„… wächst das Rettende auch?“
16. November 2013 von admin
Die letzte Woche brachte einige weltpolitische Entwicklungen, die in Deutschland im Rauch des Strohfeuers Koalitionsverhandlungen verschwammen. Die vielleicht bedeutsamste betrifft die Gespräche zwischen Iran und den Westmächten. Diese sind zwar dank der Sabotage von Frankreichs Francois Hollande ergebnislos zu Ende gegangen. Aber sie sind nicht wie bisher „gescheitert“ und wichtiger noch, sie sind dieses Mal gegen den Willen des US-Außenamtes abgebrochen worden. US-Außenminister John Kerry machte zwar – wie bisher – den Iran für den ausgebliebenen Durchbruch verantwortlich (The Guardian, vom 11.11.), sagte aber auch an die Adresse Frankreichs gerichtet, die USA „sind nicht blind“ oder „dumm“ bei ihrem Versuch, einen historischen Deal mit dem Iranern zu erzielen (BBC News, 10.11.).
Frankreich hatte sich schon wie Israel und Saudi-Arabiens aggressiv und verärgert gezeigt, als die USA ihren chirurgischen Streich gegen die Regierung Assad aufgrund der diplomatischen Initiative Russlands abgeblasen haben. Am 8.11. hatte nun Barack Obama den israelischen Prime Minister Bibi Netanjahu angerufen und aufgefordert, die Gespräche in Genf nicht zu stören, das Gleiche hatte Kerry Bibi schon zuvor am gleichen Tag bei einer Zwischenlandung in Tel Aviv mitgeteilt. Weil Kerry von seiner Wirkung nicht überzeugt war, rief danach auch noch der Boss an. Netanjahu hatte danach nichts Eiligeres zu tun, als die übrigen westlichen Verhandlungspartner mit der Warnung anzurufen: „Ein ‚schlechter Deal‘ könnte zu einem Krieg führen“. Nur Hollande fügte sich den Weisungen Netanjahus. Der Grund hierfür ist nicht nur der unheimlich starken Lobby Israels in Paris zuzuschreiben, sondern auch den Petro-Milliarden aus Saudi Arabien und Katar.
Laut The Times of Israel (vom 10.11.) rief als führender Lobbyvertreter der französische Parlamentarier Meyer Habib (ein persönlicher Freund Netanjahus mit zwei Pässen und Vize des Conseil Representatif des Institutions juives de France, dem auch der Redenschreiber Hollandes angehört) den französischen Außenminister Laurent Fabius an, um ihm zu sagen: falls es zu einem Deal mit dem Iran käme, würde Israel die kerntechinschen Anlagen des Iran angreifen. Noch bevor Kerry in Genf eintraf, erklärte Fabius im französischen Rundfunk, Paris würde kein „jeu des dupes“ (Spiel der Dummen) akzeptieren. Fabius betreibt gewaltige Waffengeschäfte (Flugzeuge, Schiffe, Raketen) mit Saudi Arabien und hatte die saudische Bestellung von Kernkraftwerken – ein Geschäft wie es im letzten Jahr bereits zwischen Frankreich und den Vereinigten Emiraten abgeschlossen worden war – im Hinterkopf. Iran soll auf Kernkraftwerke verzichten, während Sklavenhalter und Terroristenfinanziers sie bekommen sollen. Doch steht noch mehr auf dem Spiel. Katar hatte bereits 15 Mrd. $ in verschiedene französische Unternehmen investiert. Dem reaktionären Scheichtum gehören weitgehend Saint Germain und das Gebiet zwischen St. Madeleine und der Oper in Paris.
Frankreichs Widerstand bei den Verhandlungen führte zu der Bemerkung des iranischen Außenministers Zarif, die westlichen Verhandlungspartner sollten sich erst unter einander einig werden, dann könne man weiter verhandeln. Daraufhin wurde das Treffen auf den 20.11. vertagt. Gleich danach, am 13.11., rief Obama noch einmal bei Hollande an. Möglicherweise sagte er ihm, für Frankreich könnten auch größere Geschäfte möglich sein, wenn es statt auf die Betreiber und Finanziers der sunnitischen Terroristen auf einen Deal mit dem Iran einschwenken würde. Geschäft ist eben Geschäft.
Das viel interessantere Problem als die französische Haltung zu Kernkraftwerken im Iran ist der offensichtliche Schwenk der USA. Den habe ich mir nicht ausgedacht. Er kündigte sich bereits in dem Buch The Next Decade des informellen US-Politikplaners George Friedman von STRATFOR an. Dieser hatte in einem Artikel bei Stratfor vom 12.11. noch einmal an die “dramatische Veränderung gegenüber früher” erinnert, als solche Gespräche von vornherein an der Haltung der USA zum Scheitern verurteilt waren. Friedman befürwortet die „strategischen Annäherung“ zwischen Iran und den USA und begründete diese durch die Ernüchterung der US-Außenpolitik angesichts der Ergebnisse des “arabischen Frühlings”, der ihnen nicht – wie erhofft – liberaldemokratische Regierungen (gemeint sind Marionetten) beschert habe, sondern außer innenpolitisches Chaos im Nahen Osten ein enormes Erstarken radikal sunnitischer Terroristen und deren reaktionären Regime.
