Neuer Saft gärt in alten Schläuchen
4. Januar 2019 von admin
Nächste Spatz erst am 19.1. (voraussichtlich)
Einige Dutzend Demonstranten mit gelben Westen hatten am Mittwochabend (2.1.) in Paris, in der Nähe des Triumphbogens auf den Champs-Elysées auf den Lastwagen-Fahrer Drouet gewartet, der auf dem Weg dorthin festgenommen wurde. Ihm wird die Organisation einer nicht angemeldeten Demonstration vorgeworfen. Er war bereits am 22. 12. wegen „Tragens einer verbotenen Waffe“ festgenommen worden, weil er einen Stock bei sich getragen hatte. Drouet ist nicht ganz unbekannt. Er war von den Medien bei Demonstrationen der Gelben Westen interviewt und seitdem von diesen als einer ihrer Führer angesprochen worden. Zu der Polizeianhörung kam es, weil er aufgerufen hatte, in den Präsidentenpalast „hineinzugehen“. Die Festnahme sei „völlig ungerechtfertigt und willkürlich“, erklärte Drouets Anwalt noch in der Nacht zum 3.1. Die „linke“ und auch „rechte“ Opposition nannte das Vorgehen der Polizei einen „Machtmissbrauch“ und eine „Verletzung der politischen Bürgerrechte“. Die Regierung verteidigte das Vorgehen gegen Drouet, der sich am Donnerstagvormittag noch in Polizeigewahrsam befand.
Seit Mitte November 2018 zeigen die Gelbwesten in Frankreich nachdrücklich, dass sie die Politik des Zöglings der westlichen Hochfinanz, Macron, ablehnen. Aus kleinen Gruppen von Demonstranten gegen eine Erhöhung der Benzinsteuer wuchs erstaunlich rasch eine Protestbewegung, die bald ganz Frankreich erfasste und bereits auf andere EU-Länder übergreift. Die Medien erwähnen dabei kaum, dass der Benzinpreis nur der sprichwörtlich letzte Strohhalm war, der dem Kamel den Rücken bricht und den Esel störrisch macht. In Frankreich waren in den letzten zehn Jahre zehntausende klein- und mittelständische (Zulieferer-)Betriebe in Konkurs gegangen und die Steuern, die bereits zu den höchsten der Welt zählten, sind während dieser Zeit um weitere 30 % angehoben worden.
Ähnlich wie der Lastwagen-Fahrer Drouet wurde auch Ingrid Levavasseur, eine 31-jährige alleinerziehende Mutter von zwei Kindern aus dem Städtchen Pont-de-l’Arche südlich von Rouen, der Hauptstadt der Normandie zu einem bekannten „Gesicht“ der Protestbewegung gegen Macrons Politik und zu einer Art neuen „Marianne“, der Nationalfigur der Französischen Republik nach dem berühmten Revolutionsbild „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix aus dem Jahr 1830 hochstilisiert.
Dabei hegt sie nach eigenem Bekunden keinerlei politische Ambitionen. Sie hatte Sprüche auf ihre gelbe Weste gemalt wie: „Macron, der König, hält es mit den Adligen, während das Volk mit offenem Maul träumt“, und über sich geschrieben: „Krankenpflegerin, die 1.250 Euro im Monat bekommt, während sich die Aktionäre die Taschen vollstopfen“ und „widerspenstige, stolze Gallierin“. Damit machten die Medien sie in gewisser Weise zur Gallionsfigur der Gelbe Westen Bewegung, der inzwischen bis zu 80 % der Franzosen zuneigen sollen. Für die Medien war die Frau mit den einfachen Worten wahrscheinlich eine erfrischende Alternative zum gewohnten Geschwafel der politischen Klasse. Gegen diese „einfachen“ Menschen haben die politischen Organe der tatsächlich regierenden westlichen Hochfinanz einen schweren Stand.
