Beißen bellende Hund?
28. Juli 2017 von admin
Die US-Demokraten wollen Russland mit Sanktionen knebeln, die Republikaner Iran und North Korea “bestrafen” – fragt sich nur weshalb. Beide Parteien haben sich auf einen Kompromiss im Sinne von „Amerika First“, koste es was es wolle, geeinigt. Daher stimmte der Kongress mit 419 gegen drei Stimmen am 26.7. dem Gesetzesentwurf über die Sanktionen, der beiden Parteien entgegenkommt, zu. Laut Paul Ryan handelt es sich, „um eines der am weitesten reichenden Sanktionspakete der Geschichte“ (Financial Times vom 26.07.2017). Der US Senat hat zwei Tage später mit 98 gegen zwei dem Gesetz zugestimmt, bei einem solchen Abstimmungsergebnis kann der US-Präsident die Unterschrift nicht verweigern.
Gleichzeitig und nur nebenbei erfährt man vom Vizevorsitzenden des Komitees der Stabschefs der US-Streitkräfte, General der Luftwaffe, Paul Selva, dass die Entscheidung über die Lieferung von letalen Waffen an die Ukraine bereits getroffen worden ist. Unklar sei nur, welche und wie viele solcher Kriegswaffen geliefert werden, „damit sie ihre Souveränität verteidigen können“. Will man im Westen nicht erklärtermaßen die Souveränität der Nationalstaaten weitgehend abschaffen? Wer dagegen ist, gilt als Populist. Oder hat dieser Beschluss zur Kriegswaffenlieferung etwas mit dem Sanktionen-Paket zu tun, wie auch der militärische Aufmarsch der NATO und die Häufung provokativer Zwischenfälle von (westlichen, je nach News Lieferanten auch russischen) Fliegern und Schiffen (aber eindeutig) an der russischen Grenze?
Im Grunde wollen die beiden anerkannten US-Parteien die europäische Konkurrenz treffen und zwar hinter vorgeschobenen politischen Tricks mit unbewiesenen Behauptungen. Selbst der US-Präsident, dessen Handlungsmöglichkeiten das Gesetz drastisch einschränkt, scheint dem Gesetzesentwurf etwas Positives für sein Land abzugewinnen. Das EU-Dumping ist übrigens seit längerer Zeit in Gang. Es richtete sich bisher gegen die europäische Autoindustrie, Banken und andere Industriezweige – nicht zuletzt aufgrund der Dummheit ihrer CEOs, die das Ausforschung ihre intimen bis kriminellen Interna durch CIA und NSA nicht wahrhaben wollten. Das Interessante daran ist, das entsprechende schädigende Maßnahmen zum großen Teil von den europäischen Atlantikern selbst betrieben oder doch gebilligt werden.
Vordergründig richtet sich der neue Vorstoß gegen die Energieversorgung Deutschlands und einiger anderer Länder der EU. Er zielt auf die Pipeline Nord Stream durch die Ostsee, die seit langem geplant und hinausgezögert, oft angefochten und politisch bekämpft wurde. Sie soll billiges Erdgas aus Russland an Ländern, die am Erdgas-Transfer nicht nur gut verdient, sondern ihn auch erpresserisch ausgenutzt haben – allen voran die Ukraine aber auch Polen – nach Europa bringen. Die Alternative wäre teures Flüssiggas aus den USA, das über polnische Terminals nach Europa gelangen soll und Polen wieder ein gewisses Erpressungspotential im Dienst der US-Politik einräumen würde. Das Gesetzesvorhaben ist einerseits gegen US-Präsident Donald Trump, dessen Vollmacht es beschneidet, gerichtet, andererseits aber stimmt sein Zweck mit Trumps Philosophie und Zielsetzung überein. Anfang Juli hatte Trump bei seinem kurzen Polenbesuch das „sichere“ Gas aus Amerika als Alternative für das „aggressive“ russische Gas propagiert. „Aggressiv“ sind für US-Amerikaner immer nur die anderen. Was sie selbst tun, dient immer nur dem Frieden, genauer betrachtet, dient es ihrer Vision der Welt-Befriedung. Seine wichtigste Aufgabe sieht der scheinbar weniger weit blickende US-Präsident darin, die Spielregeln der Weltwirtschaft entsprechend des Bedarfs der Vereinigten Staaten zu verändern.
