Diplomatie oder Drohgebärde
24. August 2018 von admin
Nach 20 Jahren Kontroverse einigten sich Russland, Iran, Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan in der kasachischen Hafenstadt Aqtau darauf, das größte Binnengewässer der Welt, das Kaspische Meer mit seinen Öl- und Gasvorräten, untereinander aufzuteilen und die Ressourcen gemeinsam zu erschließen. Die Vereinbarung „verankert das ausschließliche Recht und die Verantwortung unserer Länder für das Schicksal des Kaspischen Meeres und etabliert klare Regeln für seine gemeinsame Nutzung“, kommentierte der russische Präsident Putin die Ergebnisse des Gipfeltreffens. Der erzielte Erfolg sei – laut TASS – durch ein hohes Maß an Vertrauen und gegenseitigem Verständnis zwischen den Führern der kaspischen Staaten, ihre Bereitschaft, in der Logik des Respekts, der Partnerschaft und der Gleichheit zu handeln, möglich geworden.
Die Anrainerstaaten einigten sich auf die Einrichtung einer 15-Meilen-Zone als Abgrenzung der jeweiligen Hoheitsgebiete. 10 Meilen darüber hinaus besitzen sie die ausschließlichen Fischereirechte. Die Einigung bildet die Grundlage für die Zusammenarbeit bei Erschließung der Öl- und Gas-Vorkommen des Kaspischen Meeres. Ausdrücklich schrieb man fest, dass ausschließlich Anrainerstaaten im Bereich Kaspisches Meer militärisch in Erscheinung treten dürften. Dazu wollen die 5 Staaten im militärischen Bereich zusammenarbeiten. Das Abkommen war in erster Linie ein Erfolg bei der Beilegung des langjährigen Streits über die Aufteilung der reichen Schelfvorkommen zwischen dem Iran und dem benachbarten Aserbaidschan. Boden und Gewässer werden zu verschiedenen Teilen zwischen den Staaten in ein territoriales Gewässer, ein Fischereigewässer der Teilnehmerstaaten und ein von allen nutzbares „gemeinsames Gewässer“ aufgeteilt. Russland, Iran und Aserbaidschan einigten sich auch auf den gemeinsamen Bau der Pipelines zum Abtransport der Energieressourcen.
Dagegen überziehen die USA ein Land nach dem anderen aus allerlei vorgeschobenen, seltsamen Gründen mit Sanktionen. Ihre politische Führung hofft damit, ihre strukturellen Handelsdefizite gegenüber dem Rest der Welt, die sie mit ihrer Dollar-Politik über Jahrzehnte aufgebaut haben, auf Kosten der anderer beseitigen zu können. Die von Wahlkampfspenden abhängigen US-Kongressabgeordneten überbieten sich gegenseitig beim Versuch, Russland die härtesten Sanktionen aufzuerlegen und fördern damit die wirtschaftliche Selbständigkeit und diplomatische Weltgeltung ihres „Gegners“. Die Liste der Länder, welche die Sanktionen der USA, insbesondere die Sanktionen gegen iranische Ölexporte ignorieren wollen, wird immer länger. Viele beginnen das zu glauben, was der russische Finanzminister kürzlich verlauten ließ, nämlich dass die Werthaltigkeit des US-Dollars „unzuverlässig“ sei. Eine Reihe neuer russischer und chinesischer Waffensysteme neutralisieren weitgehend die Fähigkeit der USA, die Welt militärisch zu dominieren. Die USA reagieren dagegen mit neuen Rekorden ihres bereits jetzt schon überdimensionalen und offensichtlich wenig effektiven Rüstungshaushalts. Gleichzeitig machen die Taliban im bisher längsten Krieg der USA stetig Geländegewinne, kontrollieren schon über die Hälfte Afghanistans. Sie rufen zunehmend die Erfolge der USA in Vietnam in Erinnerung. Unterdessen bläht sich die US-Verschuldung weiter auf, wobei die Geldgeber mysteriöse, möglicherweise gar nicht existierende „Andere“, vielleicht nur Druckmaschinen sind.
