Neues provoziert Widerstand
20. September 2019 von admin
In Saudi-Arabien wird die weltgrößte Ölraffinerie Abkaik am Persischen Golf von Drohnen zerstört. Die Hälfte der saudischen Ölförderung – das sind etwa 5,7 Millionen Barrel täglich – sei seitdem außer Betrieb. Das erreichten Drohnen ähnlicher Bauart, wie diejenigen, die gelegentlich den Militärflugplatz Hmeimim der russischen Luftstreitkräfte in Syrien angreifen. Sie sehen äußerlich primitiv aus, sind aber mit hochmoderner Elektronik ausgestattet. Sie sind so „modern“, dass das amerikanische Raketenabwehrsystem Patriot in Saudi-Arabien sie verfehlte. Die von den Saudis und ihren Verbündeten bekämpften aber vom Iran unterstützten Huthis in Jemen übernahmen die Verantwortung. Sofort steht für den Westen fest, der Iran habe die Drohnen geliefert, wenn nicht sogar direkt gesteuert. Aber wer lieferte sie dem IS, den Gegnern der Schiiten, Russen und Iraner in Syrien?
US Präsident Trump droht, was bleibt ihm vor der nächsten Wahl auch anderes übrig, schlägt aber (noch) nicht zurück. In Berlin wird sofort von einem bevorstehenden Krieg gefaselt. Die deutsche Bundeskanzlerin schlägt sich nicht zum ersten Mal – für alle Welt sichtbar – auf die Seite der Washingtoner Kriegstreiber von Schlage eines John Bolton, Clinton, Obama, usw., den Handlangern des Establishments (wer zahlt, schafft an). Was dieses Verhalten wohl für die Riege Putin, Netanjahu, Trump signalisiert, fragt der frühere Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung unter Helmut Kohl, Willy Wimmer, besorgt.
Der deutsch-iranische Ölexperte und Berliner Politologe Behrooz Abdolvand erwartet wegen des Drohnenangriffs auf Saudi-Arabien „keine großen Turbulenzen“. „Aber diese politischen Scharmützel werden dazu führen, dass der Öl-Preis sich nach oben bewegt. Die Profiteure dieser Entwicklung sind allen voran die USA und Russland.“ Er fährt – beruhigend oder nicht – fort: „Die Weltwirtschaft stagniert langsam und dadurch wird der Bedarf an Öl wohl verhältnismäßig niedriger. Gleichzeitig bringen erhöhte Öl-Preise in dieser Form die US-amerikanischen Investoren dazu, mehr in Schieferöl und Schiefergas zu investieren. Deswegen denke ich, dass sich der Öl-Markt gut ausgleichen kann.“
Der Spiegel vom 16.9. ist anderer Meinung. „Der Drohnenangriff gegen die wichtigste Ölfabrik ist deshalb mehr als ein überraschender militärischer Erfolg. Die Attentäter demonstrierten vor aller Welt die überraschende Verwundbarkeit des weltweit größten Ölexporteurs und wichtigsten Alliierten der USA am Golf, Saudi-Arabien.“ US-Präsident Trump folgt scheinbar der Einschätzung Abdolvands und twitterte am 16.9.: „Da die Situation um das Erdöl bei uns in den letzten Jahren sehr gut gewesen ist (…), sind wir Netto-Exporteure von Energieressourcen und jetzt deren Erzeuger Nummer eins in der Welt. Wir brauchen kein Erdöl und Erdgas aus dem Nahen Osten, aber wir können unseren Verbündeten helfen.“ Die Kontrolle über Öl und Gas ist die Knute, mit der die USA ihre sogenannten Verbündeten bei der Stange halten. Die USA sind zur Zeit bedeutende Öl- und Gas-Exporteure. Dort wurden erst kürzlich mit dem Wolfcamp Shale und der darüber liegenden Bone Spring Formation im Bereich des Delaware Basin in West Texas und New Mexicos Permian Basin üppige Felder entdeckt, die nach Schätzungen U.S. Geological Survey (USGS) vom November 2018 rund 46.3 Mrd. Barrel Öl, 281 Millionen Kubikfuß Erdgas und 20 Mrd. Flüssignaturgas enthalten sollen.