Die Protestbewegung der Gelben Westen wird bereits als „Revolution der Mittelschicht“ angesprochen. Ein ähnliches Etikett hatte man den Braunhemden, der „national-sozialistischen“ Bewegung umgehängt. Der US-Soziologie Professor und Erfolgs-Poet Joshua Clover hat in seinem Buch Riot. Strike. Riot: The New Era of Uprisings. (Verso-Verl. London & Brooklyn 2016) Riots, also Unruhen und Aufstände, zur Protestform der Zukunft erklärt. Er beschreibt Riots als die zentrale Protestform im 17. und 18. Jahrhundert. Sie wurden im frühen 19. Jahrhundert durch den organisierten Streik der Industriearbeiterschaft verdrängt, kehrten aber mit den Besetzungen und Blockaden der 70er Jahre im Rahmen der Kampagnen für mehr soziale Gerechtigkeit allmählich wieder zurück.
Clover bringt diese Form des Protests mit den Umbrüchen einer verknöcherten Wirtschaftsweise und einer Gesellschaft im Zustand des moralischen Zusammenbruchs in Verbindung. Historische Ereignisse wie die Weltfinanzkrisen seit 1973 und der Niedergang der organisierten Arbeiterschaft angesichts eines sich ankündigenden großen gesellschaftlichen Umbruchs bilden den Kontext, um diese Ausdrucksformen der Unzufriedenheit zu verstehen. In ihnen artikulieren sich nach Clover das soziale Aufbegehren gegen eine unhaltbar gewordene Ordnung als Vorfeld einer Revolution. Der Hintergrund, den Clover nicht hervorhebt: Im Westen verschwinden als Folge der Vermögenskonzentration in der nur noch auf Geldgewinn ausgerichteten Marktgesellschaft die Mittelklassen mehr oder weniger schnell und mit ihnen das politische System, das sie verkörpert haben: die Demokratie. „Wo aber der Mittelstand sich in fortschreitender Auflösung befindet, dort haben wir eine dem Verderben direkt entgegenreifende Entwicklung vor uns und zwar umso sicherer, je größer der Reichtum ist, welcher diesen Auflösungsprozess des Mittelstandes begleitet.“ Gustav Ruhland, Die Wirtschaftspolitik des Vaterunser Berlin schon 1895 S. 64
Durch die Bewegung der „Gilets Jaunes“ sieht sich Clover bestätigt. Sie habe sich mit Aufrufen zu täglichen Vollversammlungen geradezu „wie nach dem Lehrbuch“ herausgebildet. Die Gelben Westen haben Macron Zugeständnisse abgetrotzt, die gewerkschaftliche Kämpfe nicht erreichen konnten.
Die Bewegung schien angeblich von „Rechts“ ausgegangen zu sein. Doch habe die „antagonistische Linke“ starke Impulse in die Bewegung hineingetragen. Da es keine zentrale Organisation gibt, fehlen ein einheitlicher Forderungskatalog und konkrete gesellschaftspolitische Vorstellungen. Aufgrund einer Online-Umfrage wurden 42 Forderungen zusammengetragen, doch auf lokaler Ebene werden andere mit unterschiedlichem Nachdruck gestellt. Ganz allgemein geht es um mehr Kaufkraft, bessere Versorgung, mehr soziale Gerechtigkeit, aber auch um mehr Respekt und Anerkennung und – quasi als Symbol all dessen – um Macrons Rücktritt.
Typisch für die neue Bewegung ist, dass sie mehrheitlich von Menschen getragen wird, die politisch unerfahren und schwer einzuordnen sind. Sie eint im Grunde nur eines, eine abgrundtiefe Abneigung gegen sämtliche etablierte Parteien und repräsentative Instanzen. Sicher haben sie früher mehr oder weniger brav angeblich „rechte“ oder „linke“ Parteien gewählt oder es schon seit längerem aufgegeben, auf den Wahlzetteln irgendwo ein Kreuzchen zu machen. Nun haben sie „die Schnauze voll“ und wollen mit keiner der etablierten Parteien und deren Repräsentanten, zu denen sie längst auch Le Pen zählen, etwas zu tun haben. Wenn Ordnung und Autorität für die „rechte“ Klientel charakteristisch sein soll, dann lassen sich die Gelben Westen dort nicht mehr ohne weiteres einordnen.
