Wen bombardieren wir nächstens?
16. August 2014 von admin
Clausewitz berühmtester Ausspruch lautet: „Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Der Satz ist eine Gleichung mit zwei Unbekannten. Angeblich will Politik für Verhältnisse sorgen, in denen es der „Polis“ also der organisierten gesellschaftlichen Einheit, meist dem Staat, bestmöglich geht. Doch um Politik wirklich zu verstehen, müsste man die konkreten Ziele der jeweiligen Politiker kennen, die meistens vom Interesse am eigenen Machterhalt bestimmt sind. Etwas Ähnliches gilt für den Krieg. Krieg soll gewaltsam die Fremdbestimmung eines Staates durch einen anderen aufheben oder eine solche einem anderen gegen dessen Widerstand aufzwingen, sie festigen oder erhalten. Es kommt dabei aber nicht nur auf die jeweilige Absicht der Kriegsparteien an, sondern auch auf die Kriegsmethoden. In den meisten Fällen erkennen die Menschen einen Krieg an Hand der Methoden des letzten Krieges und nicht des jeweils aktuellen.
Das offene Zwangsverhalten der Regierung eines Staates gegenüber einem anderen ist seit dem Zweiten Weltkrieg genauso verpönt wie der direkt geführte Krieg mit Bomben und Raketen. Das heiß aber nicht, dass es dazu nicht mehr kommt, sondern nur, dass es dazu kommt, wenn die modernen Kriegsformen versagen oder als stützende Ergänzung, wenn diese zu versagen drohen, oder aus rein wirtschaftlichen Interessen derer, die daran unmittelbar verdienen wollen und können.
1944, also schon vor Ende des Zweiten Weltkrieges, begann der sogenannte „Kalte“ Krieg, der ideologische Kampf zweier Blöcke um die Macht über das Empfinden, Denken und Wollen der Menschen. Er wird in erster Linie weltanschaulich, ideologisch und propagandistisch (d.h. verlogen) geführt. Auf politischer Ebene wird er wirtschaftlich geführt, und auf militärischer Ebene in erster Linie durch Stellvertreterkriege und nur im Notfall konventionell, das heißt mit den weiterentwickelten Waffen und Taktiken des Zweiten Weltkriegs. Das Ziel dieser Politik und ihrer Kriege war ursprünglich die Durchsetzung einer Weltanschauung mit dem entsprechenden politischen Machtsystem. Daraus wurde aber schon bald die Weltherrschaft einer ideologisch verbundenen Clique von Machthabern über das Tun und Handeln einer großen, organisierten Gruppe von Menschen und das Empfinden, Denken und Wollen einer viel kleineren Anzahl Menschen, meistens der mehr oder weniger Privilegierten in dieser Gruppe.
Seine aktuelle Ausgestaltung bekam das politische System der westlichen Clique 1973/4, als der Dollar als Goldreservewährung beseitigt und durch den Dollar als Energiehandelswährung ersetzt wurde. Die sogenannten OPEC-Länder wurden dazu gebracht, ihr Öl (und Gas) ausschließlich gegen US-Dollar zu verkaufen und die so gewonnenen Dollar, soweit sie nicht selbst verbraucht wurden, in die USA zu transferieren und vorwiegend in Form von US-Staatsanleihen und anderen Vermögenswerten wie Aktien, Anleihen, ETF (börsengehandelte Fonds) etc anzulegen. Das brachte den USA mit unter mehr als 1 Milliarde Dollar pro Tag ein und erlaubte ihnen üppig zu konsumieren und einen defizitären Haushalt zu führen. Denn die USA konnten diese Dollar kostenlos produzieren und gegen nützliche (oder auch unnütze) Waren eintauschen. Andere Nationen benötigten Dollar, um auf dem Weltmarkt Energie (neben anderen Gütern) kaufen zu können. Die dabei erlösten Dollars flossen an die USA zurück und finanzierten die US-Rüstung, ihre Spionage- und subversiven Tätigkeiten und sicherten damit ihre Spitzenposition. Würden Öl und Gas nicht mehr in Dollar gehandelt, und hörte der Dollar auf, als Weltreservesystem zu dienen, käme es in den USA kurzfristig zu einem wirtschaftlichen Chaos, das seine Weltspitzenposition gefährden würde. Für die US-Bürger brächte es bedeutende Vorteile. Die USA müssten ihre zivilen Bedarfsgüter oder entsprechende Tauschgüter wieder selbst herstellen und die Arbeitslosen und unterbezahlten „Hamburger-Flipper“ fänden wieder gut bezahlte Arbeitsplätze. Nur um die Weltführungsposition der Finanzjongleure an der Wallstreet wäre es schlecht bestellt.