Wenn man nach dem cui bono, wem nützt der Drohnenangriff fragt, müsste man auch berücksichtigen, dass Saudi-Arabien Aramco an den Finanzmarkt bringen und mit dem erwarteten Erlös eine eigene Chemische Industrie aufbauen wollte. Und schließlich wäre zu berücksichtigen, dass es in den USA mächtige regierungsnahe Kreise gibt, die den angeblich bekämpften IS mit Waffen versorgt haben und versorgen. Dazu veröffentlichte die bulgarische Journalistin Dilyana Gaytandzhieva am 1.9. 2019 stark belastende Geheimdokumente, die unsere anerkannten Medien natürlich nicht für news worthy halten. Diese Kreise versprechen sich davon nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Gewinne, selbst wenn es nur der wäre, die Wiederwahl Trumps durch eine Wirtschaftsrezession zu erschweren. Und gab es da nicht kürzlich auch noch gewisse Techtelmechtel zwischen Saudi Arabien und Russland?
All zu viel Beruhigung ist also nicht angesagt: Präsident Donald Trumps derzeit noch amtierender Nationaler Sicherheitsberater (John Boltons Amtsverweser, deputy), Charles Kupperman, machte noch unter Ronald W. Reagan durch eine umstrittene Aussage von sich reden, nämlich dass ein Atomkrieg mit der UdSSR zu gewinnen und ein „Atomkrieg eine zerstörerische Angelegenheit aber nur ein weitgehend physikalisches Problem“ sei (nuclear conflict with the USSR was winnable“ und “nuclear war is a destructive thing but still in large part a physics problem). Ob er heute noch diese Meinung vertritt, ist nicht bekannt.
Jedenfalls haben am 17.9. Vertreter der Nato-Staaten im süddeutschen Ulm ein neues Kommando eingeweiht. Laut Nato Auskunft, soll das neue Nato-Kommando für schnelle Truppen- und Materialtransporte (Joint Support and Enabling Command) als „Teil der verstärkten Abschreckung und Verteidigung der Nato als Reaktion auf ein verändertes Sicherheitsumfeld“ dienen und „eine rasche Weitergabe der alliierten Verstärkungen“ sicherstellen. Der Oberste Befehlshaber der Alliierten Truppen in Europa, US-General Tod D. Wolters, wird das Zentrum leiten. Da sich die NATO an frühere Abmachung mit Russland halten und demnach keine Truppen in den von den sowjetischen Truppen geräumten osteuropäischen Gebieten stationieren wolle, umgeht man das Abkommen, indem man sich auf zeitlich begrenzte Stationierungen beschränkt. Der nächste Truppenaustausch in Polen, ist für Mitte Oktober vorgesehen.
Es gibt auch positive Entwicklungen. Allerdings kommt es dabei auf den Bewertungsstandpunkt an. Wenig Beachtung in den Medien fand das diesjährige 5. Eastern Economic Forum vom 4. – 6. 9. 2019 in Wladiwostok. 2018 hatten an dem Forum 6.000 Gäste aus über 60 Ländern teilgenommen und Geschäfte im Wert von knapp 45 Mrd. USD (neueste Zahlen fehlen) abgewickelt. Während es den USA gelang, die wirtschaftliche Zusammenarbeit der BRICS (Brasilien Russland Indien China Südafrika) dank des neu installierten “Captain” Bolsonaro in Brasilien vorübergehend einzufrieren, erfreut sich das Bündnis Russland, Indien, China (RIC) einer zunehmenden Stärke. Das zeigte sich beim bilateralen Treffen zwischen dem russischen Präsident Vladimir Putin und Indiens Premierminister Narendra Modi, in Wladiwostok. Sie vereinbarten die Zusammenarbeit auf verschiedenen wirtschaftlichen Gebieten auf der Basis “einer besonders privilegierten strategischen Partnerschaft“ (especially privileged strategic partnership). Dabei ging es unter anderem um langfristige Energieimporte aus Russland über ein Pipeline-System und die sich öffnende nördliche See-Route, die „Russisch-Indische Seidenstraße zur See“,an die sich die „Chinesischen Seidenstraße zur See“ der Belt and Road Initiative vom südchinesischen Meer bis zum Indischen Ozean anschließt. Dies ist ein weiterer Aspekt der russischen “Hinwendung nach Asien“ (pivot to Asia). Indien will vor allem von Rohstoffen aus Russland profitieren, während Russland Investitionen indischer Energiefirmen in seiner noch unterentwickelten Fernost-Region entgegensieht.