Die EU-Führer dackeln, trotz anderslautender trotziger Worte, der westlichen Führungsmacht wie bisher willfährig hinterher. Doch auch die EU brüstet sich mit einem großartigen diplomatischen Erfolg, mit dem sie Griechenland unter dem ESM-Rettungsschirm hervorgeholt zu haben glauben. Man habe mit gemeinsamen Anstrengungen Griechenland aus der finanziellen Abhängigkeit herausgeführt, so dass es nun finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen könne, ließ Brüssel die Untertanen wissen. Man will natürlich nicht daran erinnern, dass man Griechenland mit manipulierten Daten (sogenannten Swap-Geschäfte zur Verschleierung der griechischen Defizitzahlen) den Eintritt in die Eurozone ermöglicht hatte, denn das geschah mit Hilfe der US-Investmentbank Goldman Sachs, die an dem Täuschungsbetrug gut verdient hat. Vizepräsident der Bank in Europa war damals ein Mario Draghi, der nun mit Hilfe unserer Politiker als EZB-Chef die EU-Steuerzahler zum Ausbügeln dieses Betrugs mit rund 289 Milliarden Euro zur Kasse bitten durfte. Am 20.8. 2018 endete das dritte griechische Hilfsprogramm mit einem weiteren Beitrag von 86 Mrd. Euro, von denen nur 46,9 Mrd. tatsächlich ausbezahlt werden, 15 Mrd. Euro dienen zum Aufbau eines Finanzpuffers. Obendrein erlaubt man Griechenland, mit der Schuldenrückzahlung aus dem zweiten Hilfsprogramm zehn Jahre später, als bisher vorgesehen, zu beginnen. Glaubt irgendjemand daran, dass es jemals zu einer Rückzahlung kommen werde? Nur die Drohung der Rückforderung, will man – wie auch sonst – als Druckmittel beibehalten.
Nun freuen sich die Europäischen Politiker, die diese teure „Rettung“ abgenickt haben, dass es ab jetzt in dem bankrotten Staat aufwärts gehe und er nicht mehr auf Hilfe von außen angewiesen sei. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte wörtlich: „Der Abschluss des Griechenland-Programms ist ein Erfolg. Die düsteren Prophezeiungen der Untergangspropheten sind nicht eingetreten. Das ist gut“. Im Februar 2018 hatte er als Hamburger Bürgermeister auch den skandalösen Zwangsverkauf der gescheiterten HSH Nordbank als „sehr gutes Ergebnis“ bezeichnet. EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici tönte: „Die griechische Krise ist heute Abend vorbei“. „Gerettet“ wurde nicht Griechenland, sondern seine zweifelhafte Finanzelite und deren Gläubigerbanken. Die griechische Bevölkerung erlebte dafür schmerzhafte Reformen. Gerd Höhler fasst das Ergebnis im „Handelsblatt“ so zusammen: „Die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie zu Beginn des Programms, über eine Million Menschen verloren ihre Jobs. Löhne und Renten fielen seit 2010 im Durchschnitt um 30 Prozent. Die Wirtschaftskraft schrumpfte um ein Viertel. Die Industrieproduktion befindet sich heute auf dem Niveau von 1994! Dafür ist der Schuldenberg höher denn je: Die Schuldenquote stieg von 126 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Ende 2009 auf 187 Prozent (andere errechneten 191%) im Juni 2018. Das Land ist ausgezehrt, die Menschen sind mutlos.“
Die sogenannten „non-performing loans“ (NPLs) (drei Monate lang nicht bediente Kredite) belaufen sich auf 48,5 % aller Kredite in Griechenland. Bei den Unternehmenskrediten sind es sogar 49,6 % (in Deutschland etwa 2,5 %). Die Bundesregierung, insbesondere Finanzminister Scholz, macht für die griechischen NPLs die „Finanz- und Euro-Krise von 2007/10“ verantwortlich und nennt das eine „vorübergehende Altlast“. Diese wächst allerdings immer noch von Quartal zu Quartal. Das will man in Brüssel nicht wahrhaben, weil man den Abbau der NPLs zur Voraussetzung für die Einführung von EDIS (des Bankeinlagen-Vergemeinschaftungs-System) erklärt hatte, davon aber wie von den Maastricht-Kriterien von 1982 wieder abkommen will. Deshalb werden die NPL-Altlasten medial klein- oder weggeredet. Sie werden deshalb aber nicht verschwinden.
