Wohin mit dem Geld?
1. September 2019 von admin
Die sieben, die sich für die „Größten“ der Welt halten, haben sich in Biarritz getroffen und Einigkeit demonstriert. Jedenfalls zog diesmal niemand seine Unterschrift unter der Abschlusserklärung zurück, wie das noch vor einem Jahr US-Präsident Trump zum Ärger aller anderen tat. Dafür ist die Erklärung auch so schwammig formuliert, wie das nur Politiker fertig bringen. Fast die Hälfte der Punkte in der Erklärung decken prinzipielle Meinungsunterschiede der G7-Mitglieder zu. Trump wollte Russland wieder als Achten in den G7-Klub integrieren. Eine Einladung an Russland ist dem bisher nicht gefolgt. Natürlich ist man sich einige, dass der Iran keine Atomwaffen haben soll wie sie seine Nachbarn Pakistan, Indien und Israel besitzen. Doch wie das zu erreichen sei und vor allem, was man im Umgang mit dem Iran eigentlich bezweckt, ist höchst umstritten. Den auf Einladung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zum Gipfel angereisten iranischen Außenminister, Dschawad Sarif, wollte Trump gar nicht erst sprechen. Lediglich die französische Regierung hatte verschiedene Treffen mit dem iranischen Minister, worüber aber nichts berichtet wurde. Doch was kann Washington in Bezug auf den Iran noch erreichen, wenn die von den Briten mit initiierte Kriegsdrohung dort nicht zieht.
Macron hat am 27.8. in einer Rede vor den Botschaftern Frankreichs eine neue Provokation gezündet. Er behauptete, es bestünde ein enger Zusammenhang zwischen Stabilität und Sicherheit in Europa und friedlichen Beziehungen zu Russland. Er forderte, eine neue „Architektur des Vertrauens und der Sicherheit“ herzustellen, was ohne bessere Beziehungen zu Moskau nicht möglich sei. (Die Rede Macrons gilt als wichtig und wurde deshalb auch auf YouTube veröffentlicht). „Einige Freunde“ Frankreichs wollten von Paris mehr Sanktionen gegenüber Russland und seien daher nicht an guten Beziehungen zwischen Russland und EU interessiert. (meinte Macron Frau Merkel oder Herrn Trump?) „Das ist aber nicht in unserem Interesse“, betonte Macron (Meinte er sich oder die EU).
Dann verlangt die G7 Erklärung mehr Effizienz von der Welthandelsorganisation und das Niederreißen von Handelsbarrieren (gewisser) Regierungen. Wie passt das zu der Flut von Sanktionen, dem immer stärkeren Protektionismus und den neuerlichen Handelskriegen, welche Mitglieder der G7 entfacht haben. Paris will mit den USA eine „vorläufige Vereinbarung“ bezüglich der angestrebten Besteuerung der großen amerikanischen Internetriesen wie Google, Facebook und Konsorten in der EU getroffen haben. Welche das ist und ob sie bei der inzwischen eingerissenen Unberechenbarkeit der scheinbaren Machthaber jemals umgesetzt werden wird, ist nicht abzusehen.
Bezüglich der Themen Libyen, Hongkong und Ukraine ergeht man sich in unverbindlichen Floskeln wie dem Wunsch nach langfristigem Waffenstillstand, Verhinderung von Gewalt und der Appellation an das Normandie-Format. Unbeachtet bleibt das Schwein „Umwelt“ oder „Klima-Schutz“, das zur Zeit durch alle europäische Medien gejagt wird, das Trump aber (aus einem besseren Grund als den, den er anführt) am liebsten schlachten würde – jedenfalls soweit es die USA zerwühlt, bei der Konkurrenz darf es das gerne tun. Ansonsten erlebte man den üblichen Jahrmarkt politischer Eitelkeiten.
Die G7, 1975 als Verständigungsforum auf eine unipolare Weltordnung ins Leben gerufen, ist ähnlich zerstritten wie ihre Macht zerbröselt. Die Kontroversen verwandelten den Klub, der jahrzehntelang die Welt beherrschte, laut „Sputnik“ in eine „Gemeinschaftsküche“. Den zerbröselnden Hammer schwingt aber nicht Macron, Putin oder gar Xi in Peking, sondern der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney. Er tat das auf dem in den Medien wenig beachteten Economic Policy Symposium vom 22. bis 24.8. in Jackson Hole (Wyoming, USA), das seit 1978 jährlich stattfindet und von der Federal Reserve Bank (FED) von Kansas City gesponsert wird.
