Sich selbst der nächste statt Kooperation
7. Dezember 2018 von admin
Apps für das Smartphone sind ein Verkaufsschlager. Und welche liegen an der Spitze der Nachfrage? Google und Apple wissen die Antwort (dafür wurden sie ja auch geschaffen): Im Trend liegen Apps rund um Wellness und Selbstfürsorge vorne. Das ist in der Marktgesellschaft (nicht unbedingt in der „Marktwirtschaft“) systembedingt, wie auch die folgende Meldung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft aufgrund einer Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen. Danach sind Nervenkrankheiten mit 32% (2015 noch 31%) die häufigste Invaliditätsursache in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Dazu zählen vor allem auch psychische Erkrankungen. Neben den Nervenkrankheiten belegen solche des Skeletts und Bewegungsapparats mit 24% den zweiten, Krebs und Tumore mit 15% den dritten Platz gefolgt von Unfällen (9%) Herz- und Gefäßprobleme (7%), die letzten 15% teilen sich übrige Erkrankungen. Luther nannte die Selbstbezogenheit („incurvatus in se ipse“) den Grund aller Sünde. Selbstbezogenheit definiert als Geldgewinn statt Zusammenarbeit ist das Prinzip der Marktgesellschaft. Sie ruiniert auf Dauer den Menschen.
Das tut sie nicht nur psychisch, sondern auch wirtschaftlich. Nach Meinung von Prof. Dr. Lucrezia Reichlin 2005-2008 Leiterin des Bereichs Forschung bei der EZB droht die Europäische Union an zwei Fronten zu zerbrechen. Die eine ist das bröckelnde Wirtschaftswachstum der Eurozone. Das BIP der EU hat 2017 seinen Höhepunkt erreicht und befindet sich seitdem im freien Fall. Selbst in Deutschland, der stärksten Wirtschaftsnation Europas, bricht aktuell das Wachstum ein. Dabei hat die EZB bereits alle ihre Instrumente verspielt, um eine Wertbereinigungskrise zu verhindern. Die Leitzinsen sind bereits auf Null und ihr Anlagenkaufprogramm überschwemmt die Finanzmärkte mit Kreditgeld, das die Wirtschaft bei zu hochverschuldeten Unternehmen und Haushalten nicht ankurbeln kann. Dazu kommt die politische Krise. Italien rebelliert offen gegen das Europäischen Parlament und weigert sich, die Budgetvorgaben Europas umzusetzen, in Frankreich wütet eine wachsende Menge von Gelb-Vesten gegen den ihm trickreich (und kostenintensiv) unterschobenen Globalisten-Boy Macron. Die vier Visegrad-Länder bilden eine geschlossene Front gegen die Immigrationsquoten des EU-Parlaments. Die bornierte Europapolitik der deutschen Kanzlerin verärgert zunehmend ihre Politikerkollegen in Europa.
„Eine neue Rezession würde dafür sorgen, dass die Finanzmärkte noch stärker entlang ihrer Ländergrenzen gespalten werden. Das Risiko von Staats- und Bankenkrisen würde dadurch massiv ansteigen. Viele Länder haben kaum noch Möglichkeiten, solche Krisen zu bekämpfen.“ meint Frau Reichlin und weiter: „Es gibt keine Institution und keinen Mechanismus, der aktuell noch der gesamten Eurozone einen finanziellen Stimulus verpassen kann. Das würde Reformen benötigen und die sind in den nächsten Monaten nicht vorgesehen.“
Die EU-Finanzminister trafen sich am 3.12. in Brüssel. Der europäische Stabilitätspakt wird von elf der 19 Staaten der Eurozone verletzt. Die weltweite Verschuldung ist seit 2008 von 22,91 auf 2018 44,92 um bis Ende 2017 um 96.1% gestiegen (laut Eurostat, IWF, EZB und Media Pionier). Die Notenbanken haben den Dollar und den Euroraum mit Billionen neu geschaffenem Notenbankgeld geflutet und Blasen auf dem Aktien- und Immobilienmarkt aufgepumpt. Diese Zustände werden von den europäischen Finanzministern akzeptiert. Ihnen geht es aber nicht um die Wiederherstellung von Solidität, sondern um eine neue Kreditlinie für einen erweiterten Krisenmechanismus für die nächsten Wochen. Ihre Notfallplanung sieht vor, innerhalb von zwölf Stunden zusätzliche Milliarden aufgrund ihres „Rettungsschirms“ in den Bankensektor pumpen zu können und zwar, ohne dass nationale Parlamente in dieses Szenario eingreifen können. (Die Krise lässt sich immer schwerer vertuschen).