Die beabsichtigte Annäherung der USA an den Iran soll die verschobene „balance of power“ in dem Raum wieder in Lot bringen. Das soll nicht zum Bruch mit Saudi Arabien und Israel führen, die beide den Schwenk der USA nicht goutieren, sondern funktioniert im Interesse der USA nur, wenn „die USA starke (strong) Beziehungen zu beiden Seiten unterhalten“. Friedman räumt ein, dass auch die schwindende Abhängigkeit der USA vom saudischen Öl eine Rolle spielt. Er erwähnte dabei die erheblichen eigenen Schieferöl- und Ölsand-Vorkommen (dank des Frackings mit der außerhalb der USA induzierten grünen Angst davor). Er verschweigt allerdings – wohl aus gutem Grund – die neuentdeckten gewaltigen Öl- und Gas-Reserven in Australien, die jene in Saudi Arabiens weit übertreffen sollen. „Wenn Roosevelt sich mit Stalin und Nixon mit Mao verbinden konnte, dann zeigt das, dass in der US-Außenpolitik alles möglich ist“, etwas, was man in Berlin nicht begreifen kann/will/darf.
Aber vielleicht hatte auch Netanjahu nicht ganz unrecht mit seinem Ausspruch „Ein ‚schlechter Deal‘ könnte zu einem Krieg führen“, wenn auch anders als in der Interpretation von Meyer Habib. Zur Erklärung eine kurze Rückblende: Am 17. 11. 2011 erklärte Präsident Obama vor dem Australischen Parlament, dass sein Sicherheitsteam der Anwesenheit von US-Truppen in „Asia-Pacific Top Priorität” einräume und die USA eine Wendung („pivot“) vom Nahen zum Fernen Osten vollziehen werde. Er versicherte damals: “Die Reduktion der US-Verteidigungsausgaben werde nicht – ich wiederhole: ‚werde nicht‘ – zu Lasten der Aufgaben in Asia-Pacific gehen. Wir werden alle nötigen Ressourcen aufwenden, um eine starke militärische Präsenz in der Region aufrecht zu erhalten” (er meinte „aufzubauen“) (whitehouse/2011/11/17/). Bei der Gelegenheit wurde ein Dokument über die Einrichtung von US-Militärstützpunkten in Australien unterzeichnet, das als erstes die ständige Stationierung von 2500 Marinesoldaten im Hafen von Darwin und spätestens ab 2020 die Stationierung von 60% der US-Flotte im pazifischen Raum vorsieht.
„Die Vereinigten Staaten bereiten sich auf einen Krieg mit China vor, eine enorme Entscheidung, die bis jetzt kaum von den gewählten Beamten im Weißen Haus und im Kongress ernsthaft untersucht worden ist.” schrieb Professor Amitai Etzioni am 13. 6. 2013 im Yale Journal of International Affairs und bezog sich dabei ausführlich auf das wenig bekannte Kriegsszenario des AirSea Battle (ASB) Projekts. Auf dieses hatten sich (aufgrund der Warnungen der einflussreichen US-Strategen Andrew Marshall und Andrew Krepinevich vor den wirtschaftlichen und militärischen Möglichkeiten Chinas) im September 2009 Air Force Chief of Staff Gen. Norton Schwartz und Chief of Naval Operations Adm. Gary Roughead geeinigt, und US Verteidigungsminister Gates hatte es 2010 offiziell gebilligt. Sein Nachfolger Leon Panetta richtete Ende 2011 dementsprechend das Multi-Service Office to Advance AirSea Battle ein. (vgl. Kyle D. Christensen in: Journal of Military and Strategic Studies, vol. 14, no. 3 (2012), 10).
Dem Plan entsprechend wurden die Ausgaben des US-Verteidigungshaushalts im FY 2012 und 13 umgestellt. Dazu General Schwartz: “Die ersten Schritte in Richtung Air-Sea Battle sind hier im Pentagon bereits unternommen worden. In unseren FY 2012 und FY 2013 Haushalten steigern wir Investitionen in die Systeme und Fähigkeiten, die wir benötigen, um zusätzliche Bedrohungen zu besiegen (to defeat).” Vgl. Norton A. Schwartz, Jonathan W. Greenert, Air-Sea Battle, Promoting Stability in an Era of Uncertainty, in: The American Interest, 20.2.2012. (Was US-„stability“ bedeutet, sieht man z.Z. in Lybien.)
Diese Entwicklung bestätigt und verstärkt der neue Bericht des Centre for Strategic and Budgetary Assessments (CSBA) mit dem Titel “Gateway to the Indo-Pacific: Australian Defense Strategy and the Future of the Australia-US Alliance”. Dieser Pentagon Thinktank war nach eigenen Aussagen “an hervorragender Stelle daran beteiligt, Pentagons AirSea Battle Strategie für einen Krieg gegen China zu entwickelt, um einen vernichtenden Raketen und Luft-Angriff gegen Festlandchina mit dem Ziel vorzubereiten, dort die Kommunikations- und militärische Infrastructure zu zerstören, ergänzt durch eine Wirtschaftsblockade, um Chinas lebenswichtige Energie- und Rohstoffimporte aus Afrika und dem Nahen Osten abzuschneiden.”