Wenn Macron mit dem Abflauen der Proteste gerechnet haben sollte, dann hat er den Charakter der Bewegung missverstanden. Jedenfalls hat die Festnahme Eric Drouet in Frankreich für Empörung gesorgt und wird die Protestbewegung weiter anfachen. Weil sie keinen Kopf hat, lässt sie sich nicht „enthaupten“. Weil sie kein einheitliches Programm hat, lässt sie sich auch nicht kaufen. Weil die Zeit dafür reif ist, drängt sie auf eine Revolution hin, ohne zu wissen, wie sie damit umgehen soll und was dann zu tun wäre.
Im Unterschied zu Frankreich stimmten die Italiener bereits am 4. März 2018 mehrheitlich für Anti-System Parteien: die Lega Nord und die 5-Sterne-Bewegung. Sie sahen, wie ihre nationale Industrie zerstört wurde und fühlten sich deshalb von der bisherigen politischen Klasse und der sie führenden Oberschicht betrogen. Diese Parteien, eine „rechte“ und eine „linke“ bildeten eine Koalition, um eine soziale Politik in Gang zu bringen. Dem widersetzt sich die Bürokratie der Europäische Union. Eine ähnliche Entwicklung soll in Deutschland mit der angeblich „linken“ Hetze gegen eine „rechte“ AfD verhindert werden, eine Hetze, die seit dem 3.1. auch nicht mehr vor Bombenanschlägen (wie auf das AfD-Büro in der Bahnhofstraße in Döbeln) zurückscheut.
Wer in Deutschland im Zuge dessen den Etablierten weiterhin lieber die bedrohliche Klimaerwärmung durch das für die Photosynthese der grünen Pflanzen unverzichtbare, also überlebensnotwendige Spurengas CO2 aus der Hand fressen will, der mag das eben glauben. Er wird am Gang der Geschichte nichts ändern, dafür aber die „Kirchensteuer“ der Klima- Religion bezahlen müssen.
Um nur mit Sonnen- und Windstrom in Deutschlands wie bisher weiterwursteln zu können, ist eine Speicherkapazität für eine etwa 20 Tage währende Dunkelflaute vorzuhalten. Das entspräche bei 1,7 TWh/d etwa dem 35.000-fachen der derzeit weltweit größten Akku-Anlage für 100 MWh in Südaustralien. Sie kostete 55 Mio. USD und soll bei dortiger Netzlast von 5 GW nur für Sekunden die Schalt-Reserve bieten, wenn mehrere Kraftwerksgeneratoren ausfallen. Für Deutschland (ohne Elektromobilität) würden die benötigten Puffer-Akkus mit einer 35.000-mal so großen Kapazität gut 19 Billionen € kosten und 220 Mio. Tonnen wiegen. Bei einer (nicht garantierten) Nutzungsdauer von angenommen 12 Jahren müsste jeder Einwohner Deutschlands pro Jahr dafür gut 19.000 € zahlen. Dabei ist der wegen der E-Mobilität weiter ansteigende Preis für Lithium u.a. seltene Erden nicht berücksichtigt. Wollte man stattdessen (zwangsweise) auf Autobatterien mit – sagen wir großzügig – je 30 kWh zurückgreifen, bräuchte man nur um einen Tag zu überstehen die Batterien von 56 Mio. dann stillgelegten E-Fahrzeugen, berechnete kürzlich Peter Dietze, ein Siemens-Ingenieur.