Eigentlich geht es um die Endphase des ins Wanken geratenen Weltherrschaftsplans der Atlantiker. Sie sehen mit der wirtschaftlichen Schwäche ihres Hegemons die Realisierungschancen ihrer Pläne davon schwimmen. Der US-Kongressabgeordnete Jimmy Duncan Jr. aus Tennessee, Vertreter einer der drei Nein-Stimmen im US-Repräsentantenhaus gegen den Gesetzesentwurf hatte gegen diesen nur einzuwenden: „Härtere Sanktionen gegen Russland basieren auf der angeblichen russischen Einmischung in unsere Präsidentschaftswahlen. Wenn sie das tatsächlich getan hatten, so war es vollkommen wirkungslos. Zudem hat uns Russland vor Kurzem im Kampf gegen den IS und bei dem Erzielen des Waffenstillstands in Syrien unterstützt“, sagte er gegenüber Sputnik. Wie nichtssagend, geht es um nichts anderes?
Was sich aus den vielen Einzelmaßnahmen zusammenbraut, ist ein weltweiter Handelskrieg zwischen dem Westen und dem Rest der noch nicht westlich beglückten Welt, aber – wie es nun aussieht – auch zwischen den USA und Europa. Die europäischen Atlantiker geraten darüber offensichtlich in eine Zerreißprobe. Die einen fühlen sich von ihrem Hegemon verraten und scheinen gegen die wirtschaftlichen Knebelungsbemühungen ihrer „Verbündeten“ und „Beschützer“, die sich zu Schutzgelderpressern zu mausern scheinen, aufzubegehren (jedenfalls tun sie so). Die anderen, die Nibelungentreuen, begreifen, dass die Stärkung ihres Hegemons, von dem ihre politische Macht in Europa letztlich abhängt, nur noch auf Kosten der Wirtschaft Europas möglich zu sein scheint, weil die USA mit ihrer aggressiven Politik ihre Chancen in der noch nicht westlichen Welt wohl verspielt haben und noch dazu finanziell schwächeln (von dort ist kein Bakschisch mehr zu erwarten).
Selbst in Brüssel schreit man lautstark herum, dass die amerikanischen Russland-Sanktionen im Grunde auf die Verschlechterung der Energieversorgung Europas und damit ihrer wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit ausgerichtet sei. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hat – laut Reuters – angesichts der von den USA ohne Absprachen in Gang gesetzten Russland-Sanktionen vor einem Handelskrieg mit der Europäischen Union gewarnt. Sie hofft – laut ARD vom 20.7. – zwar nicht, dass Washington die Sanktionen beschlossen habe, um der EU zu schaden, „allein das Ergebnis ist so, dass unsere Unternehmen Schaden nehmen könnten“ und sie erklärte, dass die EU bereits Gegenmaßnahmen diskutiere: „Es gibt die Möglichkeit von Gegensanktionen, das sieht die Welthandelsorganisation so vor.“ Allerdings müsse es das Ziel bleiben, den Handel zu fördern. Es wird spannend, wie man sich in Berlin in dieser „Ja – Aber“ Situation letztendlich entscheiden wird. Hat man vergessen, dass ausgerechnet Angela Merkel (CDU) mit dem damaligen EU-Energiekommissar Günther Öttinger (CDU) im Interesse der USA mit massivem Druck auf die Anrainerstaaten – allen voran auf Bulgarien – das South-Stream-Projekts zu Fall gebracht hat? Ist es denkbar, dass man sich dort einmal nicht wie der 51. Staat der USA gebärden könnte (jetzt, wo Seehofer ausgerechnet den Oberatlantiker Karl-Theordor usw von Guttenberg aus den USA zurückholt und politisch rehabilitieren möchte). Die bisherigen „Entscheidungen“ Berlins und Brüssels lassen jedenfalls nichts „Populistisches“ erwarten, also nichts im Interesse der Menschen in Europa, sondern wie üblich braven anglo-amerikanischen Gehorsam. CDU-Politiker Roderich Kiesewetter hat im Deutschlandfunk schon mit dem Kotau vor dem anglo-amerikanischen Establishment begonnen. Lassen wir uns überraschen, ob und wie die anderen folgen.