Carney sagte dort, dass der Dollar den Status als globale Leitwährung verliere und forderte deshalb, dass sich die Zentralbanken zusammenschließen und einen Ersatz finden sollten. Denn der Anteil der Schwellenländer (incl. China) an der Weltwirtschaft seit 2008 sei von 45 auf 60 % gestiegen. Dem entspräche das proportionale Gewicht der Währungen dieser Länder nicht mehr, wenn die Hälfte aller internationalen Zahlungen weiterhin in Dollar erfolgt. Diese 50% seien „fünf Mal mehr als der Anteil der Vereinigten Staaten am globalen Warenhandel. Das spornt die Nachfrage nach US-Aktiva an und hat für viele Länder negative Nebeneffekte seitens der Schwankungen der US-Wirtschaft.“ laut Reuters
Allerdings hängt das Gewicht des US-Dollars weniger von der Stärke der US-Wirtschaft ab. Der Status des Dollars als Leitwährung des Welthandels beruht darauf, das traditionell wichtigste Waren wie Öl, Gas oder Getreide damit gehandelt werden und der Dollar meist als „Durchgangswährung“ beim Tausch verschiedener Devisen dient. Das Übergewicht der US-Währung im Welthandel destabilisiere die Weltwirtschaft, behauptete Carney. Wahrscheinlich meinte er weniger die Bedeutung der US-Währung an sich als vielmehr die politischen und manipulativen Machenschaften der Dollarlieferanten. Carney forderte jedenfalls eine Reform des globalen Devisensystems bei der das US-Dollar-System dringend durch neue „digitale Aktiva“ oder eine „digitale Währung“ersetzt werden müsse. Ähnlich denkt man wohl auch in Moskau und Peking.
Was Carney vorschlägt ähnelt dem „Libra-Projekt“ führender US-Finanz- und High-Tech-Unternehmen (wie Facebook, MasterCard, Paypal, Stripe, Visa, Ebay, Lyft, Uber, Vodafone u.a.). Dagegen hat die US-Regierung allerlei. Denn dieses Projekt kann das Gewicht des US-Dollars verringern und damit die monetäre Souveränität der USA untergraben oder „privatisieren“ (was mit der Macht der USA doch bereits geschehen ist, Denn „Wer zahlt schafft an) und das kann nicht eine hoch verschuldete US-Regierung). Länder die z.B. ihr Öl oder auch anderes nicht mehr gegen Dollar verkaufen wollten, erlebtenso etwas wie „bunte Revolutionen“ oder gewaltsamere Regime Changes (meist begründet wegen „Verstöße gegen die Menschenrechte“, gemeint waren „Verstöße gegen den Dollar“)
Carney versuchte den Verdacht, Ähnliches wie „Libra“ zu beabsichtigen, mit dem Hinweis von sich zu weisen, dass das Projekt von Facebook und Co vorerst keine Alternative für den Dollar als wichtigste Währung der Welt liefern könne. Doch träfe das nicht auch auf die Alternative zu, die dem britischen Banker vorschwebt? Die von ihm anvisierte Digitalwährung solle nicht von Privatunternehmen, sondern von Zentralbanken verschiedener Länder geschaffen und kontrolliert werden. Noch im Januar war Carney etwas anderer Meinung: „Je nach der Umformatierung der Welt wird die jetzige Spaltung zwischen der Real- und Finanzwirtschaft wohl geringer, und dabei könnten andere Reservewährungen entstehen. Vor allem erwarte ich, dass dies aktuelle nationale Währungen wie beispielsweise der Yuan sein werden.“ „Der chinesische Yuan ist der wahrscheinlichste Kandidat dafür, die neue Reservewährung zu werden, die dem Dollar entspricht, aber ihm steht noch ein langer Weg bevor, bis er dazu bereit ist“, und Reuters Kommentar dazu: „Carney zufolge wäre ein diversifiziertes, multipolares Finanzsystem, das eine Unterstützung auf der technologischen Ebene genießen würde, die beste Lösung.“ laut Reuters vom 9.1.2019. Wendet sich London (auch mit Hilfe des Brexit) einer immer stärkeren internationalen „Anti-Dollar-Koalition“ in der Hoffnung zu, die Bank of England könne in ihr ihre einst bedeutende Rolle zurückgewinnen? Dem scheint das China-Bashing zu widersprechen, das sonst aus London herüber tönt. Es könnte aber auch Tarnung sein. Die britische Elite ist Meister auf dem Gebiet.