Seit über 100 Jahre werden Wetterdaten regelmäßig von Menschen gemessen. Ab 1. 1. 2019 ist damit Schluss. Nun nehmen programmierbare Automaten auch die Wetterbeobachtung vor z.B. in Görlitz, Angermünde, auf dem Brocken, im Fichtelgebirge und auf dem Hohenpeißenberg. Hohenpeißenberg ist die seit 1781 kontinuierlich, weit entfernt von Siedlungseinflüssen betriebene älteste Bergwetterwarte der Welt. Der Deutsche Wetterdienst nennt die Umstellung „Messnetzstrategie“ und vergisst zu sagen, wogegen sich die „Strategie“ richten soll, etwa gegen Zweifel an der Klimareligion.
Energiewende und Dekarbonisierung sind die Traumtänze (oder böswillige gesellschaftspolitische Absicht) einer politischen Klasse und ihrer gläubigen Gefolgschaft, für die naturwissenschaftliche Gegebenheiten nicht existieren und die diesbezüglich den Kopf statt zum Denken lieber zum Haareschneiden und Abnicken benutzen.
US-Präsident Donald Trump musste sich kürzlich gegen Vorwürfe des früheren republikanischen Mitbewerbers, Mitt Romney, wehren, der ihm vorwarf, er würde bei den Kollegen in Europa kein Vertrauen genießen. Darauf habe Trump laut Medienberichten vom 3.1. geantwortet.: „Ich wurde nicht von Europäern gewählt, sondern von Amerikanern – von amerikanischen Steuerzahlern.“ Über seine Beliebtheit auf dem Kontinent mache er sich keine Sorgen, sondern: „Ich will, dass Europa endlich (für die NATO) zahlt, mir ist Europa egal“, und weiter: „Ich könnte (mit meiner Politik) die beliebteste Person in Europa sein, … aber ich will das nicht.“ Warum auch? Da das Boot der Finanziers-Herrschaft angeschlagen zu sinken beginnt, fängt man an, die eigenen Interessen zu retten, ohne sich um andere zu kümmern. Daher rühren u.a. die Spannung zwischen der EU und den USA.
6 Reaktionen zu “Neuer Saft gärt in alten Schläuchen”
@admin
Was meinen Sie, sollte man sich etwas Gold bzw. Silber kaufen bevor durch den großen “ Knall“ das Geld nichts mehr wert ist?
Mich erinnert diese jetzige „Zeit“ an das Ende der DDR-Zeit. Damals war genau so eine „Scheiß“ Stimmung im Lande wie sie jetzt vorherrscht.
Warum nicht. Nur muss man bedenken, dass in Gold oder Silber kein notwendiger Gebrauchswert steckt.
Kann man es im Krisenfall verkaufen – und an wen?
Unter der Woche gab es eine 2-teilige Doku vom ZDF mit dem Titel „Die neue Seidenstraße- Chinas Griff nach Westen“
Das Projekt wird m.E. überwiegend negativ dargestellt.
https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation-sonstige/die-neue-seidenstrasse-teil1-100.html
https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation-sonstige/die-neue-seidenstrasse-teil-2-100.html
Zitat: „Für die Medien war die Frau mit den einfachen Worten wahrscheinlich eine erfrischende Alternative zum gewohnten Geschwafel der politischen Klasse.“
Die Medien erschaffen keine erfrischende Jeanne d’Arc, wenn sie nicht in die Agenda paßt.
Die Gelbwesten sind in Macrons Interesse. Er kann sich jetzt hinstellen und sagen er habe alles versucht, mehr Reformen gehen nicht. Die BRD wird dann solidarisch für französische Defizite einspringen und vielleicht reicht es sogar für Euro-Bonds.
Man wird sehen.
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Gustav Ruhland, Die Wirtschaftspolitik des Vaterunser Berlin schon 1895 S. 64
http://www.expropriation-der-expropriateure.de/dl/ruhland_vaterunser_v1.0.pdf
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