Der Westen, wohin?
6. Juli 2018 von admin
Die Bank of Russia stockt laut Bloomberg zurzeit ihre Yuan-Holdings auf. Im April hat sie die Hälfte der US-Staatsanleihen verkauft. Dafür erhöhen Russland und China stetig ihre Goldreserven. Im Mai kaufte die russische Zentralbank fast 19 Tonnen Gold. Offiziell besitzt das Land jetzt 1.928 Tonnen Gold. Das wären 17,6 Prozent der Währungsreserven. Insider meinen, Russland horte wesentlich mehr Gold. Also China und Russland stocken ihre Goldreserven auf und bauen ihre Holdings an US-Dollar und Euro ab.
Dahinter steht eine Logik: Wieder laut „Bloomberg“ haben sich am 1.7.18 in Tokio die Handelsminister von 16 asiatischen Ländern getroffen, die zum Jahresende den größten Freihandelsblock der Welt gründen wollen. Die USA sind nicht dabei, nachdem US-Präsident Trump die „Transpazifische Partnerschaft“ hatte platzen lassen, weil er Peking aus der Partnerschaft ausschließen wollte. US-Experten hatten beim Containment Chinas auf Japan und Indien gesetzt, um angesichts der alten Konflikte Chinas mit Indien und Japan „Peking mit fremden Händen zu erwürgen“. China sollte isoliert und in Asien von Ländern umgeben sein, deren Handelspolitik von Washington bestimmt wird. China, Japan und Indien, die einander bislang aus Neid und Streit um die wirtschaftliche Vormachtstellungen im südasiatischen Raum nicht grün waren, haben nun die Bildung der neuen Freihandelszone angeregt. Das dürfte „den Westen“ beunruhigen. Nicht nur weil damit die gegen China gerichteten Zölle der USA ihre Wirkung verlieren. Sie müssten sich, um wirksam zu sein, gegen alle 16 Länder der Handelszone richten, also auch gegen Japan, Indien, Südkorea, Australien, Neuseeland u.a., die aus pragmatischen Gründen ihre proamerikanische Position aufzugeben bereit sind. Chinas Isolation ist gescheitert. Der neue Wirtschaftsblock umfasst rund ein Drittel der Weltwirtschaftsleistung und etwa die Hälfte der Weltbevölkerung.
Zurzeit stehen weltweit Umbrüche an. China erstarkt, verbündet sich mit Russland und beide werden mit ihrer „One Belt One Road“ Entwicklungspolitik zum Alptraum westlicher Weltbeherrschungs-Strategien, wie sie von Halford J. Mackinder bis Zbigniew Brzezinski geplant worden waren. Jošihiro F. Fukujama liegt mit seinem „Ende der Geschichte“ daneben, die Geschichte bleibt in Bewegung und treibt auf die politische Umgestaltung des Globus, insbesondere Asiens zu.
Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel hatte mit seiner Aussage, das westliche Bündnis stehe weltpolitische an „einer historischen Wegscheide, wie sie die Welt nur alle paar Jahrhunderte erlebt,“ und es entscheide sich nun, ob wir „den Beginn eines neuen asiatischen Zeitalters und die Selbstaufgabe des Westens“ erleben, wohl Recht (auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 17.2.2018). Ob er auch mit seiner Hoffnung auf eine „Machtprojektion in die Welt“, die auf „das Militärische nicht verzichten dürfe,“ Recht hat, ist angesichts der neuesten Waffenentwicklungen in Russland und China fragwürdig.
Allerdings scheint auch US-Präsident D. Trump andere Vorstellungen von der Rolle der USA in der künftigen Welt zu hegen als das „westliche“ Establishment mit Symbolfiguren wie u.a. Hillary Clinton, Angela Merkel u.a. Noch hat er sich gegen das US-Establishment nicht ganz durchgesetzt. Doch scheint er inzwischen mit gewissen Dokumenten, die den Angriff auf das World Trade Center 9/11 betreffen, starke Waffen in die Hand bekommen zu haben, um seine Gegner zum Schweigen zu bringen. Auch scheint er von der von Steven R. Mann bereits 1992 konzipierte „Strategie Chaos“ abzurücken, auf die Admiral Arthur K. Cebrowski das US-Militär auszurichten hatte und die sein Assistent Thomas P. M. Barnett einer breiteren staatstragenden Schicht möglichst unauffällig vermitteln sollte.