Und der Rest Europas? Die Manager des größten Staatsfonds der Welt, des mit über einer Billion US-Dollar ausgestatteten Government Pension Fund Norwegens, haben am 26.8. dem norwegischen Parlament empfohlen, ihnen zu erlauben, ihre Finanzmittel von Europa weg nach Amerika umzuschichten. Der Fond wird von der Notenbank Norwegens gemanagt, die als recht unvoreingenommen gilt: „Wir sind der Ansicht, dass die geografische Verteilung weiter an die Märkte angepasst werden sollte, indem das Gewicht der Aktien in Nordamerika erhöht und das Gewicht der Aktien in den europäischen Industrieländern verringert wird,“ hieß es in dem Vorschlag. Die veränderte Empfehlung bezieht sich wahrscheinlich auf die klimapolitisch begründeten Deindustrialisierungs-Bemühungen insbesondere in Deutschland. Die USA empfehlen sich – ohne dass das gesagt wird – dadurch, dass sie aus dem Pariser Abkommen zum „Klimaschutz“ ausgestiegen sind. Regierungen in Peking, Neu-Delhi und Washington DC denken gar nicht daran, ihren CO2-Ausstoß zu begrenzen. Warum auch, sie freuen sich über vermehrtes Pflanzenwachstum selbst in der Sahelzone.
Und in Deutschland? Ein Beispiel! Bei den Plänen, den Straßenverkehr auf Elektroantriebe umzustellen, werden unter anderem die Auswirkungen auf die Chemische Industrie, einem doch bedeutenden Industriezweig Deutschlands ausgeblendet. Das gleiche galt vorher schon bei der Erörterung der angestrebten Dekarbonisierung hinsichtlich der Stahl-, Metall-, Auto- und Kraftwerkindustrie. Für den Erfolg der weitgehend erdölbasierten Chemieindustrie sind Raffinerien und darauf aufbauend die Petrochemie wesentlich. Seit 100 Jahren bildet Naphta (Leichtbenzine) die kostengünstige Basis der organischen Chemieproduktion. Naphta entsteht bei der Produktion von Kraftstoffen als Nebenprodukt. Ein geringeres Produktionsvolumen der Raffinerien wird sich durch fehlende Grundstoffe auf die gesamte Chemiebranche auswirken. Die Produktion von Naphta allein würde Raffinerien keinen ausreichenden wirtschaftlichen Produktionszweck liefern. Mit dem Wegfall der Treibstoffe für den Verbrennungsmotor verschwindet eine wichtige Ausgangsbasis der Chemischen Industrie ins weniger verbohrte Ausland und damit ein wichtiger Standortvorteil für die Produktion von Versorgungsgütern. Macht nichts, die Bundesregierung „entschädigt“ die dadurch geschädigten durch Milliarden Euro, die sie aus dem Kredit-Hut zaubert, für die Steuerzahler in Zukunft – etwa die Fridays for Future-Jugend, einmal wird aufkommen müssen, wenn sie es dann überhaupt noch können wird.
Späte Einsicht, die für andere noch immer zu früh kommt, zeigte Natalie Mekelburger, Chefin des Autozulieferers Coroplast. Sie sagte Gabor Steingart vom Handelsblatt kürzlich in einem Interview, sie habe das Gefühl, es fände eine „Gehirnwäsche unter dem Motto: Rettet den Planeten“ statt, und bemerkenswerter noch: „Wir sehen, dass hier eine ganz andere gesellschaftliche Idee dahinter steht. Man sagt, die Marktwirtschaft kann das Thema nicht lösen, hier muss der Staat eingreifen. Mit der Idee eines starken Staatseingriffs geht die Idee einer planwirtschaftlichen Gesellschaft einher. Natürlich bin ich damit nicht einverstanden. Ich weiß auch nicht, was das dem Klima bringen soll.“ Nein, es geht nicht um die in der Ideologiediskussion so geliebte Marktwirtschaft, denn wo gäbe es die bei all den Eingriffen, Auflagen, Geld- und Marktmanipulationen etc. noch. Es geht um die „Transformation der Industriegesellschaft“ in eine „stationäre Gesellschaft“. Dieses Konzept hat als einer der erster der scheinbar „linke“ Sozialreformer John Stuart Mill bereits 1848 ins Spiel gebracht. Um die eigenen Herrschaftsverhältnisse der Kreditgeld aus dem Nichts Schöpfer („wer zahlt, schafft an“) nicht zu gefährden, muss man die Produktivkräfte in Zaum halten. Davor hatte später Karl Marx in möglicherweise umgekehrter Absicht sehr abstrakt gewarnt. Die „Avantgarde“ der Finanzwirtschaft hat das im Unterschied zu derjenigen der „Arbeiterklasse“, der fanatisiert-vernagelten „Linken“, verstanden und außerdem noch fertig gebracht, diese „Linke“ dank ihrer Manipulierbarkeit vor ihren Karren zu spannen. Das hat die produzierende Wirtschaft und die auf entsprechenden Produkte angewiesene Öffentlichkeit bis heute noch nicht gespannt. Frau Mekelburger scheint inzwischen so etwas zu ahnen. Mal sehen, wie ihr das bekommen wird.