„Der Gipfel“ nach Helsinki
3. August 2018 von admin
„Wir haben Diskussionen über alles, vom Handel bis zum Militär, von Raketen, über Atomtechnik bis hin zu China“ erklärte Präsident Trump bei der Eröffnung des Gipfeltreffens mit dem russischen Amtskollegen in Helsinki. „Die Zeit ist gekommen, um im Detail über unsere bilateralen Beziehungen und die internationalen neuralgischen Punkte zu sprechen“, unterstrich Putin. Vernünftige Absichten, vernünftiges Verhalten, sollte man meinen.
Thomas Friedman bekannter Kolumnist der New York Times, quasi das Zentralorgan der Hoch-Adels-Finanz meinte Trump hätte Putin auf dem Gipfel in Helsinki mit den Worten ohrfeigen sollen: „Sie haben unsere Demokratie angegriffen. Wir kümmern uns nicht um Ihre Dementis heruntergekommene Spieler. Wenn Sie diese Haltung einnehmen, werden wir das als einen Akt des Krieges betrachten.“ Er wirft dem russischen Präsidenten vor, „die NATO anzugreifen, einen fundamentalen Stützpfeiler der internationalen Sicherheit, Europa zu destabilisieren sowie Tausende von syrischen Flüchtlingen zu bombardieren, und sie zu zwingen, nach Europa zu flüchten“. Dann beschuldigt er den Präsidenten der Vereinigten Staaten, „den Eid auf die Verfassung verleugnet zu haben“ und „ein Agent des russischen Geheimdienstes“ zu sein oder diese Rolle zu wollen.
Unmittelbar bevor der Präsident der Vereinigten Staaten im Begriff war, den russischen zu treffen, erhob Sonderermittler Robert Mueller III Anklage gegen 12 nicht greifbare, angebliche Agenten des russischen Geheimdienstes GRU wegen der Manipulation der Präsidentschaftswahlen in den USA. Sie seien am 14.6.2016 von außen in die digitalen Netze der Demokratischen Partei eingedrungen und hätten Hillary Clintons Wahlkampf durch die Veröffentlichung dort gefundener (tatsächlich gemachter!) Äußerungen geschädigt. War das ein Zufall? Natürlich nicht, denn bereits am 24.7.2017 hatten hochrangige Vertreter der Veteran Intelligence Professionals for Sanity, darunter Skip Folden 25 Jahre IBM-Manager für IT, nun in Rente, Kirk Wiebe ein ehemaliger leitender NSA-Analytiker, William Binney ein früherer technischer Direktor der NSA und zahlreiche andere Spezialisten mit viel technischen Details in einem Memorandum nachgewiesen, dass „die Daten von einer Person leaked (not hacked) wurden, die direkten Zugriff (physical access) zu dem DNC Computer hatte, in dem sie aufbewahrt worden waren. (https://consortiumnews.com/2017/07/24/intel-vets-challenge-russia-hack-evidence/ noch detaillierter eine andere Untersuchung https://theforensicator.wordpress.com/guccifer-2-ngp-van-metadata-analysis/ vom 24.8.2017). Die Fachleute wissen auch, dass Geheimdienst-Aktivisten es verstehen, ihre Hackerei so aussehen zu lassen, dass andere in Verdacht geraten. Die erkennbaren „technischen“ Details deuten aber daraufhin, dass „the copying was performed on the East Coast of the U.S.” Das widerlegte Müller natürlich nicht – konnte es, brauchte es nicht.
Daniel Coats, Direktor des Nationalen Geheimdienstes und erster Geheimdienstberater des Präsidenten, warf gleichzeitig Russland vor: „Es ist ihre Absicht, unsere Grundwerte zu untergraben, die Demokratie zu untergraben“ und schlug wegen einer möglichen „Bedrohung durch Cyberangriffe, die sich an einem ähnlich kritischen Punkt befänden wie vor dem 11. September“, Alarm. Diese Angriffe stammten nicht nur aus Russland, „dem aggressivsten ausländischen Agenten“, sondern auch aus China und dem Iran. Beweise, wie üblich, keine. Dem pflichteten britische „Ermittler“ in London erneut mit der Bemerkung bei, dass der russische Geheimdienst GRU in England den ehemaligen russischen Agenten, Sergej Skripal und seine Tochter vergiftet habe.
Wegen solcher Anklagen gegen die „Verschwörer“ sollte Trump unbedingt das Treffen mit Putin absagen. Während die internationale Presse der West-Elite die Vorgänge beim NATO-Gipfel verquast darstellte, verstand das Establishment eindeutig, was ins Haus stand: Das Ende der Feindschaft mit Russland und damit Milliarden an Rüstungsgewinne und – wichtiger – die bisherigen Manipulations- und Gehirnwäsche-Möglichkeiten für ihre „progressiv“ gewendeten Schäfchen. Auf Biegen und Brechen sollte eine Annäherung an Moskau verhindert werden. Als Putin vorschlug die betroffenen Personen auf beiden Seiten, die genannten russischen Agenten und die lautesten Krakeeler des Westens, jeweils von der anderen Seite befragen zu lassen, musste Trump erschrocken absagen. Das getraute er sich seinen Leuten nicht zumuten zu können.