Vor diesem Hintergrund lässt sich der Migrationspakt z.B. auch als Ablenkung vom politisch-wirtschaftlichen Versagen verstehen. Wenn die Blase mit den entsprechend verarmenden Folgen platzt, sollen die eingesessenen Bürger den Migranten die Schuld geben und nicht den verantwortlichen Politikern (bzw. ihren Auftraggebern). An dieser Möglichkeit arbeiten bereits die von den Etablierten geförderte Antifa auf der einen Seite und die radikalen Kameradschaften der sogn. Rechten als Buhmänner der Etablierten auf der anderen.
Eine gefährlichere Ablenkung vom gleichen systembedingten Wirtschaftsproblem versucht der „Deep State“ der US-Elite. Danach soll Europa massiv aufrüsten und zwar möglichst mit nuklear bestückten Mittelstreckenraketen aus den USA und so den Gegenschlag Russland nach einem virtuellen Angriff auf sich zu lenken. Der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow bestätigte am 5.12. diese Einschätzung. US-Außenminister Pompeo hat zuvor Moskau ein Ultimatum gestellt: Russland soll binnen 60 Tagen angebliche Verstöße gegen den INF-Vertrag einstellen; andernfalls kündige Washington das Abkommen. Russland sieht bei sich keinen solchen Verstoß. Nachvollziehbare Beweise für angebliche Verstöße legen die Atlantiker wie in vielen ähnlichen Angelegenheiten (etwa bei Husseins Massenvernichtungswaffen vor dem Überfall auf den Irak) nicht vor. Dass die USA mit dem Aufbau der NATO-Raketenabwehr in Rumänien und Polen ganz offensichtlich den INF-Vertrag brechen, spielen im Westen keine Rolle, denn man pflegt hier seit Jahrzehnten das eigene Fehlverhalten ohne Beweise auf den Gegner zu projizieren.
Weisungsgebunden und nibelungentreu haben die NATO-Außenminister beschlossen, Russland die Schuld am Ende des Abkommens zu gegeben. Besonders hat sich in dieser Beziehung Annegret Kramp-Karrenbauer, Merkels Wunschnachfolgerin, hervorgetan. Sie ereiferte sich zur Frage: „Wie könnte das aggressive Russland gestoppt werden“ und deutet an, wie die „Putin-Tyrannei“ zu bekämpfen und die junge Demokratie Poroschenkos in der Ukraine zu unterstützen sei, (z.B. könnten die USA und die EU-Länder ihre Häfen für russische Schiffe schließen etc.) Sie dokumentiert damit, wie abgehoben und realitätsfern die Politkaste in Deutschland inzwischen lebt und sich jedem vernünftigen Argument ohne Gegenargument sperrt. Politikprofessor Werner J. Patzelt spricht in diesem Zusammenhang seit längerem von einer „Repräsentationslücke“ und meint damit, dass die Politiker nicht mehr die Befürchtungen und politischen Vorstellungen und Bedürfnisse der Bevölkerung repräsentieren, es versäumen diese ernstzunehmen oder sich überhaupt nicht mit ihnen argumentativ auseinanderzusetzen.
