Stinkt’s im Westen?
13. Oktober 2017 von admin
Diesel und NOx ist die letzte Sau, die gerade zur Gaudi der Gesellschaftsplaner durch das Dorf gejagt wird – und alle juchtzen dabei oder dagegen mit. Dazu etwas aus einer älteren Äußerung der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft: „… hohe Stickstoffeinträge aus der Luft, die als Dünger für die Bäume wirken, tragen (neben CO2, erg.) zu der hohen Wuchsleistung der Wälder bei.“ Wie linientreu muss man sein, um mit der neuen Sau mitzulaufen, – und – wie wird man „auf Linie“ gebracht?
Der neue Wirtschaftsnobelpreisträger, Richard Thaler, hat sich um die Beantwortung der Frage verdient gemacht. Die gleiche Ehrung hatte schon früher (2002) für die gleiche Bemühung der US-Psychologe Daniel Kahneman bekommen. Dafür wurde nun der Verhaltensforscher Thaler geehrt. Wie die neueren Markt-Ideologen beklagte er, dass sich die Menschen irrational verhielten und deshalb die Markt-Beglückungen nicht einträten. Was können/sollen die Machthaber tun, damit sich die Leute nicht mehr wirtschaftlich irrational verhalten (d.h. sich von sozialen Gefühlen wie Mitgefühl, Solidarität, Anerkennung, gesellige Rücksichtsnahmen etc (ver)leiten lassen). Das mit Überzeugungsarbeit ändern zu wollen, wäre wirtschaftlich zu aufwendig, es (wie wie „Diktatoren“) mit „Nötigung“ zu versuchen, würde nur lästige Widerborstigkeit auslösen. Näher liegt da schon, die Irrationalitäten zu benutzen, um das Verhalten der Menschen unauffällig in die „richtige“ d.h. die gewünschte Richtung zu „stupsen“ (nudging), so dass sie sich quasi „aus freien Stücken“ herrschaftskonform verhalten. Thaler nennt das seinen „Libertären Paternalismus“. Was er da vorschlägt ist so neu nicht. Im Grunde wendet er alles das an, was die Werbe-Fuzies der früheren Jahre – wie z.B. Ernest Dichters in: „Strategie im Reich der Wünsche“ – herausgefunden haben, um dem Publikum Produkte, die es eigentlich nicht benötigt, zu einem überhöhten Preis zu verkaufen. Neu ist bei Thaler, dass er die Erkenntnisse auf den Verkauf gesellschaftspolitisch erwünschter Verhaltensweisen anwendet; natürlich hat er als Professor dabei all die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften berücksichtigt, die die Berufs-Manipulierer zwischenzeitlich noch so herausgetüftelt hatten.
Aber vielleicht gab es noch eine andere Leistung des Professors, die ihn dem Komitee zur Wahl als Wirtschaftsnobelpreisträger empfohlen hat. Darauf hat Telepolis hingewiesen (siehe). Thaler hat, als die indische Regierung die „großen“ Geldscheine über 1000 und 2000 Rupien (also über 13,02 und 26,04 €!), aus dem Verkehr gezogen hat, anerkennend getwittert, das sei „eine Politik, die er seit langem unterstützt“ – ein „erster Schritt in eine bargeldlose Gesellschaft“ und ein „guter Anfang, um Korruption zu verringern“. Wessen Korruption er meinte, hat der Anstups-Spezialist nicht ausgeführt, wohl aber, dass es ihm um die Durchsetzung der „bargeldlosen“ und damit einer der Geldmanipulation völlig wehrlos ausgelieferten Bevölkerung gehe. Die Vorbereitungen in Indien hatte der Ökonomieprofessor an der Universität Chicago (und von 2003 bis 2006 Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds IWF), Rajan, als Präsident der indischen Notenbank getroffen. Rajan gehört auch der in Washington angesiedelten Group of Thirty an. In ihr stimmen hinter verschlossenen Türen Vertreter der großen privaten Finanzinstitute mit den Spitzen der wichtigsten Notenbanken ihre Vorgehensweisen ab. Mario Draghi, der Chef der EZB gehört dazu. Wir sollen wohl in die bargeldlose Gesellschaft „gestupst“ werden.