„Der Konflikt zwischen dem transnationalen Finanzkapitalismus und dem produktiven nationalen Industrie-Kapitalismus ist in eine paroxystische (etwa, krankhafte) Phase getreten. Einerseits verhandeln die Präsidenten Trump und Putin über die gemeinsame Verteidigung ihrer nationalen Interessen. Auf der anderen Seite wirft die führende Tageszeitung für die USA und die Welt dem US-Präsidenten Hochverrat vor, während sich die Streitkräfte der USA und der NATO auf den Krieg mit Russland und China vorbereiten.“ (Il Manifesto 26.7.2017)
- Waffenansammlungen an der Grenze zu Russland im Rahmen der Operation Atlantic Resolve, die 2014 gegen die „russische Aggression“ (die Sezession der Krim-Wähler) gestartet wurde.
- Diensteifrig fordert Polen die ständigen Präsenzen von US-Panzereinheiten auf seinem Territorium und bietet dafür eine jährliche Bezahlung von 1,5 bis 2 Milliarden Dollar (aus der EU-Kasse?) an.
- Die NATO übernimmt die Ausbildung und Bewaffnung der Truppen in Georgien und in der Ukraine (mit gerade nur zugestandenen weiteren 250 Mio. Dollar) als Partner an der Grenze zu Russland.
- Der US-Kongress begrüßt in allen Ehren Andriy Parubiy, den Gründer der ukrainischen Nationalsozialistischen Partei und Chef der im finanzierten Maidan-Putsch eingesetzten neonazistischen paramilitärischen Gruppen.
- Es laufen Vorbereitungen der großen NATO- Übung Trident Juncture 18 im Oktober und November gegen Russland. An ihr nehmen000 Soldaten, 130 Flugzeugen und 70 Kriegsschiffe aus über 30 Ländern darunter Schweden und Finnland teil.
- Im Pazifik lief vom 27.6. bis 2.8 die große Marineübung Rimpac 2018 des US-Kommandos für den Indischen und Pazifischen Ozean mit 25.000 Seeleuten und Marinesoldaten, über 50 Schiffen und 200 Kriegsflugzeugen, an der sich auch Frankreich, Deutschland und Großbritannien gegen China an. Zuvor nannte der Kommandant Admiral Phil Davidson, China „die große rivalisierende Macht, die die internationale Ordnung untergräbt, um den Zugang der USA zur Region zu verringern und zum Hegemon der Region zu werden.“
- Am 1.6. 2018 schuf die NATO zwei neue gemeinsame Kommandozentralen (Ulm in Deutschland und Norfolk in den USA) und stockte das Personal um 10 % auf.
- Dazu hat die EU die „ständige strukturierte Zusammenarbeit“ (die jährlich 6,5 Milliarden € kostet) geschaffen, der Frankreich noch die „Europäische Initiative zur Aktion“ (mit unbekannten Kosten) hinzufügte. Im Gegensatz zum Medien-Geschnatter über eine damit angestrebte europäische Unabhängigkeit unterliegen beiden Maßnahmen dem Maastricht-Vertrag und unterstehen somit der NATO.
„Russlands aggressives Vorgehen, darunter auch Drohungen und Gewaltanwendung zum Erreichen politischer Ziele, fordert die Allianz heraus und untergräbt die euro-atlantische Sicherheit und regelbasierte internationale Ordnung”, hieß es in der jüngsten NATO Erklärung. Man wirft Russland außerdem „provokatives militärisches Vorgehen in der Nähe der Nato-Grenzen“, darunter auch in Kaliningrad vor. Haben diese Leute noch alle Tassen im Schrank oder sind sie bereits so „veramerikanisiert“, dass sie ihr eigenes Fehlverhalten automatisch ihrem Gegner unterstellen.
Seit dem 20.1.2017 bringt allerdings „ein Vertreter des produktiven Kapitalismus“ die internationale Ordnung zu Lasten des hochadeligen Finanzkapitalismus und seiner grünen und neulinken Anhänger durcheinander. Der Finanzimperialismus, den man bisher mit der US-Außenpolitik gleichsetzen konnte, stützt sich auf die „permanenten“ Bürokratien der US-Regierung, der NATO und der EU. Donald Trump versucht zu tun, was er während seiner Wahlkampagne angekündigt hatte. Ob er das System ändern kann, ist noch nicht entschieden. John Kennedy fand bei dem Versuch den Tod, Richard Nixon verlor dabei nur das Amt. Trump stellt sich mit seiner Unberechenbarkeit und Widersprüchlichkeit vielleicht raffinierter an – vielleicht?