Am 27.11. ging Patzelt bei einer Tagung der Konrad Adenauergesellschaft auf Schloss Ettersberg zum Thema „Der hässliche Bruder der Demokratie. Positionen und Perspektiven des Populismus“ noch einen Schritt weiter, wenn er den Etablierten „die Verharmlosung von Missständen“ und als Folge davon „die Zweifel der Wähler an der Aufrichtigkeit der Politiker“ bescheinigte. Doch werden Missstände nicht nur verharmlost, der Bürger wird zu offensichtlich falsch informiert und entsprechend für „dumm verkauft“. Jüngste Beispiele sind der Zwischenfall an der Meerenge von Kertsch zwischen der Krim und russischem Festland. Die bestellte Provokation (die Bestellung wird durch die Anwesentheit von Aufklärungsflugzeugen der USA und Israels zum Zeitpunkt des Ereignisses belegt, vgl. http://www.voltairenet.org/article204190.html) der drei ukrainischen Schnellboote, die vertragswidrig in russisches Hoheitsgebiet eindrangen und von Russland nach mehrmaligen unbeachteten Verwarnungen festgenommen wurden, wurde bundesweit als russische Aggression dargestellt. Dabei entspricht das Verhalten Russlands den seit 2003 bestehenden Verträgen über die dortige Schiffspassage und z.B. auch dem Vertrag von Montreux von 1936, der die Durchfahrt durch Bosporus und Dardanellen regelt. Dies ist nur eines der letzten Beispiele eines verlogenen Russland Bashings der deutschen Polit- und Medienkaste.
Ähnlich verhält es sich mit der Argumentation über den Migrationspakt der UNO auf Betreiben der Kanzlerin Merkel. Es wird verharmlosend behauptet, der Vertrag diene nur der Regelung bisher ungeregelter Migrationsströme ohne verbindliche Festlegungen z.B. für die Bundesrepublik, obwohl der Pakt ganz offensichtlich das verfassungswidrige Verhalten der Kanzlerin von 2015 rechtfertigen soll. Gewichtiger ist, dass er das so sanktionierte Verhalten als Gewohnheitsrecht für Deutschland verbindlich macht. Diese Tatsache wird den Bürgern bewusst verschwiegen.
Wirkmächtiger ist das Verhalten in der Klima- und Energiewendepolitik. Es wird so getan und ständig in allen etablierten Medien widerholt, die vermehrte Freisetzung von CO2 würde zu einer Klimaerwärmung führen und das Klima ließe sich durch die Einschränkung und schließlich das Verbote der Kohle-, Öl- und Erdgas-Verbrennung „retten“. Für die unterstellte „Klimasensibilität“ der wichtigsten Pflanzennahrung CO2 gibt es bisher keinen empirischen Beweis, die Annahmen widersprechen allen bisher noch nicht widerlegten Strahlungsgesetzen der Physik und beruhen auf nachgewiesenen mathematischen Fehlern. Trotzdem wird die Behauptung als „Selbstverständlichkeit“ und zur Rechtfertigung der Demontagepolitik in Deutschland unablässig widerholt. Allen Kritikern wird (wie auch sonst) Böswilligkeit unterstellt, so dass man sich Gegenargumente sparen kann.