Das ist noch nicht alles: Griechenland hat trotz härtester drakonischer Sparmaßnahmen noch immer oder schon wieder rund 350 Mrd. Euro Verbindlichkeiten (inzwischen 191 % der Wirtschaftsleistung). Sie sind trotz des Ausverkaufs der wichtigsten Wirtschaftsgüter („Privatisierung“ genannt) wieder fast so hoch wie 2012. Sie haben seit dem Schuldenschnitt kontinuierlich zugenommen. Auch von dem Anfang 2018 medial hochgejubelten Haushaltsüberschuss Griechenlands von angeblich 7 Mrd. Euro, ist bei näherer Betrachtung nichts zu sehen. Nimmt man Zinszahlungen, Steuerrückzahlungen und Rückstellungen für Rentenverträge hinzu, ergibt sich ein Defizit von 6,3 Mrd. Euro. 40 % der Griechen leben in Armut und sind von sozialer Ausgrenzung bedroht. 21 % der Griechen suchen vergeblich nach einem Arbeitseinkommen. Bei den Jugendlichen sind es sogar 45,4 %, obwohl 300.000 junge, zumeist besser qualifizierte Leute das Land inzwischen verlassen haben und für einen möglichen Wiederaufbau des Landes fehlen. Mit der Jugend verliert ein Land seine Zukunft. Das Gleiche gilt freiwillig für Deutschland („Jedes dritte Kind lebt in Deutschland unter der Armutsgrenze“ nach Berechnungen des Deutschen Kinderschutzbundes, DKSB) und unfreiwillig etwa für Syrien. So sieht „Rettung“ europa-politisch aus.
Das Griechenland-Debakel lief unter der von den Zentralbanken geschaffenen Geldflut des sogenannten Quantitative Easing (QE) ab. Draghi schuf in den letzten 43 Monaten 2,7 Billionen Dollar, die US-Notenbank fast 4 Billionen USD – aus dem Nichts. Die globalistische Elite glaubt, die Wirtschaft boome, und will zu „normaleren finanziellen Verhältnissen“ zurück, meint die Financial Times. Sie glaubt, die Geldflut ließe sich in die Kanäle einer „normalisierten“ Geldpolitik, der Handelskriege, Ersatz-Kriege, der Billionen- Schulden, der Dollar-Defizite und der wachsenden sozialen Bedürfnisse einer hoffnungslos indoktrinierten Bevölkerung einfangen.
Was die enorme Geldflut überhaupt nicht schaffte, war neuer breitenwirksamer Wohlstand. Sie inflationierte die Preise der Wertpapiere und sorgte marktgerecht für die Wohlstands-Umverteilung von unten nach oben. Sparer verloren Milliarden Euro zu Gunsten der Großbanken und Großspekulanten, die das „neu geschöpfte“ Geld zum Ausgleich ihrer verspielten „Trades“ zugesteckt bekamen. Gleichzeitig werden Rentenkassen durch Niedrigzinsen ruiniert, die Altersvorsorge vieler Bürger abgeschöpft und Kredit-Schulden in Rekordhöhe allgemein über die Steuerzahler und speziell über mittlere und kleinere Produktionsbetriebe aufgehäuft.
„Wir mussten doch das System retten!“ rechtfertigten sich die Zentralbanker. Wäre das ihr Motiv gewesen, hätten sie damit spätestens Mitte 2009 aufhören müssen. Stattdessen setzten sie ihre Umverteilung (Asset-Werte-Aufbau durch Schulden-Aufbau) zugunsten des einen Prozent der extranationalen Superreichen fort und intensivierten sie in den letzten beiden Jahren (2016 bis 2017). In einem solchen Umfeld gibt es keinen Spielraum für Investoren (wer soll denn die zusätzlichen Produkte kaufen können?). Alle, die noch über größere Geldvolumen verfügen, werden des Werterhalts wegen genötigt, zu spekulieren und dabei zu versuchen, die Denke einer winzigen Gruppe von Bankiers vorauszuahnen.