Möglicherweise dem gleichen Zweck dient neuerdings ein anderes Gerede. „Wir arbeiten nicht mit Verboten,“ sagte die Kanzlerin, „sondern wir wollen Übergänge vernünftig ermöglichen.“ „Im Blick auf die Beschäftigten und auf den technologischen Wandel“ forderte sie bei der „Digitalisierung Deutschlands“ weitere Anstrengungen (Die Welt am 5.9.). Das gelte für die Wirtschaft genauso wie für die Verwaltung. Am 8.10 erklärte nun auch Martin Schulz in der Augsburger Allgemeinen, er wolle SPD-Chef bleiben, „denn die Herausforderungen der Globalisierung und der Digitalisierung seien nur europäisch zu bestehen, und Europa sei sein Thema.“ Schon länger forderte FDP-Chef Christian Lindner einen „Weltmeisterplan für die Digitalisierung“ und „Bedenken erst später“, denn „die Digitalisierung kann unser Leben einfacher, besser und sicherer machen.“ (Handelblatt 1.9. und Homepage der FDP). Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, durfte da nicht fehlen. In ihrem Interview mit dem Südwestfunk vom 7.10.2017 nannte sie die „Digitalisierung die größte Herausforderung“, und daher „muss die SPD ihre Programmatik grundsätzlich überarbeiten“, um „die Fragen der Zeit und der Zukunft“ zu beantworten. Das habe die SPD in diesem Wahlkampf „nur bruchstückhaft gemacht“.
Was soll der plötzliche Rummel um die seit Jahrzehnen laufende Digitalisierung? Vielleicht findet die Bertelsmann Stiftung in ihrer Veranstaltungsreihe „Zukunft der Demokratie“, die am 19. 9. im Schloss Bellevue mit der berechtigten Frage begann „Welche Zukunft hat der Westen?“ und die der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier moderieren durfte, darauf eine Antwort? Denn die Demokratien des Westens würden zurzeit eine Phase tiefgreifender politischer, technologischer, kultureller und sozialer Veränderungen erleben. „Es ist eine der großen Herausforderungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, den Wandel sozialverträglich zu gestalten. Es gilt nicht nur, möglichst viele Menschen auf diesem Weg der Veränderung mitzunehmen, sondern ihnen auch aktive Teilhabe an der Fortschreibung der Demokratie zu ermöglichen“, meinte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende bei Bertelmann, Liz Mohn über das Vorhaben.
Der Spatz war leider nicht dabei, um zu hören, was der Bundespräsident in seinem Vortrag zur Frage „Welche Zukunft hat der Westen?“ gesagt hat, oder der ebenfalls zu einem Vortrag geladene indisch-amerikanische Politikwissenschaftler und Strategieberater Parag Khanna. Er ist CNN-Experte für Globalisierung und Geopolitik, arbeitet für den Council on Foreign Relations, für das World Economic Forum und die Brookings Institution. 2007 war er geopolitischer Berater der United States Special Operations Forces in Irak und Afghanistan unter Barack Obama. Auch Susan Neiman, eine US-amerikanische Philosophin soll zu Wort gekommen sein. Sie hatte gelegentlich über die Infantilisierung der westlichen Gesellschaft und den materialistischen Wohlstand des Westens geklagt. Will sie ihn abschaffen? So etwas würde niemand so direkt sagen. Was sie hingegen empfiehlt, ist unterstützenswert: Das Lesen von Klassikern, Lernen von Fremdsprachen und Reisen, aber vor allem, dass es dem digitalem Medienkonsum der Kinder Grenzen zu setzen gelte. Ganz anders als von ihr dürfte vom Vierten im Bunde, von Heinrich August Winkler (Humboldt-Universität Berlin), kaum Kritischen zum Westen zu erwarten sein. So etwas wäre auf seinem „langen Weg nach Westen“ (so sein zweibändiges Opus) nur hinderlich und würde nur die Konstruktion eines „ungebrochenen deutschen Nationalbewusstseins“ dienen, das es eher – wie geschehen – zu brechen gelte. Also: Vom Westen kaum Neues.
Ob dort auch über die jüngste, unangekündigte Entfaltung zusätzlicher Militäreinheiten der NATO, die Verlegung einer zusätzlichen Panzerbrigade an die polnisch-russische Grenze, und die damit verbundene Absicht gesprochen wurde, was sicherlich einiges mit der Zukunft des Westens (und der Welt) zu tun hat, ist dem Spatz daher nicht bekannt. Auch nicht, ob man sich über den Kurs der Revision der wichtigsten internationalen Verträge im Bereich der Wirtschaft und der strategischen Stabilität seitens der US-Führung unterhalten hat. Nur auf den folgenden bedenkenswerten Kommentar ist der Spatz gestoßen: „Wer über viel Geld und/oder publizistische Macht verfügt, bestimmt über weite Strecken die öffentliche und veröffentlichte Meinung und damit auch die politischen Entscheidungen. Mit Demokratie hat das alles nichts mehr zu tun.“
“Ditching deals has become Trump’s main foreign policy” (Versenken/Wegschmeißen von Verträgen wurde zu Trumps hauptsächlicher Außenpolitik) titelte ein Adam Taylor am 13.10. in To Day’s World View der Washington Post und zählte u.a. den Austritt aus der UNESCO auf, dazu die Beendigung der Teilnahme an der Trans-Pacific Partnership (mit 11 Nationen), den Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen, die Ankündigung, das Atomabkommen mit dem Iran zu “decertify” (entglaubigen), ebenso das Ende des North American Free Trade Agreement (NAFTA) mit Mexico und Kanada. Außerdem habe sich der US-Präsident negativ über eine Reihe weiterer internationaler Abkommen und Organisationen geäußert, dazu gehöre selbst die NATO, ein Handelsabkommen mit Südkorea und Atom- und andere Abrüstungsabkommen mit Russland. Letzteres geschieht unter dem Vorwand des russisch, weißrussischen Militärmanövers „Zapad 2017“ mit 12.700 Soldaten auf dem Territorium von Russland und Weißrussland (dass Schweden und NATO neben an, mit einer ähnlichen Zielsetzung und zeitgleich mit 19,500 Mann das Manöver „Aurora 17“ abhielten, spielte in der entsprechenden Medienhysterie gegen das russische Manöver keine Rolle).