Die Regierung Obama tut, wie die anderen alles, um das Petrodollar-System zu erhalten und gegen bedrohliche Entwicklungen zu schützen. Dies war zum Beispiel unter anderen auch der Grund, weshalb die Bush Regierung Saddam Hussein zum Tyrannen erklärte und in den Irak einmarschierte. Saddam wollte sein Öl plötzlich gegen Euro verkaufen. Ähnlich motiviert war das Vorgehen gegen Gaddafi im Libyen. Syriens Assad fiel (abgesehen von den dort entdeckten Öl und Gasfeldern) in Ungnade, als er sich weigerte, auf das besonders kritische Projekt der Pipeline vom Iran über den Irak und Syrien an die Mittelmeerküste zu verzichten. Die Pipeline würde nicht nur die Vermarktung der im Iran und in Qatar neu entdeckten Ölfelder ermöglichen, sondern Europa eine Ölquelle erschließen, die ähnlich wie die russische über kurz oder lang aus dem Petrodollarsystem ausbrechen könnte.
Seit auf östlicher Seite allerlei Volksbefreiungsbewegungen angeregt und zuerst gegen Kolonialherrschaften zum Einsatz gebracht wurden, werden moderne Krieg vorwiegend als Stellvertreterkriege geführt. Das wurde zuerst vom Ostblock versucht, endete aber als Kommunismus und Sozialismus ihren Reiz verloren. Der Westen hat den Nutzen dieser Kriegsführung schnell erkannt und ideologische und finanzielle Mittel gefunden, um seinerseits Stellvertreter zum Krieg führen zu finden und zu organisieren. Sie eignen sich besonders ohne offene Invasionen am Völkerrecht und den Verfassungen einzelner Länder vorbei unerwünschte Regierung, auch wenn sie „gewählt“ worden waren, zu stürzen und durch Marionettenregierungen zu ersetzen, selbst dort, wo das zum Zerfall von Staaten und Gesellschaften, gewalttätigen Regimen und Diktaturen führen musste. Dazu wird die ethnische und religiöse Zusammensetzung der Bevölkerungsgruppen missbraucht oder durch wirtschaftspolitische Maßnahmen der Lebensstandard in den betreffenden Ländern so abgesenkt, dass sich dort Protestpotenzial bildet und organisiert werden kann. Einige der dazu am meisten verbreiteten Rezeptbücher stammen unter anderen von Gene Sharp, der als „Kritiker“ doch der CIA sehr nahe steht. Auf seine Initiative gehen die sogenannten „bunten Revolutionen“ im Osten und der sogenannte „arabische Frühling zurück.
Um die Akzeptanz der eigenen Parlamente und der Öffentlichkeit für solche Stellvertreterkriege, die trotz der Stellvertretung aufwendig sind (Ausrüstung mit Waffen und Bestechungsmitteln), im eigenen Lager zu bekommen, müssen die dadurch zu stürzenden Regierungen und ihre Apparate dämonisiert, zu Tyrannen des eigenen Volkes erklärt, und im Namen von Demokratie und Freiheit bekämpft, beziehungsweise die Rebellen gegen sie unterstützt werden. Erlahmt dabei wegen der zerstörerischen Folgen aber hauptsächlich wegen der hohen Kosten die Begeisterung im eigenen Lager, muss sie über grausame, Aufsehen erregende Massaker, wie Giftgas-Einsätze, Entführungen, Massenhinrichtungen oder den Abschuss von Passagierflugzeugen etc. neu entfacht werden. Solche Untaten werden üblicherweise “den Militärs, Sicherheitskräften und Polizeibeamten” des anderen Lagers in die Schuhe geschoben oder den “Terrororganisationen wie Taliban, Al-Qaida, Al-Shahaab, I.S. Separatisten usw.” die vom anderen Lager finanziert, kontrolliert und gelenkt worden sein sollen. Dass es sich dabei häufig nicht um das handelt, was darüber in den kontrollierten Massenmedien steht, sondern um geheimdienstlich inszenierte Proxy-Maßnahmen des eigenen Lagers, oder um mit viel Geld organisierte Armeeattrappen (wie Al-Qaida, und viele seiner Ableger und seit neuesten die I.S. (früher I.S.I.S. oder I.S.I.L.), lässt sich nur schwer nachweisen. Um die Zugehörigkeit zum eigenen Lager zu verschleiern, werden solche Atrappen, wenn sie es zu bunt treiben, trotz der heimlichen Unterstützung öffentlich sogar bekämpft. Sollte der Nachweis der Lagerzugehörigkeit doch gelingen, kann das über die eigenen Medien- und Propaganda-Organe abgetan, anzweifelt und vertuscht werden (Verschwörungstheorie). Jüngste Beispiele sind 9/11, Irak, Libyen, Tunesien, Ägypten, Nigeria, die Ukraine etc.