Mann und Cebrowski gingen von der Tatsache aus, dass sich „real“-produktive Arbeitsplätze aus dem Westen weitgehend in die „zu integrierenden Ländern“ außerhalb der USA zurückgezogen haben. Eine direkte Übernahme dieser Niedriglohnländer sei nicht erforderlich. Es genüge den USA, mit ihrem Militär den Zugang zu den Rohstoffen in den entsprechend „nicht zu integrierenden“ Rohstoffländern zu kontrollieren. Dazu brauche man diese Länder nicht zu übernehmen und sollte das aus wirtschaftlichen Gründen auch nicht. Es genüge diese Rohstoffländer ins Chaos zu stürzen, damit dort nur noch mit Unterstützung des US-Militärs gegen entsprechende Kostenbeteiligung Rohstoffe gewonnen werden können. Keinen Verantwortlichen im Westen kümmerte, wie sich eine solche Strategie zu den viel beschworenen „Werten der westlichen Wertegemeinschaft“ verhält. Wenn es um die Macht geht, steht die Werte-Moral hintan.
Andererseits zerfällt der gesellschaftliche Zusammenhalt im Westen. Das zeigt sich nicht nur in den „Banlieue“. Die Gewalt ist von dort längst auf das Zentrum von Paris und in andere Städte übergesprungen. „Das derzeitige Niveau der Gewalt und Aggression von Linksextremisten sowohl gegen Polizeibeamte als auch gegen zivile Personen und Einrichtungen ist besorgniserregend“, warnte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen kürzlich. Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, wird diesen Schwarzen Peter nach rechts vergeben wollen, was die Sache nicht harmloser macht. Und dann ist da noch das Flüchtlingsproblem. Den gesellschaftlichen Zerfallsprozess erleben die Bürger auch an sich und nehmen ihn zunehmend in ihrer Umgebung als Folge „der Atomisierung der Gesellschaft“ wahr. Diese macht sich nicht nur durch die extreme Spreizung der Vermögen bemerkbar, sondern vor allem durch soziale und mentale Verwerfungen, zunehmende geistige Krankheiten und Belastungen (Drogenkonsum, Burnout-Depressionen etc.), welche die Umwandlung der abendländischen in eine „Marktgesellschaft“ (nach K. Polanyi) verursacht hat und die immer deutlicher in Erscheinung treten.
Seit über 200 Jahren setzt sich diese Umwandlung in Verbindung mit dem Ausbau des British Empire allmählich durch. Als sich das britische Empire zu schwach erwies, sein Ziel, die weltweite Durchsetzung der britischen Zivilisation, zu erreichen, griff es geschickt auf seine erstarkten zuvor abgefallenen Kolonien in Nordamerika zurück. Die Führungsclique des Empires drang in die republikanischen Strukturen der USA ein und veränderte diese in zwei Weltkriegen und danach. Dabei wurde aus dem alten britischen Kolonialismus der neue finanzpolitische, „antiimperialistische Imperialismus“ unter Führung der neuen US-Elite. Der Ausbau der „Internationalen Treuhänderschaft“ zur endgültigen politischen Organisation „des Westens“ erfolgte nach Breton Woods 1944 und – radikaler – nach 1971 mit der Einführung des Fiat-Money-System auf den Finanzmärkten.
Das führte unter den sich aus der Globalisierung der Märkte ergebenden inneren Widersprüchen zu Umformung der westlichen Gesellschaftsformation. Sie ging einher mit der Bildung und dem Erstarken einer trans- oder supernationalen Schattenregierung als der eigentlichen Regierung hinter den Regierungen der westlichen Staaten. In den USA bildet sich unter der Regie dieser Schattenregierung zusätzlich ein sogenannter „Deep State“ aus den oberen Rängen der „ständigen Bürokratie“, die eine mächtige Lobby handhabt.
Die Schattenregierung des Westens beruht auf den Spitzen des Industriell-militärischen Komplexes, den Größen der „Finanzindustrie“ der Wallstreet und der Leitung des geheimdienstlich-überwachungs-technologischen Komplexes von Silicon Valley. Diese Troika konnte ihre Macht nach 1945 im Kampf des Westens gegen Kommunismus und Nationalismus und beim Ausbau der materiellen Basis des Westens sammeln und festigen. Sie leitete die Umorientierung des Westens in Richtung „nachindustrieller“ oder „stationärer Gesellschaft“ ein und rückte schließlich das „fiktive Kapital“ ins Zentrum westlicher Wirtschaftspolitik.