Die Intention dieser (und weiterer) „Repräsentationslücken“ zielt eindeutig auf die Senkung des materiellen Wohlstands der breiten Masse der Bevölkerung zugunsten der schrumpfenden Schicht der superreichen Nutznießer des Wirtschaftssystems. Die Theorie der Marktwirtschaft beruht auf der Tatsache bestehender „Knappheit“ wirtschaftlicher Ressourcen und dem Vorhandensein von Geldquellen außerhalb des Marktsystems. Denn 1. ergeben die Erlöse eines jeden Marktteilnehmers sich ausschließlich aus den Kosten anderer. Ein Drittes gibt es nicht. 2. hat der Markt zunächst so gut expandieren können, weil er dem Bürger erlaubte auf das Vermögen der Adelsklasse (soweit sie sich nicht selbst bürgerlich-marktmäßig verhielt) und das Vermögen anderer Länder (Kolonien, konkurrierender Staaten) zuzugreifen. Als sich diese Außenstände erschöpften, wurde das Marktsystem dadurch erhalten, dass ständig neues Geld als Kredit- oder Schuldgeld ex Nihilo auf den Markt geworfen und dadurch bestehende Werte „verwässert“ und deren Besitzer partiell und indirekt bestohlen wurden. Da 2. aus produktionstechnischen Gründen die systemnotwendige „Knappheit“ nicht mehr gegeben war, hat man sie zum Systemerhalt künstlich geschaffen. Dies geschah praktisch durch Drosselung der Produktion auf den vom Markt erlaubten jeweiligen Anteil an zahlungsfähiger Nachfrage einerseits und die Einführung einer fiktiven Umweltschutzideologie (unter Ausnutzung berechtigter Umweltschutzanliegen) zur Rechtfertigung der künstlichen Verknappung. Geldgewinne lassen sich demnach in der Marktgesellschaft nur noch durch Überschuldung der breiten Masse (an kleineren Unternehmen und Haushalten) und Einsparungen bei ausgeschütteten Löhnen beziehungsweise Anhebung der Arbeitsbelastungen erzielen.
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende und Chef des Europabetriebsrats von Unilever, Hermann Soggeberg bringt das Problem auf den Punkt „Mensch vor Marge“. Marge bezieht sich auf den Wunsch der Konzernleitung die Geldgewinnmarge von 17 auf 20% anzuheben und deren Folgen. Das bedeutet nämlich volkswirtschaftlich betrachtet bei der vorhandenen zahlungsfähigen Nachfrage weitere preistreibende Drosselung des Angebots, oder betriebswirtschaftlich betrachtet Reduzierung des Kostenfaktors Arbeit mit entsprechend steigender Arbeitsbelastung. Soggeberg sagt: „Was wir erleben ist ein Wirtschaftssystem ohne Gleichgewicht.“
Der Fehler steckt im System. Das habe ich auf 384 Seiten in meinem Buch zu zeigen versucht: Der Westen, ein Abgesang. Entstehung und Zukunft der westlichen Marktgesellschaft (nicht zu verwechseln mit „Marktwirtschaft“, die in vielen Gesellschaftsformationen praktiziert wird). Es kann als PDF-Datei für € 15.- per e-mail über boettigerdrh@web.de beziehungsweise für € 24,95 als hard cover beim Michael Imhof Verlag Petersberg (Tel.: 0661-2919166-0, Fax: …-9, oder info@imhof-verlag.de) erworben werden.
1 Reaktion zu “Sich selbst der nächste statt Kooperation”
> Der Fehler steckt im System.
Ja, die konditionierte Masse, die glaubt auf Staaten, Regierungen und Geld nicht verzichten zu koennen. – Vor allem Letzteres muss kollektiv beseitig werden, alles andere ist eine endlose Reiberei an Symptomen.
Wenn man sich die Forderungsliste der franzoesischen Gelbwesten so anschaut kann man nur den Kopf schuetteln. Die „alternativen“ Medien begruessen diese Punkte natuerlich, schliesslich sind auch sie ein solide integrierter Bestandteil eines absurden Systems, welches sich widerspruchlos und ganz psychopathisch nur durch Gewaltandrohung und -ausuebung halten kann.
Nicht in einem Punkt wird auch nur ansatzweise die Ursache der globalen Gesellschaftsprobleme beruehrt. Entsprechend wird das enden wie das beruehmte Hornberger Schiessen: Man konnte ein bisschen Dampf ablasssen, doch spaetestens nach einem Jahr geht es auf gewohntem Kurs weiter.