst Konkurs anmelden zu müssen. Sollte man in den USA auf diesen Effekt spekuliert haben? Ist das vielleicht der Hauptgrund, weshalb die FED so überaus leichtfertig Dollar auf den Markt werfen konnte. Die US-Staatsausgaben übersteigen derzeit die Einnahmen um fast ein Drittel. Dieses beträchtliche Missverhältnis bremst jetzt aber nicht die FED ab, sondern – wie es scheint – die Mehrheit im US-Kongress, in wessen Auftrag auch immer.
Aber muss die Schuldenobergrenze der US-Regierung unbedingt angehoben werden, um den so oft und so viel beschworenen „Crash“ noch ein wenig hinauszuschieben? Im August 1971 standen die USA bereits vor einem ähnlichen Dilemma, als Frankreich und andere Länder ihre überhöhten Dollar-Bestände in Gold umtauschen wollten, wie es im Bretton Woods Abkommen (BWA) vereinbart worden war. Die Lösung war damals einfach. Die USA machten es in etwa wie Eduard III von England, der die Florentiner Gläubigerbankiers Bardi und Peruzzi 1346 einlud, sich ihr Geld zu holen, wenn sie es sich getrauten. Die USA kündigten am 23.8. 1971 einseitig das BWA und lieferten kein Gold mehr. Ihre Gläubiger trauten sich genau so wenig, es sich zu holen, wie die Florentiner vormals. Darauf baut man in den USA aufgrund der absoluten militärischen Überlegenheit. Rüstungsausgaben sind eben nicht nur faux frais, wie Karl Marx und andere Ökonomen meinen, sondern legen die materiellen Grenzbedingungen der terms of trade.
Es gibt allerdings noch eine dritte, sogar „legalere“ Möglichkeit. Die US-Regierung könnte den Notstand ausrufen und mit sogenannten „Presidential Orders“ wie Brünning ab März 1930 oder Franklin D. Roosevelt (FDR) regieren. FDR erließ ab 1933 3728 solcher Notverordnungen. Nach Meinung der Juristen wird die Verfassung in den USA schon lange umgangen und gilt kaum mehr. Mit Ausrufung des Notstandes würden die USA ganz offen zur Diktatur. Die Regierung hätte dann freie Hand und könnte nebenbei noch alle Oppositionelle als Verräter am Vaterland in Not inhaftieren. Wäre das nicht eine Lösung, eine wahrscheinliche angesichts der enorme Hochrüstung der Homeland Securty (DHS).
Auch wirtschaftlich sieht es in den USA nicht so rosig aus, wie es unsere Medien oft vorgeben. Der Anteil der Personen an der arbeitsfähigen Bevölkerung, die eine Beschäftigung haben oder suchen, ist in diesem Jahr wieder um 0,2 % auf 63,2 % und damit auf den tiefsten Stand seit August 1978 gesunken. Die offizielle Arbeitslosenquote nach den U-6 Standards lag im August 2013 bei 13,7 %, dürfte aber tatsächlich weit höher liegen – bei 22,3 % nach der genaueren Ermittlung des John Williams von www.shadowstats.com.
Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten berichteten am 4.10. 13, von einem in den USA geplanten „Trucker“ (Fernfahrer) Generalstreik. Sie wollen 3 Tage lang keine Ware ausliefern und eine Protestfahrt in Richtung Washington D.C. unternehmen. Gleichzeitig forderten sie die US-Bürger zu einem Konsumboykott als Zeichen gegen die Korruption der Politiker auf. Letzteres dürfte sich als unwichtig erweisen, weil es nicht befolgt wird, aber ersteres könnte die Ausrufung des Notstands rechtfertigen.
Allerdings gärt es in den USA auch sonst an vielen Stellen. Der Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh sagte zum Beispiel in einem ausführlichen Interview mit der britischen Tageszeitung The Guardian am 27.9 ganz ungeniert über den Militäreinsatz, bei dem Osama bin Laden am 2. Mai 2011 angeblich getötet wurde: „Bei dieser Story hat niemand wirklich dahinter geschaut; sie ist eine große Lüge, nicht ein Wort davon ist wahr.“ Hersh kritisierte die amerikanischen Medien schonungslos, weil sie es nicht wagten, das Weiße Haus in einer Vielzahl von Themen – von den NSA-Überwachungssystemen über die Drohnenangriffe bis hin zu dem geplanten Militärschlag gegen Syrien – kritisch anzugehen. Und fügte schließlich hinzu, die Regierung Obama lüge gewohnheitsmäßig, und sie mache damit einfach weiter, weil die Medien ihr alles durchgehen ließen. „Es ist erbärmlich, die Medien sind nicht nur devot, sie wagen es nicht, diesen Typen, Obama, zu attackieren.“
Zur Überwindung der Misere schlägt er vor, Nachrichtensender wie NBC und ABC zu schließen und 90 % der Chefredakteure und Herausgeber der etablierten Medien zu entlassen und sie durch wirkliche Journalisten zu ersetzen, die sich mit niemandem gemein machten und deshalb als „Außenseiter“ gelten würden und dadurch ohne Angst vor den Mächtigen die Wahrheit berichten würden. „Die Republik ist in Gefahr; wir sagen kaum noch die Wahrheit, Lügen sind zur Massenware geworden“, sagte er zum Schluss. Entsprechendes trifft auch voll und ganz auf die Bundesrepublik zu – aber es juckt hier niemanden, weil niemand mit der Nazi-Keule erschlagen werden will.