Es scheint, dass nicht alle Etablierten in der Bundesrepublik den Kopf nur noch zum Nicken und zum Haareschneiden haben. Folker Hellmeyer, der Chefanalyst der Bremer Landesbank trug in den Deutschen Wirtschaftsnachrichten vom 24.7. interessante Einschätzungen zu den Sanktionen vor, aus denen im Folgenden einige zitiert werden, weil Der Spatz sie weitgehend teilt:
„Hinsichtlich der innenpolitischen Konfliktsituation in den USA, in der eine Russlandphobie von den neokonservativen Kreisen in beiden etablierten Parteien, in der Administration und in großen Teilen der Medien … geschürt wird, ist diese verschärfte Sanktionspolitik zum Teil zu erklären. Ein zweiter Erklärungsansatz ergibt sich aus der strukturellen Schwäche der USA, die sich auch konjunkturell seit 2016 erkennbar niederschlägt und die ultimativ die politische Kraft der USA auf globaler Ebene sukzessive unterminiert. Vor diesem Hintergrund geht es der Trump-Administration darum, im internationalen Energiegeschäft und darüber hinaus, Marktanteile zu gewinnen und Dritte wirtschaftlich sowie politisch in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen. Implizit stellt sich perspektivisch damit eine Machtfrage im westlichen Sektor. Die US-Sanktionspolitik schwächt die Wirtschaftskräfte der Eurozone. Sie stellt einen Angriff auf ihre wirtschaftliche und damit politische Souveränität dar… Die Sanktionen wirken gegen Russland, gegen die EU und gegen Deutschland. Sie wirken gegen die eurasische Kooperation. Abgesehen davon bewegen wir uns schon seit Jahren in einer verdeckten Auseinandersetzung zwischen dem Westen und den aufstrebenden Ländern unter Führung Pekings und Moskaus…
„Europa ist auf Energie-Importe angewiesen. Deutschland ist der energieintensivste Industriestandort Europas. Ergo spielt der Preis der Energie für Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen eine tragende Rolle. Wir reden hier über den Kapitalstock einer Wirtschaft, dem Rückgrat der Wirtschaft, der elementar für gesellschaftspolitische Stabilität ist. Wer dieses Thema kleinschreibt, versündigt sich an der Zukunft.… Wenn Europa sich auf LNG-Gas der USA verließe, ergäbe sich daraus eine (weitere, erg.) politische Abhängigkeit von den USA. Ich erinnere daran, dass Russland zu keinem Zeitpunkt, auch nicht zu den hitzigsten Zeiten im Kalten Krieg, Energie als Waffe eingesetzt hat. Bezüglich der Vereinigten Staaten darf man begründete Fragen stellen. Wie viele Staaten haben die USA aus kurzfristigen strategischen Gründen fallen gelassen? Wie vertrauenswürdig ist eine Trump-Administration, wenn man sich auf die USA und LNG-Gas verlässt? Wie sagte mir ein ehemaliger US-Diplomat so treffend: „Wir haben keine Freunde, wir haben Partner für unsere Zwecke!“ … In jüngerer Zeit hat die Ukraine am Gashahn bei der Durchleitung gedreht – nicht Russland. So viel zu den Freunden. Russland funktioniert nicht nach dem westlichen drei Monats-Bilanzierungs-Prinzip. Da geht es nicht um einen kurzfristigen Effekt oder Gewinn. Russland war auch im Kalten Krieg immer verlässlich.
„Für die EU würden sich zunächst die Energieträger verteuern, da der Aufbau der Infrastruktur und das US-LNG-Gas ihren Preis haben. Das hätte auf die Konkurrenzfähigkeit des Standorts EU negative Folgen. Entscheidender wäre aber der Bruch, der sich dann durch Europa noch stärker manifestieren würde. Die Zukunft der europäischen Wirtschaft hängt nicht vorrangig an den USA, sondern an den aufstrebenden Ländern mit dem von China forcierten Projekt „One Belt – One Road“ gehört.