Während das offizielle Amerika die Hinwendung nach Asien mit wohlwollenden Wendungen umschreibt und jede Ausrichtung gegen China leugnet, spricht der CBSA Bericht ausdrücklich von China als dem ausgemachten Kriegsgegner. Er hebt die bedeutende Rolle Australiens in diesem Konflikt hervor und detailliert die dazu aufgebauten Stützpunkte, die Infrastruktur und die Bewaffnung Australiens, welche die US-Streitkräfte bei diesem Vorhaben zu ergänzen hat. Die Studie hebt hierbei 4 Punkte besonders hervor: 1. Den von Chinesischen Raketen noch nicht zu erreichenden Bereitstellungsraum in Australien. 2. Australiens als Horchposten besondere nachrichtendienstlichen Fähigkeiten. 3. Die besonders günstige Ausgangsbasis bei der Blockade der Straßen von Lombok und Sunda, um China den Zugang zur Energie abzuschneiden. 4. Die besondere Eignung der Australischen Hilfstruppen beim Aufspüren versprengter chinesischer Marineeinheiten im Indischen Ozean. “Australien hat bereits den strategischen Rubikon [im Bündnis gegen China] überschritten, als es dem US Marine Corps den Zugang nach Darwin einräumte und seine nachrichtendienstlichen Kommunikations- und Raumüberwachungs-Einrichtungen in Pine Gap und Exmouth den USA zugänglich machte.” Der Bericht geht sehr detailliert auf die für den Angriff erforderlichen Waffentypen, ihre Reichweiten und auf sonstige militärische Infrastruktur ein, insbesondere auf den Stand der militärischen Vorbereitung auf den Konflikt mit China.
Nun wird vielleicht verständlich, warum das US-Militär, ein weiteres Engagement in Syrien abgelehnt hat. DIeses Militär hat seit Entstehung der USA, was „im Westen“ kaum beachtet wird, fast jährlich irgendeinen bewaffneten Konflikt ausgefochten und stets den anderen Staaten Militarismus vorgeworfen. Klar wird auch, weshalb sich die USA im Unterschied zu Europa, aus dem eroberten Irak und Afghanistan wieder zurückziehen. Verständlich wird auch, weshalb Russland und China in letzter Zeit verstärkt wiederaufrüsten, nachdem sie zuvor – nach der angeblichen Beendigung des kalten Kriegs – im Vergleich zu den USA drastisch abgerüstet hatten. Ebenso wird klar, weshalb die USA auf der Installation von Raketenabwehrsystemen in Europa und in Südostasien beharren und sich weigern, Russland verbindlich zuzusichern, dass diese nicht gegen Russland gerichtet seien. Dabei ist völlig unklar, was der russische Außenminister Lawrow unter den entsprechend geforderten „verbindlichen Zusagen“ verstehen könnte.
Der NATO und der deutschen unveröffentlichten Politik sind diese Entwicklungen natürlich nicht entgangen. Denn wie man in russischen Medien (zB Lenta.ru) lesen kann: „Deutschland verstärkt seine Flugabwehr mit neuen Langstreckenradaren (mit einer Reichweite über 400 Km) vom Typ Ground Master 400. Bis 2015 soll die Luftwaffe sechs solche Radarsysteme aus der Produktion von ThalesRaytheonSystems bekommen. Dank modernster Technologie sind die Anlagen imstande, sowohl ein taktisches, unter der konventionellen Radarerkennung fliegendes Flugzeug, als auch Ziele mit ungewöhnlich kleinem Radarquerschnitt, wie Drohnen oder Marschflugkörper zu erkennen.“
Unabhängig von der neuen Hinwendung zum Iran haben die USA und Israel den Computervirus namens »Stuxnet« weiterentwickelt, um die iranischen Nuklearanlagen zu stören. Der Experte für Computersicherheit, Eugene Kaspersky, erklärte im australischen National Press Club Anfang der Woche während der Fragerunde nach seinem Vortrag: Das Virus habe auch ein russisches Kernkraftwerk angegriffen. Die britische Sicherheits-Internetseite V3 berichtete in einem Artikel „Stuxnet würde sogar britische und amerikanische Kernkraftwerke gefährden, da sich die Schadsoftware auch außerhalb Russlands ausbreite“. Krisenzeiten sind und waren immer gefährliche Zeiten, nicht nur für „mein Geld!“.
1 Reaktion zu “„… wächst das Rettende auch?“”
Apropos wachsen. Wie nennt man Wachstum in einem geschlossenen System ? Krebs. In diesem Sinne: Der Westen wird eher an sich selbst zugrunde gehen bevor es ihm gelingen wird den verbleibenden Teil der Welt zu unterjochen.