In der Bundesrepublik würde auch niemand wegen der Lügereien einen Generalstreik organisieren wollen. Das führt allerdings zu anderen, kaum weniger zu schädlichen Konsequenzen. Unmotivierte Arbeitnehmer kosten die deutschen Unternehmen rund 124 Milliarden Euro, berichtete die „Wirtschafts-Woche“ aufgrund einer Studie des Gallup Instituts. Das Ergebnis entspricht anderen Studien, die allerdings lieber von zunehmenden psychischen Belastungen am Arbeitsplatz sprechen und den Leser nur vermuten lassen, worin die Belastungen bestehen. Die meisten tippen auf Arbeitsüberlastung, die heute aber kaum höher als in der Zeit vor 1914 ist, als die „Malocher“ psychisch noch gesünder waren. Die Gallup Marktforscher glauben mit ihren Methoden herausgefunden zu haben, dass derzeit nur 15 % der Arbeitnehmer in ihrem Job engagiert arbeiten. Der Anteil derer, die innerlich gekündigt hatten, stieg seit 2001 von 15 auf nun 24 %. Die große Mehrheit von 61 % macht Dienst nach Vorschrift und bemüht sich, am Arbeitsplatz nicht aufzufallen.
Der Gallup-Studie entspricht in gewisser Weise auch die viel diskutierte neue Pisa-Studie zum Bildungsstand der Erwachsenen in Deutschland im Alter von 15 bis 65. Der ist, schlicht gesagt, miserabel und spiegelt die mentale Abschaltung der Befragten wieder. Denn Bildung – so, wie die Pisa Studie sie misst – hat auch mit Engagement zu tun. Wenn einem aus Perspektivlosigkeit im Grunde alles Wurscht ist, dann fällt einem auch bei solchen Tests nicht viel ein. Wer kämpferisch ist, weil er sich von der eigenen Aktivität etwas verspricht, dessen Geist ist auch bei Befragungen reger. Leute mit dem Muselmann-Syndrom – so nannte man in den Kriegsgefangenenlagern diejenigen, die sich selbst aufgegeben haben – lebten nicht mehr lange. Das gilt auch für Gesellschaften, die sich ständig vorhalten lassen, wie verbrecherisch ihre Väter nach dem verlorenen Krieg angeblich waren.
Zwar reden sich diese Leute noch einen wirtschaftlichen Aufschwung ein, doch da ist Vorsicht geboten und zwar nicht nur, weil westliche Regierungen – wie Hersh richtig festgestellt hat – „gewohnheitsmäßig lügen“ („Wie der Herr, so‘s Gescherr“), sondern auch wegen offizieller Angaben. Laut statistischem Bundesamt exportierte die Bundesrepublik im August 2013 Waren im Wert von 85,3 Mrd. € und importierte Waren im Wert von 72,2 Mrd. €. Damit fiel die Ausfuhr um 5,4% und die Einfuhren um 2,2 % niedriger aus als im Vorjahr. Das gleiche gilt für den Außenhandelsüberschuss, der um 3,2 Mrd. € einbrach. Bei solchen Ergebnissen lässt sich (nach der Wahl) wohl nicht mehr von einem „robusten Abschwung“ faseln.
Ähnliches gilt übrigens für den Welthandel insgesamt, was angesichts der Finanzpolitik unter dem herrschenden Finanzsystem nicht verwundert, sondern eher als folgerichtig erscheint. Die Aussichten für den Welthandel trüben sich nach Angaben des WTO-Chefs Azevedo ein. Die WTO hatte bereits mehrmals davor gewarnt, dass das laufende Jahr durch die Risiken der Euro-Krise schlechter ausfallen könnte. Er sei davon ausgegangen, dass die Europäische Union sich ab dem zweiten Quartal dieses Jahres wieder erhole, meinte Azevedo. Das werde aller Voraussicht nach aber erst im dritten Quartal einsetzen… und vielleicht erst im vierten oder im ersten danach, wenn überhaupt. Die realwirtschaftliche Lage verschlechtert sich dem Investitionsverhalten entsprechend, so dass auch der IWF bereits zum sechsten Mal die Prognose für die Entwicklung der Weltwirtschaft abgesenkt hat. Man tut so, als sei das bedauerlich, tatsächlich ist es gewollt. Man kann nicht einem ein Messer in den Leib rennen und dann bedauern, dass es blutet. Das Geldsystem ist schlimmer als ein Messer und die Verschuldungspolitik übler, als jemandem ein Messer in den Leib zu rennen.
1 Reaktion zu “Drohen Notverordnungen”
Ich muss leider das Diskussionsforum eine zeitlang schließen, wenn
ich das fertig bekomme. Die Spatzseite wird aus den USA und Kanada mit Spam überflutet (etwa 200 am Tag), die ich im U zu mail-spam einzeln löschen muss.