„Ich möchte das an ein paar Zahlen des IWF deutlich machen. 1990 zu Beginn der Globalisierung hatten die aufstrebenden Länder einen Anteil von circa 20 % am Welt-BIP. Heute liegt ihr Anteil bei 63 %. Das Wachstum dieser Länder liegt bei mindestens 4 %. In absehbarer Zeit werden diese Länder für 70 % des Welt-BIP und mehr stehen. Sie kontrollieren 70 % der Devisenreserven des Globus. Sie stellen circa 88 % der Weltbevölkerung. Der Anteil des Westens hat sich drastisch verringert. Das ist eine massive Änderung der finanz-ökonomischen Machtachse. Mit welchen Regionen der Welt sollte Europa wohl Freihandelsabkommen entwickeln und abschließen? Können Sie rechnen? Ist die europäische Handelspolitik nicht der Blick in den Rückspiegel? Sollte der Blick nicht nach vorne auf die Frontscheibe gerichtet sein? Wenn die US-Sanktionspolitik die EU von diesen Projekten und den daraus resultierenden ökonomischen Chancen fernhält, verlieren wir auf mittlere Sicht den Wohlstand und die Stabilität, die wir derzeit noch genießen.
„Wir sind heute mit hybriden Kriegen konfrontiert. Stellvertreterkriege von Afghanistan, Irak über Libyen bis in die Ukraine und Syrien. Ja, Wirtschaftskriege gehören dazu – Finanzkriege ebenso. Diese Absurditäten sind Facetten der aktuellen Auseinandersetzung. Und genau aus diesen Gründen emanzipieren sich die aufstrebenden Länder unter Führung Chinas und auch Moskaus vom Westen. Sie gründeten ihre eigene Weltbank – die AIIB. Sie gründeten ihren eigenen IWF – die New Development Bank. Sie gründeten ein eigenes internationales Zahlungssystem CIPS als Alternative zu SWIFT.
„Die einfachste Methode (sich Sanktionsdrohungen zu entziehen, erg.) besteht darin, den US-Dollar aus dem Rechenwerk zu eliminieren. Die aufstrebenden Länder gehen zunehmend diesen Weg. Sie wickeln immer stärker bilateralen Handel in ihren Währungen ab. So etwas passiert, wenn ein Hegemon seine Gutmütigkeit verloren hat.“ Soweit die Zitate. Die Regierenden und ihre Medien wissen also, was die Stunde schlägt, ducken sich aber aus Angst vor persönlichen Nachteilen weg. Dank an den Bankier Folker Hellmeyer für die offenen Worte.
3 Reaktionen zu “Beißen bellende Hund?”
…. noch etwas sehr Wichtiges hat der Banker Hellmeyer hellsichtig durchblicken lassen: Wer zwischen den Zeilen lesen kann, der darf auch annehmen, daß auch die weltweite Spionage der NSA ein wichtige Rolle spielt, wenn es um Angriffe gegen EU- und Deutsche-Wirtschaft geht. Die jeweiligen Schwachstellen wurden ausgeforscht und werden (jetzt wieder) genutzt. Jetzt hat es eben böse Folgen, daß die deutsche Regierung und die deutsche Wirtschaft die NSA-Spionage so duldsam hingenommen hat und weiter hinnimmt!
Die BRD (Blinder Rest Deutschland) ist und bleibt nun einmal US
Sklave, und die Sklavenchefin folgt brav den Anweisungen aus
Washington! Doch es gab auch Sklavenaufstände, wenn die Zeit
reif dafür war!
Die Großen hören auf zu herrschen wenn die Kleinen aufhören zu
kriechen! (F. Schiller)
Bei allen Vorbehalten zu Rußland schätze ich, eine Nach-Merkel-Regierung sollte sich unter Ausschluß der US-Amerikaner noch einmal mit den Russen im kalten Tauroggen treffen….