Die Preise fiktiver Vermögenswerte und Rohstoffe sind dabei zu Werkzeugen der Politik und der Propaganda geworden und sollen daher nicht dem Zufall (einem Markt) überlassen bleiben. Denn diese Preise müssen genauso die „richtigen“ Signale liefern, wie bestimmte Nachrichtenkanäle immer die gewünschten Meinungen vortragen müssen. Ihre unbegründeten Wiederholungen schaffen ihre eigene Realität in den Köpfen der Mehrheiten. Die über die Geldflut handhabbaren Finanzmärkte sind zu „den Märkten“ schlechthin geworden. Sie liefern keine brauchbaren Signale über die „Gesundheit der Wirtschaft“ (wenn man darunter die Versorgung der Menschen mit materiellen Gütern versteht) und schon gar nicht bezüglich deren Zukunft. Stattdessen deuten sie an, was uns die Oberschicht hören lassen will. Wenn nur weiterhin die Bedingungen für weiter steigende Aktien-, Anleihe- und Immobilienpreise erfüllt werden und andere für die Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht werden, sind die meisten „gehobeneren“ Leute zufrieden, wollen den Dingen ihren Lauf lassen und nicht allzu gründlich nachdenken.
Wird zur endgültigen Ablenkung schließlich ein heißer Krieg inszeniert, wie es die militärischen Entwicklungen an der Ostgrenze der NATO andeuten? In diesem Licht betrachtet machen die theatralischen Verteufelungsversuche Russlands seitens der globalistischen Elite und ihrer Medien plötzlich erschreckend viel Sinn.
Mehr zur Entstehung und Vorgehensweise des globalistischen Elite des Westens in meinem Text: Der Westen, ein Abgesang, Entstehung und Zukunft der westlichen Marktgesellschaft. Die Fehlentwicklung des Westens ergab sich nicht zufällig, sondern ist in einer sogenannten „Marktgesellschaft“ systemisch bedingt. Der Text: 204 engbeschriebene DIN A 4 Seiten mit 875 Anmerkungen gut belegt. Er kann als PDF-Datei für € 15 per e-mail über boettigerdrh@web.de erworben werden. (Eine Buchveröffentlichung ist in Vorbereitung).
1 Reaktion zu “Diplomatie oder Drohgebärde”
Danke für ihre Artikel. Sie kreisen das Finanzgebarden der westlichen Welt ein und entlarven seine (bis ins Mark) verlogene und diebische Strategie. Ich versuche immer dieses kriminelle Wirtschaften einfach darzustellen. Dazu vermute ich, dass etwa 200 Millionen Menschen (vor allem in USA, GB und Israel) gewalltig über ihre Verhältnisse leben und das ihnen zu verfügende Einkommen nie real erwirtschaftet haben, sondern nur über erfundende Finanzprodukte zu Reichtum gekommen sind. Ein Beispiel: Mein Cousin, geboren und aufgewachsen in den USA, war 30 Jahre lang Zimmermann für Industriebauten. Mit 56 wurde er in Rente geschickt, weil eine Belastung in der Wirbelsäule berufsbedingt festgestellt wurde, aber im Alltag nicht auffällig ist :-)))
Für 30 Jahre Gewerkschaftsmitgliedschaft (400$ im Jahr Beitrag) bekommt er 2000$ Monatsrente. Nochmals 2000$ vom Staat. Er zählt bestimmt nur zu den ganz Kleinen in diesem System, wenn man an die vielen Multi-Millionäre und Milliardäre denkt, dann kann man das Ausmass dieses Bereicherungssystems nur erahnen. Motor dieses Systems ist die Philosophie des ewigen Wachstums der Märkte. Zum Beispiel in der Autoindustrie wachsen die Kleinwagen von Jahr zu Jahr in Größe und Gewicht, damit hält man auch den Spritverbauch in etwa konstant, damit die Öl-Schwergewichte im DOW nicht schwächeln. Irgendwann kommt der Resourcenmangel, der Erzfeind des Wachstums, bin gespannt, was denen dann einfällt um das Casino aufrecht zu erhalten.