Was beabsichtigen die USA mit den Vertrags-Kündigungen. Geht es Trump persönlich nur darum, seinem Vorgänger Obama eins auszuwischen? Wer wollte einen solchen Stuss glauben? Sind die Abkommen für Trump zu “costly and unnecessary” oder nur zu bürokratisch? Das ist kaum überzeugend: Schließlich geht es um die weitere Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der US-Politik. Taylor meint, Trump sei lediglich ein „Unilateralist“ und wolle nicht, dass ihm irgendjemand bei dem, was er tut, hineinredet. Aber tun das nicht gerade die Bürokraten in Washington unter Aufsicht des Stabchefs im Weißen Hauses, General John Kelly, so weitgehend, dass Trumps ursprüngliche Pläne quasi auf dem Kopf stehen und derjenige, der auszog „den Sumpf trocken zu legen“, nun im Sumpf versinkt?
Ein anderer Erklärungsversuch verweist auf Folgendes: Drei Mal soll Trump einen Berater im Laufe eines längeren Briefings gefragt haben: „Wenn wir schon Nukes haben, warum können wir sie dann nicht einsetzen.” Das berichtete ein Joe Scarborough in seiner „Morning Joe“ Sendung beim Sender MSNBC am 3.8.2016 (laut cnbc.com). Dient das widersprüchliche Chaos in Trumps Russland-Politik, der Gegensatz zwischen den Willensbeteuerungen und dem tatsächlichen Tun und schließlich die bloße Vortäuschung eines Kampf gegen den IS in jüngster Zeit dazu, die Frage zu beantworten?
Zur Schonung des IS durch seine angeblichen Bekämpfer sagte Michael Carley, Geschichtsprofessor an der Universität von Montreal, kürzlich. Die USA „tun so, als würden sie gegen die Terroristen kämpfen. Aber in Wirklichkeit beachten sie den IS oftmals gar nicht. Die Amerikaner haben einfach Spaß daran, Wüstensand zu bombardieren.“ Und weiter: zum Beispiel vor ein paar Jahren „als Palmyra vom IS angegriffen und besetzt wurde, brauchten die Terroristen drei Tage, um die Wüste zu durchqueren. Die Amerikaner wussten davon und ließen sie gewähren.“… „Davor hatte es Berichte gegeben, die CIA habe Terroristen aus Libyen nach der Zerstörung dieses Landes bewaffnet und nach Syrien geschickt.“ Es gebe wohl nur eine Gruppe, die von den Verwicklungen zwischen den USA und dem IS nichts wisse: „Die amerikanische Öffentlichkeit“, meinte der Experte. Alle anderen wüssten, dass die US-Regierung in Syrien zwei Ziele verfolgen 1. „Baschar al-Assad zu stürzen und das Land aufzuteilen“ 2. „Es Russland heimzuzahlen.“
Wesentlich ernster: „Im Rahmen des US-Programms Prompt Global Strike (PGS) hat das Pentagon schon seit längerem mit der Entwicklung eines Hyperschall-Raketensystems begonnen“. Laut dem Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Alexander Jemeljanow, wollen die USA dadurch das derzeitige Kräfteverhältnis stören und die eigene globale strategische Dominanz absichern. Hat das etwa Zukunft? Fragt danach mal Bertelmann und seinen Bundespräsidenten!
3 Reaktionen zu “Stinkt’s im Westen?”
Zur Frage „Was soll der plötzliche Rummel um die seit Jahrzehnten laufende Digitalisierung?“:
Neben Bargeldabschaffung ist es ein Synonym für Künstliche Intelligenz. Und modern hört es sich sowieso an…
Lieber Helmut ,
ein Faktenreicher,guter Artikel.
„Nur bezüglich der Vollständigkeit:
Sveriges Riksbanks pris i ekonomisk vetenskap till Alfred Nobels minne, wörtlich „Preis der Schwedischen Reichsbank in Wirtschaftswissenschaft zur Erinnerung an Alfred Nobel“) ist ein 1968 von der Schwedischen Reichsbank anlässlich ihres 300-jährigen Bestehens gestifteter und 1969 erstmals verliehener[1] Preis“
also: KEIN Nobelpreis
Grüße aus dem Norden
Ich weiß. aber man nennt ihn trotzdem so.