Nach 1945 operierte der Westen noch der Maxime: Man muss nicht aufwendig von außen auf einen anderen Staat einwirken; es ist einfacher und kostensparender, in solchen Staaten bereits im Vorfeld von innen heraus gewünschte soziale Kettenreaktionen in Gang zu setzen, die einen Regime Change ohne größeren Aufwand ermöglichen. Diese Strategie begann im Nahen Osten zu versagen und der von ihr ausgelöste Terrorismus scheint der westlichen Führung zu entgleiten. Sie wurde um die Jahrtausendwende durch die „Strategie Chaos“ abgelöst.
Die sogenannten westlichen „Werte“ haben sich längst von der politischen Praxis getrennt. Diese „Werte“ hatten sich im Zuge der bürgerlichen Revolte gegen die Adelsherrschaft gebildet. Sie wandelten sich aufgrund der inhärenten Widersprüchlichkeit der bürgerlichen Revolution, beziehen sich ihrem Wesen nach immer noch auf dieser Revolte. Wesentliche Änderungen erlebte Wertewelt, als neben den für sie konstitutive Märkte produzierter Güter, ein widernatürlicher Arbeitsmarkt, dann ein Geldmarkt unter der marktbestimmenden Vorgabe der Knappheit, und, um die Knappheit trotz erhöhter Produktivität zu rechtfertigen, ein Markt für Grund- und Boden mit den dort enthaltenen Rohstoffen geschaffen wurde. Schließlich hat der Waren-Charakter der Informationen, auch den Wert „Informationsfreiheit“ zur Farce werden lassen.
Nun fragt sich, was in der zur Marktgesellschaft gemauserten Gesellschaftsformation des Westens von den beschworenen Werten der westlichen Wertegemeinschaft, wie „Freiheit und Demokratie“, Gleichheit vor dem Gesetz, Meinungsfreiheit, und Rechtsstaatlichkeit in der gesellschaftlichen Realität des Westens noch gilt. Sind sie nur noch ein Propaganda-Instrument für die „Nationalen Interessen“ des anglo-amerikanischen Establishments wie es der International Broadcasting Act von 1994 und seine späteren Amendements andeuten?
Was kommt nach dem „Zerreißen“ („rip“) der sogenannten liberalen Weltordnung, von der selbst der Präsident des Council on Foreign Relations, Richard N. Haass, am 21.3.18 schrieb (https://www.cfr.org/article/liberal-world-order-rip.)? Was meinte UN-Generalsekretär Guterres, als er am 20.6.18 Putin in Moskau sagte: „Jetzt betonen wir insbesondere und zusätzlich, dass Russland ein unersetzbares Element zur Gründung einer neuen multipolaren Weltordnung ist.“ Und läuft nicht auch US-Präsident Trumps „America First“ auf den Abschied der USA von ihrer bisher angestrebten unipolaren Weltordnung hinaus?
Der Westen ist noch nicht am Ende aber auf dem Weg dorthin. Warum das so ist, behandelt mein als Manuskript vorliegendes Buch mit dem Titel Der Westen ein Abgesang, Entstehung und Zukunft der westlichen Marktgesellschaft. Der Zersetzungspilz kommt nicht von außen, – von Russland oder China – er steckt in den Auswirkungen der westlichen Gesellschaftsformation, der „Marktgesellschaft“. Wie die Zersetzung von innen heraus erfolgt, beschreibt der Text. Die Aussagen des Textes erstrecken sich auf 210 engbeschriebenen DINA 4 Seiten und sind in 875 Anmerkungen gut belegt. Das Manuskript sucht noch einen Verlag. Er kann als PDF-Datei für € 15 per e-mail oder auf CD erworben werden oder nach einer möglichen Veröffentlich zu einem anderen Preis.
1 Reaktion zu “Der Westen, wohin?”
Sie scheinen den Blog „Analitik“ zu lesen. 😉
Warum reihen Sie sich nicht unter die Autoren von rubikon.news?
Dort wuerden Sie vermutlich eine groesseres Publikum erreichen.