Um die “Hinwendung nach Asien” ging es auf dem Forum in Wladiwostok in erster Linie. Sie soll die Entwicklung der Eurasischen Integration und der chinesischen Belt and Road Initiative vorantreiben. Sich an dieser zu beteiligen, scheut sich Westeuropa wegen seines Verbündeten USA. Dieser Widerstand war wohl auch der verschwiegene Grund für die mit Hilfe von Frau Merkel getrickste Regierungsumbildung in Italien, weil sich die alte Regierung an der Eurasischen Integration beteiligen wollte, was im „Westen“ Unbehagen auslöste. Dass Merkels Besuch in China an ihrer Haltung etwas ändern würde, kann aufgrund ihrer Gefolgschaftstreue dem westlichen Establishment gegenüber bezweifelt werden.
Jedenfalls wurde in Wladiwostok die „umfassende strategische Eurasische Partnerschaft” Russlands ausführlich erörtert. Zudem haben die RIC Länder versichert, ihre Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zum Iran als wichtiges Moment der Eurasischen Integration trotz westlicher Sanktionen ausbauen zu wollen. In diesem Zusammenhang kündigte Indiens Premierminister Narendra Modi in seiner Rede auf dem Forum an, “sein Land werde einen Kredit über eine Milliarde US $ für die Entwicklung der Gebiete im Fernen Osten zur Verfügung stellen. („This is a completely unprecedented measure when we provide such a special credit line to another country“). Die russisch indischen Schlusserklärung betont außerdem, am US Dollar vorbei „ein System gegenseitiger Transaktionen in nationalen Währungen vorantreiben“ zu wollen (promote a system of mutual transactions in national currencies). Damit widersprach man ausdrücklich den Bemühungen US-Präsident Donald Trumps, Indien in seine „Indo-Pacific Strategy“ einzugliedern, die vor allem ein Containment Chinas vorsieht.
Russlands Pläne für die Entwicklung seiner Fernost-Region, die vor einer Woche in Moskau vorgestellt wurde (im Spezialbericht des Valdai Clubs vom 4.9.) entsprechen der Grand Strategy Chinas für die Integration Zentraleurasiens (des Eurasian Heartlands). Die Zusammenarbeit in dieser Region soll in nächster Zeit gründlich ausgebaut werden, weil sich China wegen des vom Westen anberaumten Handelskriegs um einen “escape from Malacca”, einen Ersatz für die gefährdete Durchfahrt durch die Straße von Malakka bemüht. Im Zuge dieser Strategie wurden kürzlich bereits zwei Brücken im Norden über den Grenzfluss Amur gebaut, über den hinweg zu Sowjets Zeiten noch Feuergefechte zwischen russischen und chinesischen Truppen stattgefunden hatten. Es sieht so aus, dass Wladiwostok eine Art Knotenpunkt der Verbindung zwischen den RIC-Länder bildet.
Dazu trägt ein anderes Ereignis in Wladiwostok bei. Die russischen Firmen Sovcomflot und Novatek gründeten dort eine gemeinsame Firma. Sie soll in Zusammenarbeit mit Südkoreas Werft Samsung Heavy Industries 17 neuartige Eisbrecher als Tanker für Flüssiggas (LNG) für das von Novatek mit Partnern entwickelte Naturgasprojekt Arctic LNG 2 bauen. Zuvor schon hatte Rosnet 15 eisbrechende Tanker für sein Yamal LNG Projekt bestellt. Die Arctic Tanker werden LNG über die Nordpolarroute nach Osten, nach Korea, China, Japan und bis nach Indien liefern. Während die 15 Tanker, die Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering für Rosnets Yamal LNG Project baut, vor allem Länder im Westen mit LNG versorgen werden.(https://thebarentsobserver.com/en/industry-and-energy/2019/09/new-arctic-partnership-announces-construction-17-icebreaking-lng-tankers)
Auch in den USA geschieht Erfreuliches: Der republikanische Senator Joe Pennachio legte dem Senat im Staat New Jersey (NJ) am 26.8.2019 drei Gesetzesvorschläge zur Förderung der Kernfusionsforschung vor. Darüber hinaus ließ der Senator eine Resolution SR-146 an den US-Kongress schicken, damit dieser mehr Geld für die Kernfusionsforschung bereitstellt.
Auch in den USA sieht man anders als in Merkel Deutschland nach vorn und nicht nach hinten.