Nach den Regeln der „Demokratie“ haben Abgeordneten in einer Republik die Aufgabe, die Verwaltungen des Staates zu kontrollieren. Inzwischen sind die Parlamente so „institutionalisiert“, dass sich die Abgeordneten wie (über)gutbesoldete Beamten einer administrativen Diktatur verhalten. Vielleicht versucht US-Präsident Trump trickreich dagegen zur demokratischen Normalität zurückzufinden. Spätestens als er sich auf dem G-7-Gipfel am 9.6. 2018 weigerte, die vorbereitete Erklärung zu unterzeichnen, bekam er den eingangs erwähnten dicken Konflikt an den Hals.
Mit der im Vorhinein ausgearbeiteten und vom Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, und der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker unterschriebenen Erklärung des G7-Gipfels versuchten die Bürokraten erneut, die durch den Artikel 42 des Maastrichter Vertrags festgelegt Unterordnung der EU unter die NATO festzuschreiben. (der Text der Erklärung auf Englisch unter http://www.voltairenet.org/article201945.html). Eine Diskussion mit US-Präsident Trump über die anti-russische Doktrin des Bündnisses wurde dadurch unterbunden – ein eigenartiger Vorgang bei einem „Gipfel-Treffen“!
Während man sich ausgiebig über die Verteilung der Rüstungskosten stritt – womit man Trump entgegenzukommen oder abzulenken glaubte – stellte dieser die Grundlage der Allianz in Frage: den Schutz vor Russland. Das wurde deutlich als Trump den Generalsekretärs des Bündnisses, Jens Stoltenberg, zu sich in die US-Botschaft zitierte und bewusst in Anwesenheit der Presse bemerkte, dass Deutschland, das größte und reichste Land der EU seine Wirtschaft mit dem Gas seines russischen „Freundes“ betreibe, und zugleich verlange, vor seinem russischen „Feind“ geschützt zu werden. Die „anerkannten“ Leitmedien machten daraus einen Affront gegen Deutschland, während Trump damit eine Woche vor seinem Treffen mit Präsident Putin die Schizophrenie der Gipfel-Erklärung und der NATO entlarvte, und damit den Generalsekretär abkanzelte.
In den geheimen Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen, welche die Lakaien der Hochfinanz so aufregten, könnte Präsident Trump den Abzug der russischen Truppen und der NATO von ihrer gemeinsamen Frontlinie besprochen haben. Vielleicht hatte man sogar verabredet, stattdessen mehr für die Entwicklung der Fluchtherkunftsländer in Afrika zu tun. Jedenfalls hat Präsident Putin danach am 27.7.2018 in Johannesburg beim Treffen der Staatschefs der BRICS-Länder mit den Delegationsleitern der eingeladenen Staaten gesagt: „Ich möchte hervorheben, dass Russland gewillt ist, seine Hilfe bei der Entwicklung der nationalen Energiewirtschaft von Staaten Afrikas aufzustocken… Wir bieten afrikanischen Partnern den kompletten Aufbau einer schlüsselfertigen Industrie an. Kooperationsabkommen im Bereich der friedlichen Atomnutzung sind mit einer ganzen Reihe von Ländern der Region unterzeichnet worden. Die Arbeit mit einigen von ihnen ist bereits in die praktische Bahn geleitet worden. Ein bedeutender Teil der russischen Initiativen sieht Produktionsstätten auf afrikanischem Territorium vor, darunter auch den Bau von Betrieben zur Fertigung von Zulieferteilen und von Montagebetrieben.“ Die genannten Projekte sollen der Festigung des Industriepotentials, der Förderung des regionalen Unternehmertums und der Schaffung neuer Arbeitsplätzen dienen. Putin folgte damit chinesischen Initiativen, über die der Spatz vor einigen Wochen berichtet hat.
Stattdessen lassen sich die Bürokraten in Berlin und Brüssel an der Seite der US-Bürokratie und Japans auch noch gegen China in Stellung bringen. Am 25.7. hat sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf US-Vorschläge zur Reform der Welthandelsorganisation eingelassen, die gegen China gerichtete Kriterien enthalten. Am gleichen Tag hat Außenminister Heiko Maas einen „strategischen Dialog“ mit Japan eingeleitet, der im engen „deutsch-japanischen Schulterschluss“ neue „Gestalter und Motoren der internationalen Ordnung“ anstrebt. In der Woche zuvor hatten EU und Japan ein Freihandelsabkommen und eine Strategische Partnerschaft beschlossen, die gemeinsame Schritte in der Außen- und Militärpolitik vorsehen. Tokio gilt als Pekings schärfster Rivale in Ostasien.
Mehr zur Lage in meinem Text: Der Westen, ein Abgesang, Entstehung und Zukunft der westlichen Marktgesellschaft. Der Zersetzungspilz kommt nicht von außen, – von Russland oder China – er steckt in den Auswirkungen der westlichen „Marktgesellschaft“: 204 engbeschriebene DINA 4 Seiten mit 875 Anmerkungen gut belegt. Er kann als PDF-Datei für € 15 per e-mail über boettigerdrh@web.de erworben werden.