Moskau und Peking scheinen die eigentliche Stoßrichtung des neuen “Große Spiel” (schon beim alten von 1813 bis 1947 ging es um die Vorherrschaft der europäischen Mächte in Asien) lange nicht durchschaut und erst am Beispiel Libyen voll begriffen zu haben. Dabei hätten sie im veröffentlichten Entwurf zur US National Defense Strategy von Paul Wolfowitz lesen können: “Unser erstes und Hauptziel ist, das Aufkommen eines neuen Rivalen entweder auf dem Territorium der früheren Sowjetunion oder anderswo, der eine Bedrohung in der Größenordnung der früheren Sowjetunion darstellt, zu verhindern. Dies ist die bestimmende Überlegung, die der neuen regionalen Verteidigungsstrategie zugrunde liegt und die uns zu verhindern nötigt, dass eine feindliche Macht in einer Region entsteht, deren Ressourcen bei konsolidierter Kontrolle ausreichen würde, eine Weltmacht entstehen zu lassen.“
Daher liefern “die Entdeckung der weltweit größten bekannten Gasreserven am Persischen Golf, in die sich der Iran und Qatar teilen und neue Schätzungen, nach denen dort um 2007 noch 70% mehr Gas in der Levante entdeckt worden sind, den Schlüssel zum Verständnis der heutigen Konflikte.“ (Christof Lehmann,Herausgeber von nsnbc international in einem Interview im Route Magazine vom 13.8. 2013)
Was ist das Problem: Zusammen mit dem russischen Gas könnte die EU über 50% seines Gasbedarfs aus Iranischen und russischen Quellen beziehen. Als Hauptlieferant dieser wichtigen Ressource würden Moskau und Teheran an wirtschaftlicher und politischer Statur gewinnen. Das würde den Einfluss der USA deutlich untergraben und die Gefahr heraufbeschwören, dass Europa aus dem Petrosystem herausgebrochen wird und das System, inzwischen die monetäre Grundlage der westlichen Macht, zusammenbricht.
“2007 überwies – laut Lehmann – Qatar 10 Milliarden $ an den türkischen Außenminister Davotoglu, um die Muslim Bruderschaft in der Türkei und Syrien für die Unterwanderung Syriens vorzubereiten. Und wie wir kürzlich vom früheren französischen Außenminister Dumas erfahren haben, begannen auch in England Vorbereitungen, Syrien mit Hilfe von „Rebellen“ umzustürzen.“ Ähnliches war auch von Seymour Hersh im New Yorker und vom früheren NATO General Wesley Clark zu hören. Der schon mit der orangen Revolution vorbereitete Aufstand in der Ukraine begann als das Projekt Syrien im Juni 1212 scheiterte. Er sollte in erster Linie eine weitere wirtschaftliche Integration zwischen Russland und Europa vereiteln, die nicht nur die US-Pläne in Asien, sondern auch das Petrodollarsystem gefährden würde.
Statt nun den Westen militärisch herauszufordern, zogen es die vom Dollarsystem geschädigten unter Putins Führung bisher vor, die USA an ihrer empfindlichsten Stelle zu treffen. Die im Juli neu gegründete Entwicklungsbank (Grundkapital im Wert von 100 Milliarden $) der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) gefährdet die Rolle des Internationalen Währungsfonds IWF als letzte Instanz der weltweiten Kreditvergabe unter der Führung des Westens. Russland hat China und den Iran überzeugt, auf den Dollar als bilaterales Zahlungsmittel (bisher wickeln sie noch 75% der Geschäfte über Dollar ab) zu Gunsten der eigenen Währungen zu verzichten. Dazu wurden vor kurzem zwischen der russischen und chinesischen Zentralbank entsprechende Swap-Abkommen geschlossen.
Der Volkswirt Liam Halligan schreibt dazu am 19.7. in The Telegraph: „Wenn Peking und Moskau – die zu den größten Energie-Importeuren und -Exporteuren der Welt gehören – aufhören, die Rohstoff-Geschäfte in Dollar abzuwickeln, dann könnte das den Status der amerikanischen Währung als Reservewährung der Welt auflösen. Es würde den US-Anleihenmarkt unterminieren und Washingtons Fähigkeit erheblich komplizieren, seine großen und immer noch schnell wachsenden Schulden von 17.500 Milliarden Dollar zu finanzieren.“ Die Sanktionen gegen Russland, deren eigentliches Ziel die Torpedierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen EU-und Russland sind, entsprechen ganz und gar dieser Strategie, die in Berlin und Brüssel entweder nicht verstanden wird oder durch einen heißen Krieg überwunden werden soll. Wenn ihre Gelder ausgehen enden Imperien.
Denn wie Flynt Leverett von der New America Foundation in Washington, D.C. und Professor an der Pennsylvania State University School of International Affairs warnt: „Amerika wird zunehmend als ein Hegemon in relativem Rückgang gesehen, China wird als die hervorragende aufsteigende Macht gesehen. Selbst für die arabischen Golfstaaten, welche sich lange auf Washington als den Garanten ihrer Sicherheit verließen, sind engere Bindungen an Peking eine zwingende strategische Absicherung.“